Input: Sowell zur Bildungspolitik

Über die Jahre eigne ich mir Denkweise und Argumentation von Denkern an, z. B. von Thomas Sowell – einem sehr hellsichtigen Ökonomen. Dabei sind konkrete Beispiele wie eine Befragung als Sachverständiger vor dem US-Senatsausschuss (1987) hilfreich:

EbeneWas man wissen muss
1. Politische Bühne 1987• Republikanischer Präsident Ronald Reagan nominierte am 1. Juli 1987 den konservativen Rechtswissenschaftler Robert H. Bork für den frei werdenden Sitz von Justice Lewis Powell. • Der Senat war jedoch demokratisch kontrolliert (55 : 45). • Joe Biden (D-Delaware) war seit Januar Vorsitzender des Senats-Justizausschusses und deshalb Hauptdirigent der Anhörungen.
2. Hauptkonfliktlinien• „Gerichtliche Aktivität vs. Zurückhaltung“: Konservative wie Bork lehnten eine fortschreitende, „schöpferische“ Verfassungsinterpretation ab. • Bürgerrechte & Frauenrechte: Kritiker warnten, Bork könne zentrale Präzedenzfälle (BrownGriswoldRoeone-man-one-vote) schwächen.
3. Rolle von Thomas Sowell• Ökonom & Publizist, Hoover Institution, ehemaliger Marxist, inzwischen libertär-konservativ. • Gilt als pointierter Kritiker von Quotenregelungen und gerichtlich durchgesetzter Sozialpolitik. • Der republikanische Ausschuss-Flügel lud Sowell als Sachverständigen pro-Bork ein, um speziell aus afro­amerikanischer Perspektive die Angst-Argumente der Bürgerrechtsorganisationen zu entkräften.
4. Zusammentreffen Sowell ↔ Biden• Aussagetag 24. Sept. 1987 (später Teil eines längeren Panel-Blocks). • Biden stellte Sowell Fragen zu: – Ob der Kampf gegen Segregation, Alphabetisierungstests u. ä. nicht gerade gerichtlicher Aktivismus (also das, was Bork ablehnte) gewesen sei. – Sowells These, viele „symbolische“ Urteile hätten Schwarzen wenig messbaren Nutzen gebracht. – Affirmative Action an Elite-Unis (Harvard/MIT) und Sowells Behauptung eines „Mismatch-Problems“.
5. Streitthemen im Wortgefechta) Schuldesegregation – Sowell: Ergebnis richtig, aber Begründung des Urteils Brown v. Board zu schwammig; könne spätere Fehlentwicklungen nähren.b) Alphabetisierungstests – Sowell: Tests an sich okay, entscheidend sei die Gleichanwendung. Biden hielt dagegen, dass solche Tests historisch rassistisch missbraucht wurden.c) Harvard/MIT-Daten – Sowell zitierte Richard Klitgaard (Harvard-Studie) für Leistungsunterschiede; Biden wertete dies als Aussage, „es gebe zu wenige qualifizierte Schwarze“.
6. Warum Biden scharf nachhakte• Als Ausschussvorsitzender musste Biden zeigen, ob Borks Unterstützer „breite Gesellschaftsgruppen“ überzeugten oder eher Randpositionen vertraten. • Biden wollte Zweifel säen, ob Sowells (und damit Borks) Sicht Schwarze, Frauen oder arme Wähler ausreichend schütze.
7. Ergebnis & Nachwirkung• Das Duell illustrierte die zwei entgegengesetzten Narrative: – Konservative Sicht: Gerichte haben zu viel gestaltet, echte Chancengleichheit entsteht eher über Markt & Bildung. – Liberale/Bürgerrechtliche Sicht: Ohne mutige Gerichte wären Jim-Crow-Gesetze, Wahltaxen oder Segregation kaum gefallen. • Der Ausschuss stimmte am 6. Oktober mit 9 : 5 gegen Bork; der Gesamt­senat folgte am 23. Oktober (58 : 42). • Die Anhörungen machten Biden national bekannter und gelten als Mitursache dafür, dass spätere Kandidaten (z. B. Clarence Thomas, 1991) taktisch anders verteidigt wurden. • Sowell publizierte seine Argumente in Büchern/Essays weiter; sie prägen bis heute Debatten über „Mismatch“ und color-blind-Ansätze.

