Zitat der Woche: Das Herz der westlichen Kultur

Der bekennende Kulturchrist und Agnostiker Rodney Stark (1934-2022), zu dessen Schlüsselwerk “Der Aufstieg des Christentums” (englische Ausgabe; Untertitel: “A Sociologist Reconsiders History) ich eine knappe Zusammenfassung erstellt habe, beschliesst eines seiner Folgewerke “Der Sieg des Abendlandes” mit einem Zitat aus David Aikmans “Jesus in Beijing: How Christianity Is Transforming China and Changing the Global Balance of Power”:

Zu den Dingen, die wir uns vor Augen führen sollten, gehörten die Gründe für den Erfolg oder, besser noch, die Vorrangstellung des Westens auf der Welt. Wir studierten also alles, was uns eine historische, politische, wirtschaftliche und kulturelle Einsicht zu geben versprach. Zunächst dachten wir, es läge daran, dass ihr bessere Waffen besessen habt als wir. Dann dachten wir, es läge an eurem besseren politischen System. Später konzentrierten wir uns auf euer Wirtschaftssystem. Doch erst in den letzten zwanzig Jahren ist uns langsam aufgegangen, was das eigentliche Herz eurer Kultur ist: das Christentum. Aus diesem einen Grund ist der Westen so mächtig geworden. Die aus dem Christentum kommende moralische Grundierung des sozialen und kulturellen Lebens war es, was den Kapitalismus und danach den geglückten Wandel zu einer demokratischen Politik ermöglicht hat.

Input: Mein Kampf gegen die Aufmerksamkeitszersetzung

Ich kämpfe täglich gegen die Auferksamkeitszersetzung. Dieser Tweet auf Basis des Buches “Indistractable” bringt es auf den Punkt:

  • Ablenkung = Handlungen, die uns von dem, was wir wollen, wegführen. Traction = Aktion, die uns zu dem bringt, was wir wollen. Man kann etwas nicht als Ablenkung bezeichnen, wenn man nicht weiß, wovon es einen ablenkt.
  • Ablenkungen kommen meist von innen. Menschen suchen Ablenkungen, um Schmerzen zu entgehen. Die meisten dieser Schmerzen sind geistiger Natur wie Langeweile oder Frustration. Dieser mentale Schmerz lässt uns nach einer Ablenkung (soziale Medien, Videospiele, Fernsehen) greifen, um unserem Unbehagen zu entkommen.
  • Wende die 10-Minuten-Regel an. Wenn du das nächste Mal den Drang verspürst, auf dein Handy zu schauen oder dich anderweitig abzulenken… Warte 10 Minuten, bevor du nachgibst. Wenn du dir der negativen Emotion bewusst bist, kannst du sie abbauen, und wenn du 10 Minuten wartest, kannst du verhindern, dass impulsives Verhalten zur Gewohnheit wird.
  • 3 schnelle Lektionen: Uns geht die Willenskraft nicht aus. Was wir zu uns selbst sagen, zählt. Übe dich in Selbstmitgefühl.
  • Schaffe dir Zeit für Traction. Die beste Methode, sich Zeit für Traction zu nehmen, ist die “Timeboxing”-Methode. Lege fest, welche Aufgaben du erledigen wirst und wann du sie erledigen wirst. Passen Sie den Kalender so an, dass er deine Werte und Ziele widerspiegelt.
  • Entferne das Handy. Forscher haben herausgefunden, dass dein Gehirn hart arbeiten muss, um es zu ignorieren, wenn du dein Handy im Blickfeld hast. Die bloße Anwesenheit eines Smartphones kann zu einem “Brain Drain” führen. Lege es also vor der Arbeit so weit wie möglich von sich weg.
  • Verwende die 4R, um die Kontrolle über das Handy zurückzugewinnen: Remove – Replace – Rearrange – Reclaim.
  • Das Aufräumen deines digitalen Desktops hilft dir, konzentriert zu bleiben. Alte Dateien in einen Ordner oder den Papierkorb verschieben; Desktop-Benachrichtigungen ausschalten; nur Benachrichtigungen von ausgewählten Personen zulassen, z. B. von deinem Chef.
  • Teste Apps und Websites wie Forest, Focusmate oder SelfControl, um ablenkende Websites und andere potenzielle Ablenkungen auf deinem Computer und Smartphone zu blockieren.
  • Werde ein unabgelenkter Partner. Verabrede dich mit deinem Partner ohne Telefon. Kaufe eine Zeitschaltuhr, die das Internet um 22 Uhr ausschaltet. Lasse dein Telefon in einem anderen Raum, bevor du ins Bett gehst.

