Der irische Philosoph Mark Dooley (* 1970) fasst in dieser Vorlesung Hegels Philosophie der Person treffend zusammen:
- Hegels Schlüsselbegriff „Geist“ (oder „Spirit“) verweist darauf, dass Wesen mit Geist sich nicht nur auf Objekte richten, sondern sich auch selbst in ihrem Tun erkennen und identifizieren können.
- Weshalb ist dies zentral? In Hegels Darstellung ist Erkenntnis stets Selbsterkenntnis: Wer die Welt erkennt, erkennt zugleich sich selbst, weil es keine strikt äußeren, „rohen“ Objekte gibt, sondern nur die Welt, wie sie bereits durch den Geist (die Kultur, die Institutionen, die Geschichte) geformt wurde.
- Das bedeutet: Hegel argumentiert, dass wir ohne begriffliche (universelle) Kategorien gar nicht beschreiben oder kommunizieren könnten, was wir sehen oder spüren.
- Hegels zentrales Anliegen ist, wie wir vom anfänglichen, naiven Bewusstsein („reines Anschauen“) zum Selbstbewusstsein und schließlich zur Freiheit gelangen. Dieser Prozess wird dialektisch beschrieben: Wir starten in einem Zustand der Abhängigkeit und Unwissenheit (wie ein neugeborenes Kind), um uns im Laufe der Zeit immer weiter zu befreien.
- Der Prozess der Bewusstseinsentwicklung wird durch „Verlangen“ (desire) und „Anerkennung“ (recognition) angetrieben. Nach Hegel strebt das Subjekt nicht primär nach der Abbildung einer externen Wirklichkeit, sondern nach eigener Bestätigung und Selbstentdeckung in der Welt.
- Der Weg von der reinen Abhängigkeit (oder Entfremdung) hin zur Freiheit besteht darin, dass das Bewusstsein immer wieder „zu sich selbst zurückkehrt“ und das Fremde assimiliert oder aufhebt. Hegel spricht von „Aufhebung“ (dialektische Negation), bei der eine These (Ausgangszustand) durch eine Antithese (Fremdes, Widerständiges) in einer Synthese (neue Stufe des Bewusstseins) aufgehoben wird.
- Folglich findet Erkenntnis niemals im leeren Raum statt. Wenn wir etwas zu verstehen suchen (sei es ein naturwissenschaftliches Phänomen oder ein historisches Ereignis), greifen wir auf einen bereits vorhandenen Horizont von Begriffen, Traditionen und Diskursen zurück, die selbst Ergebnisse früherer Bewusstseinsakte sind.
- Auch gesellschaftliche Umbrüche (Revolutionen, Paradigmenwechsel) werden nicht durch bloß materielle Faktoren ausgelöst, sondern durch Veränderungen in den Begriffen und in der kollektiven Selbstauffassung. Wenn Menschen ihre Vorstellungen und Deutungen ändern, wandelt sich auch die soziale und politische Ordnung.
- Hegel beschreibt Freiheit nicht als absolute Willkür („tun, was man will“), sondern als „vermittelte Freiheit“. Wirklich frei ist man, wenn man die eigenen Wünsche, Pflichten und Verantwortungen in Einklang mit der Gemeinschaft und den Institutionen bringt.
Ich schätze den Philosophen Roger Scruton (1944-2020) sehr; umso wichtiger zu erkennen, inwiefern und inwieweit er sich bei Hegel anlehnt. Nochmals Dooley (hier):
Hegel wird von Scruton als wichtigster konservativer Philosoph benannt, weil er eine metaphysische Fundierung des Konservatismus liefert: Hegel zeigt, dass unser „Zuhause-Sein“ in der Welt und unsere Bindung an Traditionen, Institutionen und Gemeinschaften eng mit unserer Selbst- und Weltverfassung verknüpft sind. Scrutons Verteidigung von Heimat, Gemeinschaft, Brauchtum und Institutionen spiegelt Hegels Idee wider, dass wir unsere Freiheit erst innerhalb bestimmter historisch gewachsener Ordnungen finden, nicht durch deren Zerstörung.