Mit Interesse verfolgte ich die neuerliche Papstwahl. Hier zunächst die inhaltlichen Elemente der ersten Rede. Mich verwirrt der diffus Gebrauch von Begriffen, hier beispielsweise des Friedens. Zudem vermisse ich die Priorität des Evangeliums – der Dreieine Gott rettet Sünder – in der Botschaft; (Kirchen-)Politik dominiert.
Eröffnungsgruß & Friedenswunsch (0:58 – 3:30): Mehrfaches „Friede sei mit euch“ als unmittelbare Verbindung zur Osterbotschaft.
Charakterisierung des Friedens Christi (4:28 – 4:40): Friedensdefinition (entwaffnet/entwaffnend, demütig, ausdauernd); Quelle: Gottes universale Liebe.
Rückblick auf Papst Franziskus & Fortführung seines Segens (4:53 – 5:23): Anerkennung des Mutes von Franziskus; Einladung, seinen Ostersegen weiterzutragen.
Ermutigung & Zusage göttlichen Beistands (5:27 – 6:02): Betonung: Sünde verliert, wir stehen in Gottes Hand; Appell zu Furchtlosigkeit und Geschwisterlichkeit.
Aufruf zum Brückenbauen (6:07 – 6:28): Die Welt benötigt Licht der Jünger → Dialog & Begegnung als Bauweise der Brücken.
Dank & Selbstvorstellung (6:42 – 7:11): Dank an Kardinäle; Verpflichtung, gemeinsam Frieden & Gerechtigkeit zu suchen.
Herkunft & gemeinsame Pilgerschaft (7:30 – 7:55): Verweis auf augustinische Wurzeln; Einladung, „zusammen den Weg zu gehen“.
Besondere Botschaft an die Diözese Rom (8:05 – 8:36): Skizze einer offenen, aufnehmenden, missionarischen Kirche.
Spanischer Einschub an Peru (8:44 – 9:32): Dank für vergangene Erfahrungen dort.
Erneuter Gesamt-Aufruf zur geeinten Kirche der Nächstenliebe (9:32 – 9:56): Fokus auf Friedenssuche und Nähe zu Leidenden.
Marianischer Abschnitt & gemeinsames Gebet (10:04 – 11:00): Bezug auf Fest der Madonna von Pompeji; Bitte um ihre Begleitung; gemeinsames Ave-Maria.
Segensritus & Absolution (11:41 – 14:06): Traditionelle Formel mit Fürbitte der Apostel und Heiligen; dreifacher päpstlicher Abschlusssegen.
Ich stimme dem Kommentator von Patheos (argumentativ, nicht dessen progressiver Agenda) zu: Die wirkliche Autorität liegt nicht in der weissen Soutane, sondern bei einem Geflecht aus Kardinälen, Kurienapparat und konservativen Seilschaften, die Neuerungen routiniert ausbremsen.
Der Katholizismus-Experte de Chirico fasst die Amtszeit des verstorbenen Papstes Franziskus so zusammen: “Franziskus wirbelte die katholische Welt ziemlich durcheinander: mit seinen Symbolen (er trug ein silbernes Metallkreuz), mit seinem Lebensstil (er lebte in einer einfachen Wohnung in Santa Marta), mit seiner Sprache (er sprach wie ein Landpfarrer), mit seiner Haltung (er war für alle ansprechbar), mit seinem Ton (er war beziehungsorientiert und warmherzig), mit seinem Stil (undiplomatisch und direkt), mit seiner pastoralen Offenheit (er segnete Homosexuelle und ließ Geschiedene zur Eucharistie zu).” Dies führte letztlich zu einer fluiden Art des Katholizismus: “Sein Ansatz zur Förderung der Ökumene bestand darin, „zusammen zu leben, zusammen zu beten und zusammen zu arbeiten“, und nicht in theologischen Diskussionen nach Übereinstimmung in der Lehre zu streben. Sein Ansatz war eine „spirituelle Ökumene“, den er gegenüber liberalen Protestanten, Evangelikalen, Charismatikern verschiedener Richtungen, der östlichen Kirche sowie gegenüber nichtchristlichen Glaubensgemeinschaften verfolgte. Sein Wunsch nach Einheit reichte über christliche Kreise hinaus. Franziskus betonte die Einheit der Menschheit über enge kirchliche und sogar religiöse Grenzen hinweg. Im Jahr 2020 veröffentlichte er eine Enzyklika (die höchste autoritative Lehre eines Papstes) über die universelle Geschwisterlichkeit. Das Buch Fratelli Tutti bekräftigt seine Idee, dass alle Menschen letztlich wegen ihrer Menschlichkeit Teil der römisch-katholischen Kirche seien und nicht auf der Grundlage von Buße und Glauben an Jesus Christus zum Volk Gottes gehören. So betete er regelmäßig mit Muslimen und Führern anderer Religionen.”