Podcast: Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse zum exegetischen Führer werden

Nathaniel Gray Sutanto legt in diesem Podcast systematisch-theologisch dar, warum es gefährlich ist, empirische Daten der biblischen Offenbarung vorzuordnen (ab Minute 17):

Die Idee von allgemeiner Offenbarung und spezieller Offenbarung mit derjenigen von Wissenschaft und Schriftauslegung parallel zu setzen, halte ich für einen Kategorienfehler, denn bei der allgemeinen Offenbarung geht es nicht um die Erkenntnis der Welt, sondern um die Erkenntnis Gottes durch die Welt. Was wir durch Gottes Offenbarung und Schöpfung über Gott wissen, kann nicht im Widerspruch zu dem stehen, was wir über Gott wissen. … Die Himmel verkünden also die Herrlichkeit Gottes, aber ich glaube nicht, dass die allgemeine Offenbarung die wissenschaftlichen Daten über die Welt selbst einschließt, denn die allgemeine Offenbarung handelt von Gott und nicht von der Welt selbst. Ich versuche, mit diesen Kategorien wirklich vorsichtig umzugehen, weil ich sie nicht überhöhen möchte. Denn ich denke, dass die Offenbarung Gottes über die Welt eigentlich aus einer besonderen Offenbarung stammt. Aber die Welt legt Zeugnis über Gott ab, nicht über sich selbst.

… Die Wissenschaften werden, weil sie empirisch sind und weil es Menschen sind, die die Welt studieren, immer provisorisch sein. Wenn es sich um empirische Daten handelt, sind sie per Definition immer vorläufig. Aber die allgemeine Offenbarung ist nicht vorläufig.
Die allgemeine Offenbarung lässt jeden Menschen ohne Entschuldigung zurück. Ich denke also, dass wir das wissenschaftliche Bestreben von der allgemeinen Offenbarung selbst trennen müssen, weil es sonst die Wissenschaft als eine Art selbstbestätigende, klare, durchsichtige Realität stärkt.

Im sehr hörenswerten Podcast zur Schöpfung verweisen die Diskussionpartner auf den PCA Creation Report (2000). Es lohnt sich nur schon die Abschnitte über die Kirchenväter sorgfältig zu studieren. Die OPC hat ebenfalls einen Creation Report (2004) herausgebracht. Vor einigen Jahren habe ich zudem die Publikation “Der Streit um den Anfang” (Vern Poythress) zusammengefasst.

Podcast: Wir stehen in der Gefahr, unsere eigenen Erwartungen über den biblischen Text zu stülpen

Aus dem aktuellen Podcast der RTS Washington Faculty habe ich Auszüge der Folge 170 zu Inspiration und Intepretation transkribiert:

Gilgamesch und die Bibel: Wenn ich Gilgamesch lese und erfahre, dass Gilgamesch am Rande des Ozeans auf Skorpionmänner stösst, stört mich das nicht, weil ich nicht an Skorpionmänner glaube. Wenn wir nur Gelehrte des Alten Orients wären, die den Text als Fenster in die Geschichte benutzen, und das ist alles, was uns interessiert, dann ist es wirklich egal, wenn Josua sich in Widerspruch zu Mose setzte oder Paulus eine andere Religion zu predigen scheint als Jesus. Aber dies ist nicht Gilgamesch. Dies ist Gottes Wort, Gottes heiliges Wort an uns, von dem wir glauben, dass es von Gott inspiriert ist. Es ist von Gott ausgehaucht, und aus diesem Grund ist es maßgebend, zuverlässig, und wir sollten es als irrtumslos (inerrant) verstehen.

Plenarinspiration: Wenn wir an Irrtumslosigkeit denken, verstehen wir dies oft in einer mechanistischen Weise als diktierter Text. In technischer Hinsicht bezieht sich die plenare Verbalinspiration darauf, dass jedes Wort in der Bibel von Gott inspiriert wurde. Jedes Wort in der Bibel ist genau das, was Gott uns mitteilen will, und dies bedeutet irrtumslos.

Literarische Gattungen/Textsorten: Die Bibel ist nicht wie ein wissenschaftliches Handbuch im modernen Sinne. Wenn man sich zum Beispiel die Psalmen anschaut und sich fragt, inwiefern einige der Psalmen, die poetische Literatur darstellen, buchstäblich wahr sind, und zwar auf eine Art und Weise, die sich von historischen Dokumenten unterscheidet, oder auf eine Art und Weise, die sich von den Evangelien unterscheidet, die eine antike Form der biografischen Schrift darstellen.

