Elisabeth Lukas (* 1942), eine österreichische Psychologin und Schülerin von Viktor E. Frankl (1901-1997), entwickelte innerhalb der Logotherapie eine imaginative Methode, bei der Patientinnen und Patienten sich im Konjunktiv („Was wäre gewesen, wenn …?“) ein deutlich schlimmeres Schicksal ausmalen. Dadurch werden ihnen ihre tatsächlich (oft deutlich besseren) Lebensumstände bewusst, was zu einer Korrektur ihrer Wahrnehmung und zu einer stärkenorientierten Haltung beitragen kann. Diese Technik wird manchmal auch als „Konjunktiv-Technik“ oder „Konjunktiv-Übung“ bezeichnet. Nachfolgend findest du ein mögliches Vorgehensmodell in mehreren Schritten:
- Einführung und Zielklärung
- Problemklärung: Die Therapeutin oder der Therapeut erklärt, dass viele Menschen in einer Krise dazu neigen, ihren Fokus auf Defizite zu lenken und die positiven Aspekte ihres Lebens auszublenden.
- Ziel der Übung: Es soll bewusstwerden, dass die tatsächliche Lage besser ist, als sie subjektiv empfunden wird. Die Patienten sollen spüren, dass sie trotz aller Schwierigkeiten wichtige Ressourcen und „Inseln des Positiven“ in ihrem Leben haben.
- Rahmen schaffen
- Vertrauensvolle Atmosphäre: Da das Imaginationsverfahren intensive Gefühle hervorrufen kann, ist es wichtig, dass sich die Patientinnen und Patienten sicher und gut begleitet fühlen.
- Klarer Ablauf: Vor der eigentlichen Imaginationsphase wird erklärt, dass man sich bewusst eine hypothetische, deutlich schlimmere Situation ausmalt, um einen Kontrast zur Realität herzustellen.
- Formulierung des Konjunktivszenarios
- Gemeinsame Themenfindung: Man wählt ein Thema oder einen Aspekt im Leben, den die Klientin oder der Klient aktuell als belastend wahrnimmt (z. B. gesundheitliche Probleme, berufliche Schwierigkeiten, familiäre Konflikte).
- „Was wäre, wenn…?“: Die Therapeutin ermutigt nun, sich ein Szenario vorzustellen, in dem diese Belastungssituation tatsächlich noch schlimmer oder in einer katastrophalen Ausprägung eingetreten wäre. Dabei wird bewusst in Konjunktiv-Formulierung („Stellen Sie sich vor, es wäre …“) gearbeitet.
- Tiefgehende Imagination
- Schrittweiser Aufbau: Man geht langsam vor und lässt die Person in die Vorstellung „hineinwachsen“: Was würde geschehen, wenn der belastende Zustand noch extremer wäre? Welche Folgen hätte es für den Alltag, Beziehungen, Selbstbild usw.?
- Fokus auf Gefühle und Körperreaktionen: Die Patientin oder der Patient wird angeleitet, genau wahrzunehmen, welche Gefühle (z. B. Angst, Trauer, Ohnmacht) und körperlichen Reaktionen (z. B. Engegefühl in der Brust) während des Konjunktiv-Szenarios auftreten.
- Vertiefung durch Fragen: „Wie würde sich das anfühlen? Wie würde Ihr Leben aussehen? Was würde das für Ihre Zukunft bedeuten?“
- Reflexion und Rückkehr in die Realität
- Kontrast erlebbar machen: Nach dieser intensiven Vorstellung holt die Therapeutin die Person bewusst in die tatsächliche Gegenwart zurück: „Wie ist es jetzt wirklich? Was davon ist bloß Fantasie, was ist real?“
- Wahrnehmung verschieben: Indem die Klientin oder der Klient den Kontrast zwischen dem potenziell Schlimmen und dem aktuellen Zustand spürt, entsteht oft Erleichterung, Erkenntnis darüber, dass nicht alles so aussichtslos ist, wie zunächst empfunden, und sogar Dankbarkeit für das Vorhandene.
- Verbalisieren von Erkenntnissen: Die Betroffenen werden ermutigt, ihre gerade gemachten Erfahrungen in Worte zu fassen: „Was nehmen Sie wahr, wenn Sie sich nun Ihrer tatsächlichen Situation stellen? Welche Erleichterung oder Stärke spüren Sie jetzt?“
- Integration und Transfer in den Alltag
- Positive Schlüsse ziehen: Man erarbeitet gemeinsam, was diese Erfahrung konkret im Alltag verändern kann: etwa Wertschätzung für scheinbare Selbstverständlichkeiten (Gesundheit, soziale Beziehungen, finanzielle Sicherheit etc.).
- Konkrete Handlungsimpulse: Die Therapeutin regt dazu an, neu gewonnene Erkenntnisse in Verhaltensänderungen zu überführen (z. B. Pflege sozialer Kontakte, bewusste Dankbarkeits- oder Achtsamkeitsübungen).
- Nachgespräch und Ausblick: Ein gemeinsames Fazit sichert, dass die erlebte Kontrasterfahrung nicht nur ein kurzer emotionaler „Aha-Moment“ bleibt, sondern die Perspektive langfristig positiv beeinflusst.
P. S. Als Christ kann ich diesem Vorgehen nicht in allen Schritten zustimmen. Bekräftigen kann ich jedoch das Anliegen, aus einer stark auf unsere Befindlichkeit ausgerichteten Ich-Hypnose auszusteigen.