Der Kirchenhistoriker Carl Trueman findet klare Worte: Er spricht von intellektueller Schwäche, fragwürdigen Personalentscheiden und bewusster Mehrdeutigkeit. Beispiel: Als Erzbischof Cordileone Nancy Pelosi wegen ihrer Abtreibungspolitik von der Kommunion ausschloss, konterkarierte der Papst Franziskus die Maßnahme, indem er ihr selbst die Eucharistie reichte – ein Affront gegenüber der bischöflichen Autorität.
Was ist inhaltlich-lehrmässig vom neuen Papst zu erwarten? Carter: “Beobachter des Vatikans bezeichnen Leo XIV. im Allgemeinen als einen gemäßigten oder zentristischen Vertreter der katholischen Hierarchie. In Lehr- und Moralfragen steht Prevost eher auf der traditionellen Seite. So hat er sich beispielsweise – entsprechend der historischen Praxis der Kirche, die einen ausschließlich männlichen Klerus vorsieht – gegen Vorschläge ausgesprochen, Frauen zu Diakonissen zu weihen. Ebenso ist erwartbar, dass er bestimmte katholische Lehren (wie die Verehrung Marias) aufrechterhält. Er mag sich für Reformen in der Kirchenführung oder in der Öffentlichkeitsarbeit einsetzen (er hat insbesondere Franziskus’ Vorstoß unterstützt, Frauen in bestimmte vatikanische Entscheidungsgremien aufzunehmen), wird aber nicht als Erneuerer der Lehre angesehen.”
Der katholisch-konservative Theologe Edward Feser entwickelt folgende Leitlinien für die Kritik des Papstes, die ich in manchen Punkten hilfreich finde (abgesehen von der grundsätzlichen Differenz bezüglich seiner kirchlichen Macht):
Zwischen Verdrängung und Ehrlichkeit
- Viele Gläubige spüren, „etwas läuft schief“, werden aber angehalten zu schweigen, um nicht als illoyal zu gelten.
- Schweigen führt bei kritisch Denkenden zu kognitiver Dissonanz: Offenkundige Widersprüche zwischen aktueller und früherer Lehre werden bagatellisiert, Zweifelnde als „rebellisch“ abgestempelt – ein Gefühl des “Gaslighting” entsteht.
Warum offenes Ansprechen seelsorglich geboten ist
- Ehrliche, respektvolle Kritik stärkt den Glauben mehr als beschönigendes Schweigen; andernfalls zerbricht das Vertrauen.
- Sachliche Analyse darf nicht mit extremen oder respektlosen Angriffen in einen Topf geworfen werden.
Papsttum: Unfehlbarkeit mit klaren Grenzen
- Die Kirche lehrt nicht, dass jeder Papstakt unfehlbar sei; lediglich ex-cathedra-Aussagen oder die Wiederholung stets geglaubter Dogmen genießen diesen Status.
- Konflikte wie unter Papst Franziskus haben historische Vorbilder (z. B. Honorius I., Johannes XXII.) und widerlegen das Lehramt nicht.
Realistische Erwartungen statt Harmonie-Mythos
- Wer die Möglichkeit päpstlicher Irrtümer einkalkuliert, gerät bei aktuellen Irritationen weniger in Panik und bleibt katholisch.
Respektvolle Kritik – die Gratwanderung
- Moderne Gleichheitsvorstellungen verleiten dazu, den Papst wie einen Politiker „auf Augenhöhe“ zu behandeln.
- Dennoch bleibt er Christi Stellvertreter; Kritik muss deshalb geprüft, maßvoll und von Gebet begleitet sein.
Geistliche Verantwortung aller Gläubigen
- Der Papst trägt die größte Seelenverantwortung weltweit und steht unter besonderem geistlichem Druck.
- Katholische Antwort: für ihn beten, Leiden (etwa wegen liturgischer Restriktionen) sühne-bereit annehmen und für sein Wohl wie für das der Kirche aufopfern.
Leiden fruchtbar machen
- Ungerecht empfundenes Leid – ob durch kirchliche Skandale, verbotene Messformen oder irritierende Aussagen – kann im Geist der Sühne Christus dargebracht werden.
- So wird persönlicher Schmerz in geistlichen Nutzen für den Papst und die Kirche verwandelt.
Praktischer Leitfaden für öffentliche Stimmen
- Wer Plattformen nutzt, muss besonders sorgfältig formulieren:
- Mehrfach prüfen, ob die Darstellung sachlich stimmt.
- Den Papst als Vater achten, selbst wenn man seine Entscheidungen problematisch findet.
- Kritik stets mit Gebet und einem Bekenntnis zur Treue gegenüber der Kirche verbinden.
Hoffnungsvoller Schlusspunkt mit dem Statement eines Freundes: “Vor 500 Jahren hat in Wittenberg ein Augustinermönch einen längeren Zettel an eine Tür genagelt. Gestern hat man in Rom einen Augustinermönch zum Papst gewählt. Vielleicht, vielleicht…”