Input: Das chinesische Sozialkredit-System

Der australische Medienunternehmer John Anderson interviewte vor einigen Monaten den chinesischen Gelehrten Steve Tsang (The Political Thought of Xi Jinping). Dieser erklärt anschaulich das chinesische Sozialkredit-System.

Grundprinzipien des Sozialkreditsystems

  • Zielsetzung:
    • Förderung von Loyalität zur Kommunistischen Partei und zur Führung unter Xi Jinping.
    • Stärkung der gesellschaftlichen Kontrolle und Erziehung der Bevölkerung zu “idealen Bürgern”.
    • Überwachung und Steuerung des Verhaltens der Menschen durch ein System aus Belohnungen und Bestrafungen.
  • Funktionsweise:
    • Bürger erhalten Punkte basierend auf ihrem Verhalten, ihrer Konformität mit den Vorgaben der Partei und ihrer ideologischen Loyalität.
    • Positive Aktionen (z. B. Zahlung von Rechnungen pünktlich, patriotisches Verhalten) erhöhen die Punktzahl.
    • Negative Aktionen (z. B. Verkehrssünden, Kritik an der Regierung) führen zu Punktabzügen.

Überwachungsinstrumente

  • Digitale Technologie:
    • Millionen Überwachungskameras im gesamten Land, ausgestattet mit fortschrittlicher Gesichtserkennungssoftware.
    • Digitale Aufzeichnung und Analyse von Verhalten und sozialen Interaktionen in Echtzeit.
    • Überwachung von Online-Aktivitäten, einschließlich der Nutzung sozialer Netzwerke und Chats.
  • Bildung und Propaganda:
    • Indoktrination durch das Bildungssystem, von der Grundschule bis zur Universität.
    • Einsatz von Apps wie “Xi Jinping Thought” zur täglichen Überwachung des ideologischen Lernfortschritts.
  • Kombination mit traditionellen Methoden:
    • Netzwerke von Parteiangehörigen, die sich gegenseitig überwachen und über Verstöße berichten.
    • Verwendung alter KPCh-Strategien wie “Mass Line” zur Erfassung und Beeinflussung öffentlicher Meinung.

Belohnungen und Strafen

  • Belohnungen:
    • Zugang zu besseren Wohnmöglichkeiten, Bildungseinrichtungen und Kreditvergaben.
    • Erleichterte Reisemöglichkeiten (z. B. für Flüge und Hochgeschwindigkeitszüge).
    • Vorteile im sozialen und beruflichen Leben, wie bevorzugte Behandlung bei Behördengängen.
  • Strafen:
    • Einschränkung der Reisefreiheit, z. B. Verbot von Flügen oder Zugfahrten.
    • Ausschluss von guten Schulen oder Universitäten.
    • Verlust des Zugangs zu Kreditmöglichkeiten oder öffentlichen Leistungen.
    • Öffentliches Anprangern und soziale Isolation.

Psychologische und gesellschaftliche Auswirkungen

  • Individuelle Anpassung:
    • Viele Menschen passen ihr Verhalten an, um Punkteverluste zu vermeiden und Vorteile zu sichern.
    • Vermeidung von Diskussionen oder Handlungen, die als regierungskritisch interpretiert werden könnten.
  • Soziale Dynamik:
    • Förderung eines Klimas der gegenseitigen Überwachung und Denunziation.
    • Konzentration auf “sichere” Themen in Gesprächen (z. B. Unterhaltung, Essen) und Meiden sensibler Themen wie Politik.
  • Langfristige Kontrolle:
    • Schaffung eines Bewusstseins, ständig überwacht zu werden (“Big Brother”).
    • Reduktion der Bereitschaft, gegen die Partei oder das System zu rebellieren.

Wirkung des Systems

  • Effizienz:
    • Das System ist darauf ausgelegt, die Bevölkerung effektiv zu kontrollieren und zu lenken.
    • Es kombiniert technische Überwachung mit traditionellen sozialen und ideologischen Kontrollmechanismen.
  • Kritik und Konsequenzen:
    • Die Bevölkerung wird in ihrer Freiheit stark eingeschränkt.
    • Das System führt zu sozialer Spaltung und einem Verlust von Vertrauen zwischen Bürgern.
    • Langfristig könnten Überregulierung und Repression Widerstand oder passiven Ungehorsam fördern.