Jahresanfang: Gehen und essen

Seit Jahren habe ich es mir angewöhnt, einen Teil meiner Wegstrecken zu Fuss zurück zu legen. Zumeist geschieht dies in meiner Heimatstadt Zürich. Dabei erlebe ich nicht nur Begegnungen. In Kombination mit Zugfahrten kann ich arbeiten, lesen, schreiben, hören, telefonieren.

Das Gehen lässt sich übrigens auch gut mit anderen Bewegungen verbinden. Zur Zeit ist mein Favorit das Schwimmen drinnen und draussen zur Ryhthmisierung des Tages und zur körperlichen und mentalen Entspannung.

Eine zweite Möglichkeit ist das bewusste, gesunde Essen in Gemeinschaft mit meiner Frau, in der Familie, mit Freunden. Ein Freund hat mich auf die Kulturgeschichte des Essens in der Schweiz aufmerksam gemacht.

Im Zusammenhang mit meiner Lektüre der Evangelien wurde mir die Bedeutung von Mahlzeiten verstärkt bewusst. In Contagious holiness: Jesus’ Meals With Sinners analysiert Blomberg die Mahlzeiten in den Evangelien. Hier eine (KI-unterstützte) Auswertung von Kapitel 4.

In diesem Abschnitt untersucht der Autor Evangelientexte, in denen Jesus Mahlzeiten mit Sündern und gesellschaftlich Ausgegrenzten teilt. Dabei geht es um die Frage, warum und wie Jesus absichtlich und wiederholt soziale und religiöse Normen durchbrach, indem er sich mit Menschen zum Essen traf, die traditionell als unrein oder sündhaft galten.

Die Bedeutung der Mahlzeiten in den Evangelien

In der Kultur Jesu bedeutete das gemeinsame Essen eine Form der Gemeinschaft und sozialen Zugehörigkeit. Die Wahl der Tischnachbarn galt als bedeutungsvolle Handlung, die Anerkennung, Respekt und oft auch Gleichgesinntheit signalisierte. Für fromme Juden war es unvorstellbar, Mahlgemeinschaften mit Menschen zu teilen, die nach den rituellen Standards als unrein galten. Jesus stellte diese Erwartung jedoch bewusst infrage.

Jesu Mahlzeiten als Ausdruck des Königreiches Gottes

Durch die bewusste Einladung und Annahme von Außenseitern und Sündern demonstriert Jesus die Radikalität des göttlichen Königreichs, das über soziale und religiöse Barrieren hinweggeht. Jede dieser Mahlzeiten wird als „Proklamation des Evangeliums in Handlung“ interpretiert – Jesus verkörpert in seiner Tischgemeinschaft die kommende Erneuerung, Versöhnung und Heiligung, die das Königreich Gottes mit sich bringt.

Analyse spezifischer Evangelientexte

  • Die Berufung des Zöllners Levi (Markus 2,13-17; Matthäus 9,9-13; Lukas 5,27-32): Jesus isst mit Levi, einem Zöllner, und anderen „Sündern.“ Blomberg hebt hervor, dass Jesu Entscheidung, diese Menschen einzuladen, eine symbolische Handlung ist, die das Thema des vergebenden und integrierenden Charakters Gottes ausdrückt. Jesus nimmt bewusst diejenigen in seine Gemeinschaft auf, die von der Gesellschaft ausgestoßen werden.
  • Das Mahl bei Simon dem Pharisäer (Lukas 7,36-50): In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie eine als Sünderin bekannte Frau Jesus während eines Essens in Simons Haus die Füße salbt. Blomberg zeigt, dass Jesus die Frau nicht ablehnt, sondern ihre Hingabe lobt und ihre Sünden vergibt. Durch diese Szene wird deutlich, dass Jesus jedem offen begegnet, der zu ihm kommt, unabhängig vom gesellschaftlichen Urteil.
  • Die Speisung der Fünftausend (Markus 6,30-44; Matthäus 14,13-21; Lukas 9,10-17; Johannes 6,1-15): Die Speisung der Menge wird als Beispiel dafür gesehen, wie Jesus die Gemeinschaft des Königreichs erweitert. Jesus schafft Gemeinschaft, indem er die Menschen speist und so symbolisch die zukünftige, umfassende Tischgemeinschaft des Reiches Gottes darstellt, an der alle teilhaben dürfen.
  • Das Abendmahl (Markus 14,12-26; Matthäus 26,17-30; Lukas 22,7-23): Blomberg sieht das Abendmahl als Höhepunkt der theologischen Bedeutung von Mahlgemeinschaften in den Evangelien. Hier offenbart Jesus das Ziel seines Lebens und Sterbens – die Versöhnung der Menschen mit Gott. Die Einladung zum Abendmahl ist umfassend und erinnert an den vergebenden und heilenden Charakter von Jesu Mission.

Jesu „ansteckende Heiligkeit“: Ein zentrales Konzept in Blombergs Analyse ist die Idee der „ansteckenden Heiligkeit“. Traditionell betrachteten viele Juden Heiligkeit als etwas, das durch Absonderung und Vermeidung von Unreinheit bewahrt werden musste. Jesus hingegen geht direkt auf die Unreinen zu, doch anstatt von ihrer Unreinheit beeinflusst zu werden, bringt er Heiligkeit und Reinheit zu ihnen. Blomberg zeigt, wie Jesus durch seine Mahlzeiten die Vorstellung auf den Kopf stellt, dass Heiligkeit mit Absonderung gleichgesetzt ist. Vielmehr wird Heiligkeit durch die aktive Nähe zu den als „unrein“ Geltenden demonstriert.