D. A. Carson gibt im Vortrag “Apostasy and Its Effects on the Church” einen hilfreichen Überblick über die Auslegungsvarianten der Endzeitrede (Mt 24):
a) Dispensationalismus und die Vorentrückung
Diese Sichtweise, geprägt von dispensationalistischen Theologen, interpretiert die Passage wie folgt:
- Vers 4–28: Beschreibt die siebenjährige große Trübsal, die vor der Wiederkunft Jesu stattfindet. Hier geht es um Kriege, Verfolgungen und falsche Propheten.
- Vers 29–31: Die Wiederkunft Jesu unmittelbar nach der Trübsal.
- Vers 36–40: Die geheime Vorentrückung, ein Ereignis, das keine Vorzeichen hat.
Obwohl diese Ansicht die zeitlichen Indikatoren kohärent behandelt, wird sie dafür kritisiert, die natürliche Bedeutung von „dieser Generation“ (Vers 34) zu ignorieren und die historischen Fragen der Jünger unangemessen auszulegen.
b) Die thematische Trennung der Abschnitte
Diese Methode interpretiert jeden Abschnitt separat, wobei:
- Vers 4–21: Die Ereignisse bis zur Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. beschreiben.
- Vers 29–31: Die Wiederkunft Christi ankündigen.
- Vers 34: Sich auf die Generation der Jünger bezieht.
Diese Sichtweise behandelt die Abschnitte eigenständig, hat jedoch Schwierigkeiten, die zeitlichen Verbindungen zwischen den Ereignissen zu erklären.
c) Fall Jerusalems als zentrales Thema
Eine weitere Interpretation sieht die gesamte Passage bis Vers 35 als Beschreibung der Zerstörung Jerusalems.
- Vers 29–31: Beschreiben symbolisch die kosmischen Auswirkungen des Falls Jerusalems, nicht die Wiederkunft Christi.
- Vers 31: Missionare (nicht Engel) werden ausgesandt, um das Evangelium zu verbreiten.
Diese Sichtweise betont die zeitlichen Zusammenhänge, doch wird sie kritisiert, da sie die eschatologischen Aussagen Jesu überdehnt und die universale Bedeutung der Wiederkunft Christi abmildert.
d) D. A. Carson schlägt eine alternative Struktur vor, die sowohl die Zeitangaben als auch die theologischen Themen Jesu besser berücksichtigt:
- Vers 4–28: Beschreiben die „Geburtswehen des Messias“, ein Konzept, das für die gesamte Zeit zwischen Jesu erster und zweiter Ankunft gilt. Diese Periode ist geprägt von Kriegen, Verfolgungen und falschen Propheten.
- Vers 15–21: Die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. wird als besonders intensives Ereignis in dieser Zeit hervorgehoben.
- Vers 29–31: Die Wiederkunft Christi unmittelbar nach der gesamten inter-adventlichen Periode.
- Vers 32–35: Ein Rückblick, um die Zeichen der Zeit und die Bedeutung der Ereignisse zu bewerten.