Peter Kreeft in “C.S. Lewis for the Third Millennium”, „The Goodness of Goodness and the Badness of Badness“ (Kapitel 3).
1. Subjektivismus
- Definition: Leugnung objektiver moralischer Werte; Werte sind bloße Gefühlsäußerungen.
- Widerlegung:
- Menschen streiten moralisch, d.h. sie appellieren an objektive Maßstäbe (z.B. „das ist unfair“), nicht nur an Gefühle.
- Niemand lebt konsequent als Subjektivist: Wer selbst ungerecht behandelt wird, fordert objektive Gerechtigkeit.
- Der Glaube an moralischen Fortschritt (z. B. von Sklaverei zur Menschenwürde) setzt objektive Maßstäbe voraus.
2. Emotivismus
- Definition: Variante des Subjektivismus, nach der moralische Aussagen bloß emotionale Ausrufe sind („Buh“ oder „Hurra“).
- Irrlehre: Moral ist Ausdruck subjektiver Gefühle, nicht Erkenntnis von objektiver Wirklichkeit.
- Widerlegung:
- Beispiel: „Das ist erhaben“ meint nicht bloß „Ich fühle mich ergriffen“, sondern erhebt Anspruch auf objektive Wahrheit.
- Wenn Aussagen wie „Lügen ist verachtenswert“ bloß Gefühle wären, wären Diskussionen darüber sinnlos.
- Emotivismus macht moralische Kommunikation unmöglich, da es keine Aussagen über reale Sachverhalte gäbe.
3. Positivismus
- Definition: Werte werden nicht entdeckt, sondern vom Menschen willentlich „gesetzt“.
- Irrlehre: Es gibt keine vorgegebenen moralischen Maßstäbe; der Mensch erschafft sie willkürlich.
- Widerlegung:
- Wer Werte „setzt“, steht außerhalb des moralischen Gesetzes und erhebt sich zum Schöpfer von Gut und Böse – das ist die Rolle Gottes, nicht des Menschen.
- Der „Wertschöpfer“ kann daher selbst weder gut noch böse genannt werden – er steht jenseits von Moral, was unmenschlich ist.
- Moralische Reform setzt bereits einen Maßstab voraus, an dem sich Reformer messen – diesen Maßstab kann man nicht zugleich leugnen.
4. Kultureller Relativismus
- Definition: Moral ist kulturspezifisch – was in einer Kultur gut ist, ist in einer anderen vielleicht schlecht.
- Irrlehre: Es gibt keine überkulturellen, universalen moralischen Prinzipien.
- Widerlegung:
- Es existieren quer durch alle Kulturen hinweg erstaunlich ähnliche Grundwerte (vgl. Anhang in The Abolition of Man).
- Moralische Unterschiede zwischen Kulturen betreffen meist Anwendung, nicht Prinzipien (z. B. was „Ehrfurcht vor dem Leben“ bedeutet).
- Kulturelle Unterschiede beweisen nicht die Relativität der Moral, sondern ihre Universalität im Kern.
- Wer anderen Kulturen keine Fehler zubilligt, unterstellt ihnen Unfehlbarkeit – eine bizarre Form des moralischen Imperialismus.
5. Historizismus
- Definition: Moralische Werte ändern sich mit der Zeit, wie Moden oder Technologien.
- Irrlehre: Früher galt z. B. Keuschheit als gut, heute ist sie veraltet; das moralisch Richtige „entwickelt“ sich mit der Geschichte.
- Widerlegung:
- Der Satz „Du kannst die Uhr nicht zurückdrehen“ ist Unsinn: Wenn die Uhr falsch geht, dreht man sie zurück.
- Moralischer Fortschritt setzt einen überzeitlichen Maßstab voraus – sonst ist es bloß Wandel, nicht Fortschritt.
- Historizismus macht Umkehr unmöglich – ohne Umkehr keine Reue, ohne Reue keine Erlösung.
6. Utilitarismus
- Definition: Moral wird auf das Nützliche, das für die Gesellschaft Zweckmäßige reduziert.
- Irrlehre: Gut ist, was nützt; schlecht ist, was schadet – moralische Güte ist Mittel zum Zweck (z. B. Glücksmaximierung).
- Widerlegung:
- Aus dem Faktum „x nützt der Gesellschaft“ folgt nicht automatisch: „x ist moralisch gut“.
- Die Frage, warum man überhaupt für das Gemeinwohl arbeiten soll, wird nicht beantwortet.
- Auch Utilitarismus braucht die vorausgesetzte Gültigkeit des moralischen Sollens (Tao).
7. Instinktualismus
- Definition: Moralisches Verhalten ist biologisch-evolutionär bedingter Instinkt.
- Irrlehre: Was wir für moralisch halten, ist bloß ein Produkt der Evolution.
