Der Historiker Paul Johnson (1928-2023) schrieb eine Geschichte der Juden. Er nennt vier Hauptgründe für sein Werk: 1) persönliche Neugier und das Erkennen der starken Abhängigkeit des Christentums vom Judentum, 2) die fast 4 000-jährige Ausdehnung jüdischer Geschichte, 3) die weltweite Streuung des Volkes, aus der sich eine „Geschichte von unten“ ergibt, und 4) die Frage, ob Geschichte einen moralischen Zweck hat, die sich am hartnäckigen jüdischen Beharren auf einem göttlichen Plan prüfen lässt.
Hebron als Querschnittsbeispiel
- Hebron liegt 20 Meilen südlich von Jerusalem und rund 900 m über dem Meeresspiegel.
- Dort befinde sich seit ca. 4 000 Jahren das Doppelgrab der Patriarchen; Herodes errichtete darum um 20 v. Chr.eine mächtige Mauer.
- Verfolgungen: Verbot des Höhleneingangs 1266, osmanisches Massaker 1518, arabische Pogrome 1929 und 1936.
- Nach 1967 (Sechstagekrieg) kehrten erstmals wieder Juden zurück; die heutige Siedlung entstand 1970.
Historische Quellen
Archäologische Funde des 20. Jahrhunderts bestätigen zahlreiche Orts- und Sachangaben, und die Beweislast kehrte sich um; Texte werden seither eher als historischer Kern denn als Mythos behandelt.
Einige Beispiele:
- Tontafelfunde in Ninive (1872) und weitere Keilschrifttexte (1965) belegen ein Flut-Epos.
- Archäologischer Befund: 8 m Schlamm in Ur (4000–3500 v. Chr.) sowie Flutschichten in Kish und Schuruppak.
- Ur-Nammu (3. Dynastie von Ur) herrschte 2060–1950 v. Chr.; sein Zikkurat stimmt mit der Turmbau-Erzählung überein.
- Mari-Archiv (≈ 19.–18. Jh. v. Chr., ausgegraben 1933), Nuzi-Texte (16.–15. Jh. v. Chr.) und Ebla-Tafeln (24.–23. Jh. v. Chr.) spiegeln dieselben Bräuche wie in Genesis: Adoption eines Hausknechts als Erben, Verkauf des Erstgeburtsrechts, Leihmutterschaft; typische Spannungen über Weiderechte und Wasserbrunnen (z. B. Streit mit Abimelech, Genesis 21).
- Stadt Schechem war spätestens seit Sesostris III (1878–1843 v. Chr.) befestigt; Jakobssöhne erobern sie (Genesis 34) – wohl erste dauerhafte israelitische Stadt in Kanaan.
- Ramses II (1304–1237 v. Chr.) ließ in Pi-Ramesse und Pithom gigantische Speicherstädte bauen und setzte „Habiru“ als Zwangsarbeiter ein (Papyrus Leiden 348). Der Auszug wird in die zweite Hälfte des 13. Jh. v. Chr. datiert; bis ca. 1225 v. Chr. war er abgeschlossen. Die Merenptah-Stele von 1220 v. Chr. nennt „Israel“ außerhalb Ägyptens – erster außerbiblischer Beleg des Namens.
Vergleich der Rechtsordnungen
Im Unterschied zu älteren Kodizes (Ur-Nammu ≈ 2050 v. Chr., Eschnunna ≈ 1920 v. Chr., Hammurabi 1728–1686 v. Chr., Mittelassyrische Gesetze 15. Jh. v. Chr.)
- schützt die Tora kompromisslos das Menschenleben; Mord ist stets todeswürdig, Eigentumsdelikte nie,
- kennt keine Vertretungs- oder Klassenjustiz,
- begrenzt Körperstrafen (max. 40 Hiebe, Deuteronomium 25, 3).
Ägypten bot materielle Sicherheit, aber keine kodifizierte Rechtsordnung; Macht lag willkürlich beim Pharao. Mesopotamien entwickelte schon im 3.–2. Jt. v. Chr. schriftliche Gesetzescodes, blieb jedoch polytheistisch ohne klare Ethik. Die Israeliten verbanden schriftliches Recht mit einem einzigen, ethisch handelnden Gott und brachten so eine neue Weltanschauung hervor.