Beschreibung/Anweisung: Wir sollten auch die Unterschiede zwischen einer historischen Erzählung oder Beschreibung und einer normativen oder präskriptiven Aussage berücksichtigen. Dies ist wichtig, wenn wir z. B. von Salomos Polygamie lesen.

Ein neue (moderne) Lehre? Die Lehre der Irrtumslosigkeit ist kein modernes Konstrukt. Schon für Augustinus war klar: Es gibt keinen wirklichen Widerspruch in der Bibel, und es gibt keine Möglichkeit, dass Gott einen Fehler gemacht haben könnte. Entweder habe ich den Text nicht verstanden oder mir liegt eine falsche Übersetzung vor.

Unterschiedliche Autoren, ein göttlicher Autor: Es gibt eine Vielzahl menschlicher Autoren, eine Vielzahl menschlicher Propheten, die das Wort Gottes gesprochen haben. Aber die Quelle, die eigentliche Quelle, ist der Heilige Geist, der diese Menschen “getrieben” hat (2Petr 1,21). Gott nimmt diese Menschen in seiner Vorsehung mit ihren Persönlichkeiten, ihrer Geschichte, ihrem Stil und ihren Zielen. Er setzt sie ein, nimmt sie mit, begleitet sie und sorgt dafür, dass sie genau das hervorbringen, was Gott mitteilen will. Dabei behalten sie ihren eigenen Stil, ihre Persönlichkeit, ihre Geschichte und ihren Kontext. Die Bibel stellt ihre Propheten nicht so dar, dass sie in Trance fallen und einfach Worte sagen, von denen sie keine Ahnung haben, ob sie richtig sind. Sie stellt den Text nicht so dar, dass er aus dem Himmel herabfällt, ohne dass der Autor seine Hand im Spiel hat.

Gottes Offenbarung in unterschiedlichen Kontexten: Es geht darum, dass Gott sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und persönlichen Situationen offenbart. Es gibt Zeiten des Weinens, Zeiten des Sieges, Zeiten des Feierns, Zeiten des Mangels und der Knappheit.

Dominanz der Naturwissenschaft über die Geisteswissenschaften: Wir leben in einer Zeit, in der die Naturwissenschaften die universitären Disziplinen zu dominieren scheinen und die Geisteswissenschaften und die freien Künste stark an Bedeutung verlieren. Das ist eine große Gefahr, weil es Ungeduld mit alten literarischen Dokumenten und mit Primärquellen hervorruft und begünstigt. Das hat übrigens nicht nur Auswirkungen auf die Bibelwissenschaften, sondern auch auf die Philosophie. Es wirkt sich auf die Islamwissenschaft aus, denn die Leute werden Texte wie Platon und Aristoteles, den Koran oder die Bibel mit gesundem Menschenverstand und wörtlich lesen. Alles, was sie damit ausdrücken wollen, ist ihr eigenes Empfinden des 21.Jahrhunderts, was wiederum nicht kritisch hinterfragt wurde. Extremistische Ideologien finden in der Tat viel Zulauf bei Wissenschaftlern, bei ausgebildeten Technikern, gerade weil sie jetzt zum Beispiel den Koran oder die Hadithen auf ihrem iPhone lesen, ohne dass sie dafür ausgebildet wären, diese Texte zu lesen.

Direkte Ansprache in einer spezifischen Situation:  Die Bibel ist in menschlicher Sprache verfasst. Sie geht nicht darüber hinaus. Sie kommuniziert auf die Weise, wie die menschliche Sprache funktioniert. Mit all diesen Einschränkungen kann man auch nur so viel sagen, wie man sagen kann. Es geht nicht nur um die Worte und die Grammatik, sondern auch um die Linguistik, die ja bekanntlich mehr ist als nur Lexikon und Syntax. Letztlich spricht sie den Menschen an. Als forschende Theologen gehen wir wie andere Wissenschaftler auch nach Hause und werden von seiner Frau angesprochen, die einen Platz im Herzen gewonnen hat. Wenn ich in die Schrift gehe, gehe ich als Schüler zu einem Lehrer, der immer wieder bewiesen hat, dass er weiser ist als ich und mehr weiß als ich, der immer wieder bewiesen hat, dass er Dinge weiß, die ich nicht weiß, und dass er in der Lage ist, mich tatsächlich aus der Unwahrheit heraus in die Wahrheit zu führen.

