Jahresfazit: Faszinierende Konversionen ehemaliger Atheisten – Niall Ferguson

Es gibt faszinierende Wendepunkte im Leben von Intellektuellen; Justin Brierly sieht das Ende des Neuen Atheismus nahen. Dazu gehören der Weltklasse-Historiker Tom Holland (“Warum ich meine Meinung über das Christentum geändert habe”),  Ayaan Hirsi Ali (“Warum ich jetzt Christ bin”) sowie ihr Ehemann, der weltbekannte Historiker Niall Ferguson. In einer Diskussion “Is Atheism a Dead End? A Historian Makes the Case for Faith” äussert er folgende Argumente (KI-unterstützte Zusammenfassung):

1. Ausgangspunkt und Selbstverständnis von Niall Ferguson

1.1. Werdegang als „lapsed atheist“ (ehemaliger Atheist)

  • Ferguson wuchs in einem atheistischen Umfeld auf und bemerkte später, dass Gesellschaften, die explizit atheistisch organisiert sind, historisch oft katastrophal endeten (etwa in der Sowjetunion, im China Maos oder während der Französischen Revolution).
  • Er erkannte zudem, wie schwierig es ist, als Einzelperson und insbesondere als Familie ohne eine religiöse Orientierung zu leben, da Religion Werte und Orientierung biete.

1.2. Position zum ‚politischen Christentum‘

  • Ferguson sieht im Christentum eine grundsätzliche Trennung von Religion und Politik („Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist…“). Deshalb hält er „politisches Christentum“ für einen Widerspruch in sich.
  • Er weist jedoch darauf hin, dass es Ausnahmen gibt, zum Beispiel die Bewegungen der Christdemokratie, die im Nachkriegseuropa erfolgreich waren.

2. Familie, Erziehung und Religion

2.1. Religiöse Erziehung und Vermittlung von Werten

  • Ferguson erläutert, dass er für seine Kinder trotz seiner atheistischer Prägung eine religiöse Erziehung als unerlässlich ansah.
  • Er betonte, dass die Bibel (Altes und Neues Testament) eine wichtige Quelle für moralisches Lernen sei.
  • Es sei deutlich einfacher, Kindern mit Hilfe biblischer Geschichten und Symbole (statt rein rationaler „erster Prinzipien“) eine Wertvorstellung von Gut und Böse zu vermitteln.

2.2. Rolle guter geistlicher Autoritäten

  • Ferguson hebt hervor, dass Priester, Pastoren oder Rabbiner Eltern in der religiösen Erziehung entlasten können. Kinder erhalten so Inputs auch von anderen Lehrpersonen und nicht nur von den Eltern.

3. Religion als Fundament von Gesellschaften

3.1. Philosophie der Geschichte und Glaube

  • Ferguson verweist auf seine Skepsis gegenüber deterministischen Geschichtserklärungen (ob religiös oder marxistisch). Er sieht die Geschichte eher komplex und chaotisch, was auf menschliche Willensfreiheit hinweise.
  • Da Geschichte vielfach von Katastrophen und Leiden handle (z.B. Hungersnöte, Kriege, Holocaust), stellt sich für ihn die Frage, ob es eine göttliche Ordnung gibt oder ob alles rein zufällig ist.
  • Er verneint, Gottes Plan im Leid eindeutig erkennen zu können, deutet aber an, dass die menschliche Vernunft möglicherweise zu begrenzt ist, um göttliche Absichten zu durchschauen.

3.2. Historische Entwicklung des Atheismus und der Säkularisierung

  • Erste Skepsis gegen Religion entstand in der Aufklärung (18. Jahrhundert). Breite Durchsetzung des Atheismus erfolgte jedoch verstärkt im 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere durch Marxismus/Sozialismus.
  • Ferguson nennt die gewaltsame Verfolgung von Religionen in kommunistischen Staaten (UdSSR, Ostdeutschland, China unter Mao) als zentrales Element dieser Entwicklung.
  • In westlichen Gesellschaften verlor Religion oft an Relevanz zugunsten anderer Aktivitäten (unter anderem durch Urbanisierung, Bildungswandel, mediale Ablenkung).

4. Woke-Bewegung, Ideologien und Ersatzreligionen

4.1. Politische Religionen

  • Ferguson argumentiert, dass Nationalsozialismus und Kommunismus quasi Ersatzreligionen waren (Michael Burleigh nennt sie „politische Religionen“).
  • Beide Systeme hätten liturgische Elemente, Ikonografie und quasi-religiöse Führerkulte entwickelt.

4.2. Woke als neue Form von Religion

  • Er sieht in der Woke-Bewegung ähnliche Strukturen: eigene Riten (z.B. Pronomen nennen), eigene Sprache und das Ausstoßen von „Ketzern“ (Cancel Culture).
  • Ferguson betont, dass sein Zitat, angeblich von G.K. Chesterton, auf diese Situation passe: „Das Problem mit Atheismus ist nicht, dass Menschen an nichts glauben, sondern dass sie an alles Mögliche glauben.“

4.3. Rot-Grün- bzw. „Islamistisch-Linke“-Allianz

  • Nach Ferguson liegt eine scheinbare Allianz zwischen Islamisten und einem Teil der westlichen Linken (insb. in Universitäten) vor, basierend auf gemeinsamen Feindbildern: Feindschaft gegenüber den USA, dem Westen allgemein, Wunsch nach Zensur etc.
  • Der islamistische Teil nutze die Linke als „nützliche Idioten“. Sollten Islamisten jemals an die Macht kommen, wären diese Linken die ersten Opfer.

