Thomas von Aquin widerfährt eine ähnliche Interpretation wie derjenigen von Johannes Calvin: Man verweist in erster Linie auf ihre Systematik (Unterricht in der Christlichen Religion bzw. Summa Theologica). Dabei wird verkannt, dass beide in erster Linie als Ausleger der Heiligen Schrift wirkten.
Ähnlich zu T. H. L. Parkers Einführung in die alttestamentlichen und neutestamentlichen Kommentare Calvins legte der katholische Theologe Jason Paone Einführungen für das Alte Testament und das Neue Testament vor.
Zum Beispiel: Die „Postilla“ zu den Psalmen ist eine Sammlung von Vorlesungen, die Thomas vermutlich in den letzten Jahren seiner Lehrtätigkeit an der Dominikanischen Hochschule in Neapel (1272–1273) hielt, während er an der Tertia Pars seiner Summa theologiae arbeitete. Dieses Werk spiegelt Thomas’ reifes theologisches Denken zu Themen wie Christus, Gebet, Gnade, göttliche Offenbarung und moralischem Leben wider. Die Postilla endet abrupt nach dem Kommentar zu Psalm 54, was den plötzlichen Abbruch seiner akademischen Tätigkeit am 6. Dezember 1273 infolge einer mystischen Erfahrung dokumentiert. Thomas erklärt, dass das Ziel der Psalmen darin besteht, den Geist zu Gott zu erheben, und erläutert dies mit ausführlichen Meditationen über die Herrlichkeit und Größe Gottes in den Bereichen Schöpfung, Herrschaft, Wiederherstellung und Verherrlichung.
Herausstechend: Thomas von Aquin vertritt die Auffassung, dass Christus nicht nur in symbolischer oder allegorischer Hinsicht, sondern auch wörtlich als zentrale Bezugsperson des Alten Testaments zu verstehen ist (siehe dieser einleitende Aufsatz).
Ebenso herausragend: Für Thomas ist wissenschaftliche Theologie untrennbar mit Gebet verbunden, was sich auch in seinen eigenen Gebeten und Hymnen widerspiegelt, die in der Anthologie integriert sind. Er sah im Gebet nicht nur eine emotionale, sondern auch eine intellektuelle und erkenntnisfördernde Praxis, die ihm half, seine theologischen Einsichten zu vertiefen.
Der Kommentar zum Johannesevangelium bildet das “Flagschiff” seiner NT-Kommentare. Im Kommentar zum Johannesevangelium betont er, dass gerade dieses Evangelium die tiefste Offenbarung der göttlichen Natur und des Wortes darstellt. Thomas interpretiert die Evangelien und die Briefe im Lichte einer dreiphasigen Gnadenökonomie: Ursprung, Kraft und Auswirkung der Gnade. Eine gute Übersicht bietet der einführende Aufsatz Paones zu den NT-Kommentaren.