Sich zuversichtlich den Fragen stellen: Gresham Machen hatte großes Zutrauen in den Text der Heiligen Schrift und die historischen Ansprüche unserer christlichen Lehre, und er war bereit, sich den schwierigen Fragen zu stellen, die gestellt wurden, weil er wusste, dass die Orthodoxie immer noch den Sieg davontragen würde. … Ich kann produktiver sein, ich kann konstruktiver vorgehen. Ich versuche nicht zu beweisen, dass der Text wahr ist. Ich versuche, die tiefere Bedeutung des Textes zu erkennen, die ich vielleicht nicht erkennen kann. Der Zugang zum Text zu erhalten ist fein, wir müssen nur klug sein und lernen, ihn zu schätzen. So kann ich ihn jetzt studieren, ohne Angst haben zu müssen, dass er meinen Glauben widerlegt.

Überhebliche oder demütige Herangehensweise:  Wenn man an Texte in der Haltung herangeht (aus anderen Jahrhunderte wie Descartes oder Spinoza), na ja, ich weiß es besser, ich bin ein moderner Mensch. Ich bin verwestlicht, warum auch immer. So werden wir nie wirklich verstehen, was diese mit diesen Texten bezwecken wollten. Du wirst nie verstehen, warum sie so einflussreich waren. Und du wirst auch nicht erkennen, wie stark du selbst indirekt von solchen Texten geprägt bist.

Demütige Haltung nicht nur bei der Bibel, sondern auch bei anderen Wissenschaftlern: Wir sollten nicht nur von ihnen denken, dass sie Idioten seien, die Gott hassen. Sondern davon, dass sie echte Fragen stellen, auf die es gut begründete Antworten gibt.

Rezension: Ostern – vier Fragen an die Auferstehungsgeschichte

Rebecca McLaughlin (Twitter) versteht es, Antworten zu Fragen, wie sie in der Gegenwart gestellt werden, zu formulieren. Ich habe über ihre Publikationstätigkeit berichtet (Interview) und bereit ihr kurzes Büchlein “Weihnachten – unglaublich” vorgestellt. Neu ist auch ihr Buch “Das neue Credo – fünf säkulare Glaubenssätze im Test” übersetzt worden.

Sie leitet ihr Buch zu Ostern “Ostern – unglaublich?” mit diesen Worten ein:

Mama, was essen Meerjungfrauen? « Diese Frage stellte mir mal mein dreijähriger Sohn Luke. »Meerjungfrauen sind nicht echt«, erklärte ich. Daraufhin er: »Sind Elefanten echt?«
Dieselbe Frage hat er mittlerweile auch über Schlangen, Kühe, Schweine und Affen gestellt – obwohl er einige davon schon selbst gesehen hatte! Es muss für einen Dreijährigen verwirrend sein, denn ich lese ihm Geschichten über echte und imaginäre Dinge vor; woher soll er den Unterschied kennen? Eine Lösung wäre, dass ich ihm nur noch Werke vorlese, die Fakten wiedergeben. Doch so viele der besten Geschichten enthalten nicht ganz echte Dinge: Magie, Meerjungfrauen, Drachen und unwahrscheinliche Happy Ends. Vielleicht deshalb hat mich folgendes Zitat so blitzartig getroffen, als ich letztens ziellos durch Instagram scrollte: »Durch das Geschichtenlesen erlernt ein Kind auf sanfte Art und Weise die härteste Wahrheit, die das sterbliche Leben überschattet: Es gibt keine Happy Ends.«*
Der Satz stammt aus einem Essay der Schriftstellerin Margaret Renkl aus der New York Times. Mein erster Reflex bestand instinktiv in dem Ausruf: »Das ist nicht wahr!«
Und das wäre eine typisch menschliche Reaktion. Ob religiös oder nicht – wir werden konditioniert, an Happy Ends zu glauben. Wir wollen (wie es ein agnostischer Freund von mir ausdrückte), »dass das Universum einen Plan für uns hat« – und einen Sinn, der höher ist, als dass unsere Überreste einmal als Dünger verwendet werden.
Doch ist das alles nur Wunschdenken? Auf Autofahrten mit meinen Kindern hören wir uns zurzeit Peter Pan an. Als Fee Naseweis im Sterben liegt, sagt sie zu Peter, dass sie denkt, sie könne wieder gesund werden, wenn Kinder an Feen glaubten. Peter wendet sich an alle Kinder: »Wenn ihr glaubt…, klatscht in die Hände; lasst Naseweis nicht sterben.« Wie alt wir auch sein mögen, ein Teil von uns möchte bei diesem Aufruf klatschen – wenn nicht für Feen, dann für etwas anderes Magisches, das uns aus dem Alltäglichen und Endlichen herausholt.
Sind Happy Ends also nur ein Schwindel – eine sanfte Lüge, die wir unseren Kindern erzählen, bis sie alt genug sind, die Wahrheit zu begreifen? Oder können wir doch irgendwie »glücklich bis in alle Ewigkeit leben«, wie es in englischsprachigen Märchen heisst?