- Widerlegung:
- Instinkte stehen oft im Konflikt (z. B. Fluchttrieb vs. Hilfsbereitschaft) – Moral entscheidet zwischen ihnen.
- Moralisches Sollen unterscheidet sich von instinktivem Wollen – wir tun oft das Richtige gerade gegen unsere Instinkte.
- Moral ist das übergeordnete Ordnungsprinzip, das Instinkte bewertet – wie Noten zu Tönen auf dem Klavier.
8. Hedonismus
- Definition: Gut ist, was Lust bereitet; schlecht ist, was Unlust verursacht.
- Irrlehre: Glück wird mit Lust identifiziert, Tugend mit angenehmem Gefühl.
- Widerlegung:
- Manche Freuden sind böse (z. B. sadistische Lust), manche Leiden gut (z. B. Opfermut).
- Glück und moralische Güte sind nicht deckungsgleich – Glück kann in der Hölle gesucht werden, Güte niemals.
- Sexuelle Lust wird als „Recht auf Glück“ deklariert – unabhängig von Treue, Verantwortung oder Wahrheit.
- Die Sexualmoral ist Prüfstein wahrer Moral: Sie ist der Bereich, wo Lust und Liebe häufig auseinandergehen.
9. Egoismus (aufgeklärter Eigennutz)
- Definition: Moralisches Verhalten lohnt sich langfristig – „Selbstverwirklichung durch Tugend“.
- Irrlehre: Es ist rational, gut zu sein, weil es mir nützt – Moral als Tauschgeschäft.
- Widerlegung:
- Der Moralische handelt auch dann gut, wenn es ihm schadet.
- Ethische Verpflichtungen beruhen nicht auf wechselseitigem Nutzen, sondern auf objektiver Verpflichtung.
- Christliche Tugend ist Selbsthingabe, nicht Selbstoptimierung.
10. Pragmatismus
- Definition: Was funktioniert, ist gut; was nützt, ist wahr.
- Irrlehre: Moralische Prinzipien werden nach Zweckmäßigkeit beurteilt, nicht nach Wahrheit.
- Widerlegung:
- Diese Haltung öffnet Tor und Tür für „der Zweck heiligt die Mittel“.
- Sie hat sich historisch als Einstieg in das Dämonische erwiesen (z. B. bei der N.I.C.E. in That Hideous Strength).
- Das Böse erscheint kurzfristig stärker, aber ist letztlich zerstörerisch – nur das Gute hat Bestand.
11. Optimistischer Humanismus
- Definition: Der Mensch ist im Grunde gut – Sünde ist ein Mythos.
- Irrlehre: Es gibt keine Bosheit im Menschen – nur Missverständnisse, schlechte Erziehung, mangelhafte Strukturen.
- Widerlegung:
- Tägliche Nachrichten, Geschichte und Literatur zeigen das Gegenteil.
- Das Böse im Menschen ist tief verwurzelt – moralische Blindheit ist selbst Teil dieses Problems.
- Erlösung setzt Selbsterkenntnis voraus – ohne Erkenntnis der Sünde keine Gnade.
12. Zynismus
- Definition: Alles menschlich Gute ist Fassade – Güte ist Illusion oder Schwäche.
- Irrlehre: Es gibt keine wirkliche Güte – nur verdeckten Eigennutz oder Heuchelei.
- Widerlegung:
- Wirklich gute Menschen existieren, wie die Heiligen beweisen.
- Zynismus ist selbst ein unbewusster Glaube – Glaube an die Allgegenwart des Bösen.
- Wer das Gute leugnet, zerstört sich selbst – wie die Zwerge in The Last Battle.
13. Pop-Psychobabble (psychologischer Moral-Kitsch)
- Definition: Gut ist „nett“, schlecht ist „gemein“ – Moral reduziert auf Gefühle der Freundlichkeit.
- Irrlehre: Urteilen ist „böse“, Toleranz ist oberster Wert; Ethik wird banalisiert zu therapeutischer „Harmonie“.
- Widerlegung:
- Gott ist nicht nett, sondern heilig: „Nicht zahm, aber gut“ (Aslan).
- Mitgefühl ohne Wahrheit ist gefährlich – siehe z. B. Abtreibung aus „Mitleid“.
- Wahre Liebe schließt Gericht und Ernsthaftigkeit mit ein.
14. Moralischer Philisterismus
- Definition: Gut ist langweilig, Böse ist interessant – heldische Tugend ist kitschig oder flach.
- Irrlehre: Die Welt der Helden, Heiligen und Tugendhaften sei ästhetisch unattraktiv.
- Widerlegung:
- Böses ist banal – das Böse hat keine Tiefe (Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem).
- C. S. Lewis gelingt es, das Gute spannend und schön darzustellen (Aslan, Psyche, Ransom).
