Weniger bekannt, jedoch inhaltlich hochaktuell, ist das philosophisch-theologische Hauptwerk “Person and Act” von Karol Woytola (1920-2005; erster nicht-italienischer Papst nach 450 Jahren, Amtszeit von 1978-2005).
Dies sind zentrale Aspekte der Verbindung zwischen Person und Handlung:
- Person enthüllt sich im Handeln: Jede menschliche Handlung verweist auf einen personalen Akteur; Handlung setzt Person voraus und macht sie gleichzeitig sichtbar.
- Moralischer Charakter der Handlung: Handlungen besitzen intrinsisch moralische Qualität (gut oder böse); durch diese Qualität prägen sie die handelnde Person und lassen sie als moralisches Subjekt hervortreten.
- Wechselwirkung von Anthropologie und Ethik: Anthropologie und Ethik lassen sich nicht trennen, da die Erfahrung moralischer Werte unauflöslich mit der Erfahrung des Menschen verknüpft ist.
Während die traditionelle Ethik die Person meist voraussetzt, geht die Studie umgekehrt vor: Sie will die Person aus der Analyse moralisch bewerteter Handlungen erschließen. - Inneres und äußeres Erleben
Die Selbst-Erfahrung des Ich ist einzigartig und von innen her gegeben; die Erfahrung anderer Menschen erfolgt von außen.
Beide Perspektiven sind komplementär und müssen für ein vollständiges Verständnis der Person integriert werden. - Bewusstsein und Wirksamkeit
Handlung ist stets bewusstes Tun; daher muss jede Analyse der Handlung auch Bewusstseinsphänomene berücksichtigen.
Gleichzeitig darf Bewusstsein nicht auf rein intentionale Inhalte verkürzt werden; entscheidend ist die reale Wirksamkeit des Subjekts in der Welt. - Transzendenz und Integration
In jeder Handlung überschreitet die Person ihre bloß psychophysische Komplexität und zeigt eine spezifische Transzendenz.
Diese Transzendenz setzt eine innere Integration der Person voraus, die Körper, Psyche und Geist zu einer operativen Einheit verbindet.
Hier der Gedankenfluss der Kapitel 1+2:
- Ausgangspunkt ist das unmittelbare Erlebnis des bewussten Tuns: „Ich handle“.
- Dieses Erlebnis zeigt, dass Handeln stets subjektiv verankert und intersubjektiv verstehbar ist.
- Menschliche Dynamik zerfällt phänomenal in zwei Grundstrukturen: Handeln (Aktivität) und Geschehen (Passivität).
- Beide Formen entspringen demselben Subjekt und weisen deshalb trotz Gegensatzes auf eine tiefe Einheit.
- Die aristotelische Potenz-Akt-Lehre erklärt jede Veränderung als Aktualisierung einer Möglichkeit.
- Doch nur wo der Handelnde seine Wirksamkeit erlebt, sprechen wir von Handlung; andernfalls liegt bloße Aktivierung vor.
- Das Erleben dieser Wirksamkeit begründet Verantwortung und moralische Zurechenbarkeit.
- In jeder Handlung transzendiert der Mensch sein bloßes Geschehenlassen, bleibt seinem Tun aber immanent verbunden.
- Metaphysisch vereinigen sich Handlung und Geschehen im einen ontischen Träger – der Person.
- Der Begriff „Natur“ kennzeichnet das Angeborene und liefert die Basis jeder inneren Dynamik.
- Während Person im bewussten Handeln hervortritt, wird Natur primär in unwillkürlichen Vorgängen sichtbar.
- Eine strikte Gegenüberstellung von Person und Natur wäre künstlich, da beide im selben Subjekt integriert sind.
- Natur befähigt überhaupt erst zur Personalität; alle personalen Akte wurzeln leiblich in ihr.
- Umgekehrt verleiht die Person auch Naturvorgängen einen personalen Sinn.
- Zur Erklärung dieser Einheit dient das Konzept der Potenzialität – des inneren Kraftvorrats des Menschen.
- Potenzialität besitzt Vorrang vor Bewusstsein, denn sie wirkt auch dort, wo keine Reflexion stattfindet.
- Zwei Hauptschichten sind zu unterscheiden: psycho-emotive und somato-vegetative Potenzialität.
- Erstere spiegelt sich direkt im Bewusstsein, die zweite bleibt großteils unbewusst.
- Bewusstsein erfüllt zweierlei: Es spiegelt Vorgänge (reflektive Funktion) und verinnerlicht sie als Erlebnis (reflexive Funktion).
- Übersteigerte Emotionen können das spiegelnde Bewusstsein überfluten und die Selbst-Objektivierung schwächen.
- Dennoch sorgt das Subbewusstsein dafür, dass auch unbewusste Impulse geordnet in das bewusste Handeln einfließen.
- Die Person ist somit eine lebendige Synthese: Sie eint bewusste Wirksamkeit, unbewusste Aktivierungen und leibliche Prozesse.
- In jeder Handlung gestaltet der Mensch sich selbst und stiftet seine moralische Identität.
- Gleichzeitig bleibt er das Subjekt vieler Vorgänge, die sich seiner direkten Kontrolle entziehen, ihm aber dennoch zugehören.
- Die Analyse zeigt, dass weder Bewusstsein noch Natur isoliert verstanden werden dürfen; ihre Integration ist konstitutiv für die menschliche Person.
- Handeln, Geschehen, Potenzialität und Bewusstsein bilden zusammen ein dynamisches Geflecht, in dem der Mensch als Person erscheint.
- Die aristotelisch-scholastische Metaphysik liefert dazu den ontologischen Rahmen, die phänomenologische Beobachtung die erlebnismäßige Evidenz.
- Personale Freiheit und leib-seelische Verwurzelung sind daher keine Gegensätze, sondern komplementäre Dimensionen derselben Wirklichkeit.