Frage 1: Ist das Leben Jesu historisch belegbar? “Es stimmt weder, dass die Evangelien lange nach den Ereignissen geschrieben wurden, über die sie berichteten, noch dass sie von Leuten geschrieben wurden, die keinen Zugang zu dem hatten, was Jesus tatsächlich gesagt und getan hat. Vielmehr wurden sie noch zu Lebzeiten der Männer und Frauen geschrieben, die Jesus überallhin begleiteten, und sie bieten uns komprimierte Biografien eines Mannes, der Hunderte von Kranken heilte und Hunderte Predigten in Dutzenden von Städten und Dörfern hielt. Nach jedem vernünftigen historischen Massstab sind die Evangelien sehr gute Belege – viel besser sogar als viele Dokumente über andere Personen der Antike, die wir als zuverlässig ansehen.” (25f)

Frage 2: Ist der Tod Jesu ethisch begründbar? “Zeigen uns die Evangelien Jesus also nun als das freiwillige Opfer des Zornes seines himmlischen Vaters? Nein. Sie zeigen uns seine tiefe, menschliche Furcht vor dem, was er entschieden hatte, auf sich zu nehmen. Sie zeigen uns aber auch, wie sehr er alles unter Kontrolle hatte – was man an seinen mehrfachen Ankündigungen seines Todes erkennen kann. Sie zeigen uns ausserdem, wie Jesus vor der harten Realität der Hölle gewarnt hat und davor, dass er eines Tages als Richter wieder auf die Erde kommen würde. Wir sind vielleicht nicht der Meinung, dass Sünde bestraft werden muss. Mit unserer tief verwurzelten kulturellen Überzeugung, dass Menschen von Natur aus gut sind und dass Böses nur die Folge von fehlerhafter Erziehung oder Kindheitstraumata ist, ist die Vorstellung, dass Gott uns zu Recht richten wird, kaum kompatibel. Aber Jesus ist da ganz anderer Ansicht. Er behauptet, dass das Böse aus unseren eigenen Herzen kommt (Markus 7,20-23) und dass Gott uns völlig zu Recht für unsere Sünde richtet.” (40f)

Frage 3: Ist die Auferstehung Jesu historisch glaubwürdig? “Viele Menschen denken heute, dass unsere leichtgläubigen, unwissenschaftlichen Vorfahren zwar leicht davon zu überzeugen waren, dass jemand von den Toten auferstanden ist, wohingegen moderne, gebildete Menschen die Auferstehung niemals ernst nehmen könnten. Ich habe aber schon mit unzähligen führenden Akademikern zusammengearbeitet, die diesen zentralen historischen Anspruch des Christentums sehr wohl glauben – sie arbeiten an Universitäten wie IT oder Cambridge in allen möglichen Bereichen von Physik bis hin zur Philosophie und stammen aus den unterschiedlichsten Ländern wie England, Indien, China und Iran. Sie haben ihre Rationalität nicht aufgegeben, um ihr Leben auf einen anti-wissenschaftlichen, historisch unbegründeten Glauben zu bauen. … ‘Die historischen Belege für die Auferstehung stehen denen für so ziemlich jedes andere Ereignis der Antike in nichts nach.'” (55f)

Frage 4: Ist Jesu Angebot attraktiv? “Ihr Vertrauen auf Jesus zu setzen, bedeutet, zuzugeben, dass Sie ein Sünder sind, der Gottes Gericht verdient, und zu glauben, dass Jesus gekommen ist, um dieses Gericht auf sich zu nehmen – aus Liebe zu Ihnen. Dann wird er mit Ihnen durch Leid und Tod gehen und Sie in Ewigkeit in Liebe mit in dieses Leben aufnehmen. Das ist kein Wunschdenken, kein kindliches Bedürfnis, für Fee Naseweis zu klatschen. Es ist vielmehr unsere einzige Hoffnung, an die sich auch manche der intelligentesten Leute der letzten 2000 Jahre geklammert haben.” (69)

Input: Als ein depressiver Student den Stoizismus entdeckte

Dies ist ein repräsentativer Twitter-Threat zum Wiederaufblühen stoizistischer Gedanken. Verankert in der einen oder anderen Form in der Managementliteratur. Letztlich eine Form der Selbsterlösung durch Willenskraft.

