Nach wie vor ringe ich um ein angemessenes, kluges Verständnis im Spannung zwischen Christsein und Gegenwartskultur. Diese Diskussion (u. a. mit James R. Wood und David VanDrunen) widerspiegelt meine aktuellen Überlegungen passend:
Definition Postliberalismus
Postliberalismus kritisiert fundamentale Aspekte des Liberalismus:
- Freiheit: Liberalismus betont negative Freiheit („Freiheit von“), Postliberalismus sieht Freiheit auch als positive Tugend.
- Anthropologie: Menschen werden im Liberalismus oft als abstrakte Individuen betrachtet, nicht als eingebettete Gemeinschaftswesen.
- Religion: Im Liberalismus als optional oder privat angesehen, während Postliberalismus Religion als wesentlich für das menschliche Leben betrachtet.
- Politische Ordnung: Liberalismus basiert auf menschlicher Souveränität und sozialen Verträgen, Postliberalismus erkennt eine religiöse Grundlage von Ordnung an.
- Kirche: Der Liberalismus reduziert die Kirche auf eine freiwillige Gesellschaft, Postliberalismus sieht sie als zentrale moralische Institution.
Unterschiede zum klassischen (politischen) Liberalismus:
- Klassischer Liberalismus versucht, staatliche Neutralität zu fördern, um individuelle Freiheiten zu maximieren.
- Postliberalismus glaubt, dass der Staat aktiv das „Gute“ fördern muss, einschließlich religiöser Werte.
- Öffentliche Institutionen sind nicht neutral, sondern fördern implizit oder explizit eine moralische Vision.
David VanDrunens Position zu den Zwei Reichen:
- Zwei-Reiche-Lehre: Gott regiert die Welt auf zwei Arten:
- Gemeine Gnade: Für alle Menschen, um die natürliche Ordnung zu erhalten.
- Erlösende Gnade: Durch Christus und seine Kirche für das Heil.
- Christen leben in beiden Reichen und profitieren von beiden.
Zusammenhang zwischen Zwei Reichen und klassischem Liberalismus
- VanDrunen sieht keine notwendige Verbindung zwischen der Zwei-Reiche-Lehre und klassischem Liberalismus, glaubt aber, dass dieser Ansatz die beste politische Ordnung für ein friedliches Zusammenleben bietet.
- Liberalismus kann als politisches Modell gesehen werden, das Frieden und Gerechtigkeit in einer gefallenen Welt fördert.
Hier sind 10 Thesen von Postliberalismus (P) und Zwei-Reiche-Lehre (Z):
- P: Öffentliche Religion ist unvermeidlich, da politische Ordnungen immer eine moralische Vision fördern.
- Postliberalismus kritisiert die moralische Neutralität des klassischen Liberalismus und sieht Religion als zentral.
- Die Zwei-Reiche-Lehre bietet eine theologische Grundlage für ein politisches System mit begrenzter staatlicher Zuständigkeit.
- Z: Der Staat sollte das „Gute“ fördern, aber seine Zuständigkeit auf „vorletzte Güter“ beschränken.
- Z: Der Liberalismus fördert Frieden und Gerechtigkeit in einer gefallenen Welt, hat aber Schwächen in der Förderung religiöser Werte.
- P & Z: Christen sollten kulturellen Einfluss suchen, ohne die institutionelle Kirche mit politischen Zielen zu belasten.
- Z: Synkretismus und Korruption sind Gefahren bei einer zu engen Verbindung zwischen Kirche und Staat.
- P: Moral und Religion sind untrennbar, und der Staat kann indirekt zur Förderung der wahren Religion beitragen.
- Z: Der Staat hat keine Kompetenz, über die erste Tafel des Gesetzes (z. B. Gottesverehrung) zu urteilen.
- Z: Gemeine Gnade und natürliche Ordnung sind für den Staat entscheidend; erlösende Gnade bleibt der Kirche vorbehalten.
Kulturelle Einflussnahme durch positive Darstellung
- Christen sollten sich auf kulturelle Projekte konzentrieren, die die Schönheit, Güte und Wahrheit des christlichen Glaubens demonstrieren.
- Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der Werte des Christentums, insbesondere durch Medien, Kunst und Bildung
Einsatz kultureller Institutionen
- Die Einflussnahme soll nicht ausschließlich über staatliche Instrumente erfolgen, sondern vielmehr durch die Stärkung und Nutzung kultureller Mechanismen.
- Christen sollten in kulturellen Institutionen aktiv sein (z. B. Schulen, Universitäten, Medienhäuser), um dort die Wahrheit des Christentums überzeugend zu vertreten.
- Der Einfluss erfolgt nicht durch Zwang, sondern durch die Macht des guten Beispiels und überzeugender Argumente.
Strategische Vision
- Auch wenn Christen in der Minderheit sind, können sie langfristig eine Veränderung bewirken, da motivierte Minderheiten oft disproportionalen Einfluss ausüben können.
- Ziel ist es, nicht nur politische, sondern vor allem kulturelle Herzen und Köpfe zu erreichen.