- Die Idee, dass „nur das Böse Tiefe hat“, ist selbst eine diabolische Lüge.
15. Rationalismus
- Definition: Moral ist rational ableitbar und vollständig durchschaubar – keine Geheimnisse.
- Irrlehre: Alles Gute muss klar, einfach, logisch verständlich sein; Mysterien gelten als Irrationalität.
- Widerlegung:
- Moralisches Leben ist zutiefst geheimnisvoll, weil Liebe geheimnisvoll ist.
- Rationalismus verkennt die Tiefe des Herzens, des Leids und der Gottesbeziehung.
- Die Wirklichkeit der Tugend ist nicht flach und berechenbar – sie ist wie Musik, nicht wie Algebra.
17. Säkularismus – Die Trennung des Guten vom Transzendenten
- Zentrale These der Häresie:
- Moralität sei autonom, unabhängig von Gott und jeglicher Transzendenz.
- Die Moral ließe sich “horizontal”, also nur im menschlich-sozialen Bereich, begründen.
- Widerlegung durch Lewis:
- In Mere Christianity argumentiert er für die Existenz Gottes aus der moralischen Erfahrung (Moral Argument).
- Moral ist eine “Spur”, die zur Quelle führt – nicht zur Menschheit, sondern zu Gott.
- Philosophische Analyse:
- Naturgesetze der Physik führen zur Suche nach dem ersten unbewegten Beweger – genauso führt das Naturgesetz der Moral zur Suche nach dem höchsten moralischen Ursprung.
- Ohne Gott bleibt Moral ohne letzten Grund und wird bloßes soziales Konstrukt.
18. Pantheismus – Die Identität von Gut und Böse
- Zentrale These:
- Alles ist eins. Gut und Böse sind letztlich identisch, weil alles Teil Gottes ist.
- Gott ist nicht transzendent, sondern vollkommen immanent – auch im Bösen.
- Lewis’ Kritik:
- Pantheismus ist uralt, nicht modern. Er erscheint als Spiritualität, ist aber metaphysischer Gleichmacher von Gut und Böse.
- Das christliche Gottesbild widerspricht radikal: Gott nimmt Partei, liebt das Gute, hasst das Böse.
- Konkrete Ausgestaltung in Lewis’ Werk:
- In Perelandra wird Weston durch seine pantheistische Philosophie zur dämonischen Kreatur.
- Die Identifikation von Gott und Teufel ist letztlich blasphemisch.
- Zeitdiagnose Kreefts:
- Moderne Christen neigen zunehmend zur pantheistischen, “unpersönlichen” Spiritualität (New Age, östliche Mystik).
- Der Gott der Bibel ist aber persönlich, männlich, transzendent, wertend und kämpferisch.
19. Moralismus – Die Vergötzung der Moral selbst
- Zentrale These:
- Moral sei der höchste Wert, das Ziel des Lebens.
- Ethik wird zur Religion, Anständigkeit zum Heiligen.
- Lewis’ Korrektur:
- Moral ist notwendig – aber nicht das Ziel.
- Das Ziel ist Verwandlung in ein Kind Gottes, Vergöttlichung (deification), Teilnahme am göttlichen Leben.
- Hauptwerke dazu:
- The Weight of Glory
- Man or Rabbit?
- Mere Christianity, Kapitel über „Hoffnung“
- Schlüsselsatz:
“You were made not for mere morality, but for joy, transformation, and participation in divine life.”
- Analogie:
- Moral ist wie ein Operationstisch, aber nicht das Heilmittel selbst.
- Der „Ethik-Hase“ (rabbit) muss durch Gnade in einen „Gottes-Sohn“ verwandelt werden.
20. Nietzscheanismus – Die Umwertung aller Werte
- Zentrale These:
- Das Gute ist schlecht; das Böse ist gut.
- Tugend ist Schwäche; Macht ist das einzig Wahre.
- Die “Sklavenmoral” (Demut, Mitleid, Liebe) ist zu überwinden zugunsten einer “Herrenmoral” (Stärke, Wille zur Macht).
- Tragweite der Häresie:
- Nietzsche beanspruchte offen, der “Antichrist” zu sein.
- Diese Umwertung der Werte wurde zur ideologischen Grundlage des Nationalsozialismus.
- Lewis’ Antwort:
- Die Dämonisierung des Guten wird in seinen Werken als Weg zur völligen Entmenschlichung dargestellt (z. B. Weston, That Hideous Strength).
- Das “ästhetische Interesse” am Bösen ist tödlich – nicht nur moralisch, sondern existenziell.
- Warnung Kreefts:
- Diese letzte Häresie ist die gefährlichste, weil sie spirituell anziehend wirkt.
- Sie lebt fort in Formen wie radikaler Feminismus, Dekonstruktivismus, Relativismus.