Wir kontrollieren, wie wir reagieren. Epiktet, ein ehemaliger Sklave, sagte: “Die Hauptaufgabe des Philosophen ist es, zu bestimmen, was uns zusteht und was uns nicht zusteht.” Das ist die Definition des Stoizismus: Wir haben keine Kontrolle über das, was uns widerfährt. Wir kontrollieren, wie wir auf das reagieren, was uns passiert.

Für die Stoiker ist alles eine Gelegenheit, mit 4 Tugenden zu reagieren: Tapferkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit, Weisheit. Jedes Hindernis, das sich dir in den Weg stellt, ist selbst der Weg.

Grundlegende Gewohnheiten bilden: Stoiker sind vielbeschäftigte Menschen, sowohl heute als auch in früheren Zeiten. Der Schlüssel liegt darin, grundlegende Gewohnheiten zu entwickeln wie einen inneren Kompass. Die Alternative wäre, ständig über den nächsten Schritt nachzudenken.

Philosophie ist eine aktive Praxis. Ein Dialog mit sich selbst. Arbeite heraus, was du denkst, während du denkst. (Ein Tagebuch ist dabei hilfreich.) Bringe deine “Säfte” zum Fließen, wenn wenig auf dem Spiel steht, damit du Leistung bringen kannst, wenn viel auf dem Spiel steht.

Spazieren gehen. Dazu Nietzsche: “Nur Ideen, die man beim Gehen hat, haben einen Wert.” Seneca: “Der Geist muss auf Wanderschaft gehen. Felder, die nicht ruhen dürfen, werden keine Pflanzen tragen. Der Geist wird wie ein Amboss zerbrechen, wenn er nicht ausruht.” Ziehe die Turnschuhe an.

Verpflichten Sie sich zur Beständigkeit. Zeno: “Das Wohlbefinden wird in kleinen Schritten erreicht, aber es ist keine Kleinigkeit.” Marcus Aurelius: “Baue dein Leben auf, Handlung für Handlung.” Mache jeden Tag ein kleines Stückchen Fortschritt. Zeige dich immer wieder. Weisheit ist eine Erfahrung, die durch Erfahrung gesammelt wird.

Engagieren Sie sich in Ihrer Community. Marcus Aurelius: “Die Frucht dieses Lebens ist ein guter Charakter und Taten für das Gemeinwohl.” Stoiker sind nicht losgelöst von der Welt. Im Gegenteil, sie versuchen zu tun, was für sie selbst und für die Welt richtig ist. Wir dienen etwas, das größer ist als wir selbst.

Überwinde deine Grenzen. Epiktet: “Stelle jeden Eindruck auf die Probe.” Sie wissen, wie sich Schwäche anfühlt, aber Sie müssen nicht auf sie hören. Wachstum liegt auf der anderen Seite dieses Widerstands – Deine Kraft besteht darin, zu wissen, wann du dich durchsetzen musst und wann nicht.

Schätze deine Liebsten. Du besitzt keine Menschen, also nimm dich nicht als selbstverständlich hin. Gehe nicht davon aus, dass du sie immer haben wirst. Sie sind nur als Leihgabe hier auf der Erde.

Lesen, lesen, lesen. Tue es die ganze Zeit. Schnelles Lesen ist eine Falle. Klassiker sind nicht ohne Grund Klassiker. Gib schlechte Bücher auf. Finde ein Buch in jedem Buch, das du als nächstes lesen willst. Frage dich, wie Sie die Informationen anwenden werden. Wenn das Buch gut ist, empfehle es jemand anderem.

Memento Mori (Erinnere dich, dass du sterben wirst): Es ist eine Mahnung, die guten Dinge ohne Arroganz zu akzeptieren und die schlechten Dinge mit Gleichgültigkeit (indifference) zu betrachten. Selbst wenn du im Lotto gewinnst, anerkannt wirst, in Schwierigkeiten gerätst oder betrogen wirst, denk daran: Du darfst das alles nicht ernst nehmen.

Schätze die Zeit mehr als Geld und Besitztümer. Seneca: “Die Zeit, die vergeht, gehört dem Tod.” Man kann mehr Geld, Land und Möglichkeiten verdienen, aber man kann diesen Moment nicht zurückholen. Alles, was du tust, erkaufst du mit deinem Leben.