5. Zur Frage des Islam und der Interaktion mit dem Westen

5.1. Jüdisch-christliche Versöhnung

  • Ferguson lobt, dass es im 20. Jahrhundert zu einer weitgehenden Annäherung und friedlichen Koexistenz zwischen Juden und Christen gekommen sei („judeo-christliche Zivilisation“).

5.2. Fortbestehendes Spannungsfeld mit dem Islam

  • Islam unterscheide sich in seiner Praxis oft von der Trennung zwischen Staat und Religion, wie sie Judentum und Christentum (teils) kennen.
  • Ferguson sieht eine gewisse Hoffnung auf Wandel, bspw. durch muslimische Reformbewegungen oder Modernisierung im Nahen Osten. Dennoch hält er den Konflikt insbesondere mit radikalen Islamisten (Hamas, ISIS etc.) für das größte Hindernis auf dem Weg zu einer umfassenden friedlichen Koexistenz.

5.3. Wandelmöglichkeiten durch Reform oder Aufklärung

  • Er zitiert seine Frau Ayaan Hirsi Ali, die in ihren Büchern (u.a. „Heretic“) Reformansätze für den Islam fordert. Sie selbst, einst Mitglied der Muslimbruderschaft, sei ein Beispiel für einen Ausstieg aus Radikalität hin zu Toleranz und schließlich zum christlichen Glauben.

6. Bildung und neue Universitäten

6.1. Säkularisierung der Schulen und Folgen

  • In den USA wurden in den 1960er Jahren Religion und Gebet an öffentlichen Schulen weitgehend verboten oder stark eingeschränkt.
  • Ferguson meint, dass das Vakuum zu einer stärkeren Einflussnahme linker (teils marxistischer) Ideen in Schulen führte.
  • Lehrer-Gewerkschaften hätten im Laufe der Zeit enorme Macht erlangt und oft eine Agenda verfolgt, die Religion und traditionelle Werte zurückdränge.

6.2. Gründung der University of Austin

  • Ferguson ist Mitgründer dieser neuen Universität in Texas, die 2024/25 ihre ersten regulären Studierenden aufnimmt.
  • Sie bekennt sich ausdrücklich zur „fearless pursuit of truth“ und zu Meritokratie; sie will Vielfalt im Sinne unterschiedlicher weltanschaulicher Hintergründe (religiös, säkular etc.).
  • Es soll keine staatlich verordnete „Leitreligion“ geben; man nimmt sich die Prinzipien der amerikanischen Verfassung zum Vorbild (Schutz von Freiheit, Fairness in Einstellungsprozessen, kein Gleichschritt durch Quoten oder politische Vorgaben).

6.3. Curriculum und Zivilisationsverständnis

  • Auch wenn der Fokus zunächst auf der westlich-jüdisch-christlichen Tradition liegt, sollen Studierende auch über den Islam, Konfuzianismus und andere Traditionen lernen, um eine globale Perspektive zu entwickeln.
  • Ferguson lehnt dabei Huntingtons Idee eines dauerhaften „Clash of Civilizations“ ab. Vielmehr betont er die Fließfähigkeit von Zivilisationsgrenzen und hält fest, dass Konflikte oft innerhalb einer Zivilisation ausgetragen würden.

7. Kontroverse um Religions- und Staatstrennung

7.1. Position der Gesprächspartner (religiöse Zionisten)

  • Der Interviewer erläutert, dass aus Sicht religiöser Zionisten eine Trennung von Religion und Staat nicht wünschenswert sei; man wolle durchaus einen religiösen Charakter des Staates Israel, aber ohne Zwang (keine „Religionspolizei“).
  • Er betont, dass auch beim Thema Mischehen (z.B. Christen/Juden) Religionsgemeinschaften ihre eigene Auffassung haben. Man wolle diese Haltung jedoch nicht militärisch oder per Gesetz aufzwingen.

7.2. Fergusons Reaktion

  • Ferguson hebt hervor, dass verschiedene Lebensmodelle und Kulturen koexistieren können, solange niemand mit Gewalt eine bestimmte Richtung erzwinge.
  • Er betont, dass sich in seiner Ehe (er als Schotte calvinistischer Herkunft, sie als somalische Ex-Muslima) ebenfalls sehr unterschiedliche Hintergründe vereinen.

8. Abschließende Gedanken

8.1. Glaube und Existenzkrisen

  • Ferguson glaubt, dass oft erst existenzielle Krisen (z.B. Kriege) oder traumatische Erfahrungen Gesellschaften zurück zum Glauben bringen. Er nennt das Beispiel der Ukraine, wo im Krieg eine gewisse religiöse Renaissance stattfinde.

8.2. Ermutigung zur weiteren Lektüre

  • Er empfiehlt eindringlich die Bücher seiner Frau Ayaan Hirsi Ali („Heretic“ u.a.) über den Ausstieg aus der radikalen Strömung des Islam und über die Suche nach einer möglichen Reformierung der islamischen Welt.