Frage 1: Glauben Sie, dass richterlicher Aktivismus – insbesondere das Streichen restriktiver Klauseln in Grund­buch­einträgen, die Aufhebung der Schul­segregation, die „one man, one vote“-Entscheidung sowie das Verbot von Alphabetisierungstests – den Schwarzen geschadet hat? Halten Sie diese Entscheidungen überhaupt für richterlichen Aktivismus?

Antwort: Bei den restriktiven Klauseln sehe ich keinen Nachweis, dass ihre Abschaffung mehr als einen rein symbolischen Effekt hatte. Die Aufhebung der Schulsegregation hingegen hätte schon viel früher und auf einer solideren Grundlage erfolgen müssen; dazu habe ich ausführlich geschrieben.

Frage 2: Heißt das, der Supreme Court hätte die Rassentrennung an Schulen gar nicht beenden sollen?

Antwort: Nein. Sowohl Richter Bork als auch ich meinen, das Gericht hätte sie beenden müssen – und zwar deutlich früher, weil im Jim-Crow-System nie gleiche Rechte herrschten.

Frage 3: Als der Supreme Court die Schulen in Washington D.C. desegregierte – obwohl der 14. Zusatzartikel dort nicht gilt –: Wie hätte er das Ihrer Ansicht nach begründen sollen? Hätte man die Segregation in D.C. einfach bestehen lassen sollen?

Antwort: Nein. Mein erster veröffentlichter Artikel (13. November 1950 im Washington Star) forderte bereits die Aufhebung der Schulsegregation in D.C.; ich stehe also klar für deren Abschaffung.

Frage 4: Wie beurteilen Sie Alphabetisierungstests für das Wahlrecht? War deren Abschaffung durch Gerichte ein Beispiel für Aktivismus?

Antwort: Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass Wähler lesen können. Das Problem entsteht erst, wenn der Test willkürlich angewandt wird – etwa wenn einem schwarzen Harvard-Absolventen bescheinigt wird, er könne nicht lesen.

Frage 5: Sind Alphabetisierungstests also in Ordnung, solange sie für alle gleich angewandt werden?

Antwort: Ja, selbstverständlich.

Frage 6: Aus Ihren Bemerkungen zu MIT und Harvard entnehme ich, dass es Ihrer Ansicht nach nicht genügend Schwarze gibt, die die für sie vorgesehenen Studienplätze ausfüllen können. Stimmt das?

Antwort: Der Begriff „qualifiziert“ ist irreführend. Entscheidend ist, ob die Bewerber in Vorbereitung und Leistungsfähigkeit mit den übrigen Studenten an Harvard oder MIT vergleichbar sind. Wären genügend solche Bewerber vorhanden, hätte die jahrzehntelange Unterdrückung offenbar keinen Schaden angerichtet. Empirische Daten dazu hat bereits Klitgaard erhoben.

Frage 7: Verstehen Sie das also faktisch so, dass es nicht genug schwarze Frauen und Männer mit denselben Voraussetzungen wie ihre weißen Altersgenossen gibt, um Harvard oder MIT erfolgreich abzuschließen?

Antwort: Ja, das ist eine Frage der Faktenlage; die erwähnte Studie zeigt das deutlich.

Frage 8: Haben Sie alle Urteile und Schriften von Richter Bork gelesen?

Antwort: Nicht alle, aber ich befasse mich seit über zwanzig Jahren mit seinen Arbeiten, da ich auch Kartellrecht unterrichtet habe.

Frage 9: Würden Sie sich der sogenannten „Law-and-Economics-Schule“ zurechnen?

Antwort: Ich interessiere mich sehr für die Anwendung ökonomischer Prinzipien im Recht und umgekehrt; eines meiner Bücher erhielt 1980 den Preis für das beste Werk in Law and Economics. Ein Etikett ist mir dabei jedoch nicht so wichtig.