Befragen dich selbst. Seneca hat eine Regel, um den Tag Revue passieren zu lassen. Was hätte ich besser machen können? Wer möchte ich sein? War ich diese Person? So wird man besser.

Suche nach Herausforderungen. Auch wenn es ein Klischee ist: Unternimm jeden Tag etwas, das dir Angst macht. Um Herman Melville zu zitieren: “Um ein mächtiges Buch zu schreiben, muss man ein mächtiges Thema wählen.” So wie wir Gewichte heben, um stärker zu werden, müssen wir uns mit schwierigen Dingen auseinandersetzen. Wir werden besser durch das, womit wir kämpfen.

Folge nicht dem Mob. Chrysippus: “Ich denke für mich selbst.” Stoiker sind keine Querdenker, aber sie denken unabhängig. Für sich selbst zu denken, ist das Schwierigste auf der Welt – aber wenn man seinen eigenen Weg gehen will, ist es notwendig.

Weiterlesen:
Emotionen im Stoizismus und im Christentum
Die Grundideen des Stoizismus
Managementlehre, Stoizismus und biblische Weltsicht

Zitat der Woche: Wenn wir ein untergeordnetes Gut zu hoch bewerten

Bis in die Neuzeit – ich glaube, bis zur Zeit der Romantiker – hat niemand behauptet, dass Literatur und Kunst Selbstzweck seien. Sie “gehörten zum schmückenden Teil des Lebens”, sie boten “unschuldige Zerstreuung”; oder aber sie “verfeinerten unsere Sitten” oder “regten uns zur Tugend an” oder verherrlichten die Götter”. Die große Musik wurde für Messen geschrieben, die großen Bilder gemalt, um einen Platz an der Wand des Speisesaals eines adligen Mäzens zu finden oder um die Andacht in einer Kirche zu entfachen; die großen Tragödien wurden entweder von religiösen Dichtern zu Ehren des Dionysos oder von kommerziellen Dichtern zur Unterhaltung der Londoner an den halben Feiertagen geschrieben.

Erst im neunzehnten Jahrhundert wurde man sich der vollen Würde der Kunst bewusst. Wir begannen, sie “ernst zu nehmen”… Aber das Ergebnis scheint eine Entfremdung des ästhetischen Lebens gewesen zu sein, in dem uns nur noch hochgeistige Werke bleiben, die immer weniger Menschen lesen, hören oder sehen wollen, und “populäre” Werke, für die sich sowohl diejenigen, die sie machen, als auch diejenigen, die sie genießen, halb schämen… indem wir ein wirkliches, aber untergeordnetes Gut zu hoch bewerten, sind wir nahe daran, dieses Gut selbst zu verlieren.

Je länger ich mich damit beschäftigte, desto mehr kam mir der Verdacht, dass ich ein universelles Gesetz wahrnehme… Die Frau, die einen Hund zum Mittelpunkt ihres Lebens macht, verliert am Ende nicht nur ihre menschliche Nützlichkeit und Würde, sondern sogar das eigentliche Vergnügen der Hundehaltung. Der Mann, der den Alkohol zu seinem wichtigsten Gut macht, verliert nicht nur seine Arbeit, sondern auch seinen Gaumen und jede Fähigkeit, die früheren (und einzig angenehmen) Stufen des Rausches zu genießen. Es ist eine herrliche Sache, für ein oder zwei Augenblicke das Gefühl zu haben, dass der ganze Sinn des Universums in einer Frau zusammengefasst ist – herrlich, solange andere Pflichten und Vergnügungen dich immer wieder von ihr wegreißen. Aber räumen Sie die Decks ab und arrangieren Sie Ihr Leben so (manchmal ist es möglich), dass Sie nichts anderes zu tun haben, als sie zu betrachten, und was passiert? Natürlich ist dieses Gesetz schon einmal entdeckt worden, aber es wird sich wiederholen lassen. Man kann es wie folgt formulieren: Jede Bevorzugung eines kleinen Gutes gegenüber einem großen oder eines Teilgutes gegenüber einem Gesamtgut bringt den Verlust des kleinen oder Teilgutes mit sich, für den das Opfer erbracht wird.

Anscheinend ist die Welt so beschaffen… Man kann keine zweiten Dinge bekommen, indem man sie an die erste Stelle setzt; man kann zweite Dinge nur bekommen, indem man erste Dinge an die erste Stelle setzt.

C.S. Lewis, “First and Second Things,” God in the Dock (Grand Rapids, MI: William B. Eerdmans Publishing Co., 1970), S. 278-280.

Wenn wir die ersten Dinge an die erste Stelle setzen, bekommen wir die zweiten Dinge dazu; wenn wir die zweiten Dinge an die erste Stelle setzen, verlieren wir sowohl die ersten als auch die zweiten Dinge. Wenn wir gierig sind, können wir z. B. nicht einmal den sinnlichen Genuss des Essens in seiner besten Form erleben.

The Collected Letters of C.S. Lewis, Vol. III, Narnia, Cambridge and Joy, 1950-1963, edited by Walter Hooper, HarperSanFrancisco, 2007, S. 111.

Quelle siehe hier

Input: Eine Charakterisierung der menschlichen Persönlichkeit

In einer 1928 vor Studenten einer technischen Ausbildung gehaltenen Vorlesung, kürzlich in englischer Fassung erschienen unter dem Titel Personality and Worldview (hier habe ich den Kerngedanken davon wiedergegeben), fasste der Niederländer Missiologe J. H. Bavinck (1895-1964), Herman Bavincks Neffe, das Wesen der Persönlichkeit in folgende Elemente:

  • Grunddefinition: Unter Persönlichkeit verstehen wir eine organisierte Seele, die sich ihrer selbst bewusst geworden ist. 
  • Kennzeichen Einheit: Das erste Kennzeichen der Persönlichkeit ist immer ihre Einheit. Eine Seele kann insofern als Persönlichkeit bezeichnet werden, als die Kräfte in ihr miteinander in Verbindung getreten sind und sich gegenseitig durchdrungen haben.
  • Kennzeichen Selbständigkeit: Die Seele ist weiter selbstständig, von Gott geschaffen, mit ihren besonderen Funktionen, die in ihrer gesamten Natur und ihrem Wesen zu finden sind, mit Strebungen, Fähigkeiten, die wir im bewussten Leben zur Geltung kommen sehen und die wir aus diesem bewussten Leben kennenlernen.
  • Rezeptive Fähigkeit (passiv): Wie stellen wir fest, dass die Seele eine große Aufnahmefähigkeit besitzt. In unserem bewussten Leben beginnen wir dies zu sehen, indem wir direkt bemerken, dass unser Bewusstsein für viele Eindrücke aus der äußeren Welt offen steht. Es reflektiert die äußere Welt.
  • Bewahrende Fähigkeit (passiv): Zweitens können wir von der Seele sagen, dass sie aufbewahrt. … Wir begegnen ihr zum Beispiel im Gedächtnis. … … Auf eine andere Weise begegnen wir ihr im (Wieder-)Erkennen. … Die Speicherfähigkeit der Seele ist so groß, dass die Seele selbst oft nicht weiß, was sie in den Kellern des Gedächtnisses vergraben hat.
  • Verbindende Fähigkeit (aktiv): Die dritte Sache, die uns beschäftigt, ist die verbindende Kraft der Seele. … Die Seele gibt sich nie damit zufrieden, die Dinge einfach nebeneinander zu stellen. Sie muss auch die Verbindung, das Bindeglied zwischen ihnen kennen [weten]. 
  • Bewertende Fähigkeit (passiv): Die Seele geht weiter und lebt ihr eigenes subjektives Leben. Das bedeutet, dass sie auch anerkennend in die Wirklichkeit jenseits ihrer selbst eintritt.  … Sie drückt allem einen bestimmten Wert auf, sei es zum Guten oder zum Schlechten.
  • Verlangende Fähigkeit (aktiv): Die Seele verlangt nach Dingen. Das ist eine neue Kraft in ihr. Sie nimmt die Welt nicht so hin, wie sich die Dinge in ihr darstellen. Vielmehr will sie immer wieder Veränderungen in ihr herbeiführen. Sie formt die Welt nach ihrem eigenen Geschmack um. Für [die Seele] ist die Wirklichkeit noch eine Möglichkeit, aus der sie alles machen kann. 
  • Aussen und innen: Die Außenwelt wirkt durch die rezeptive Funktion auf uns ein, und wir [üben unseren Einfluss] auf die Außenwelt durch den Willen aus.
  • Tendenz Leben im Aussen: (Der eine ist) außergewöhnlich offen für die Außenwelt, so sehr, dass er fast kein Innenleben hat. Er lebt in der äußeren Welt. Er muss immer sehen, hören und Eindrücke von außen empfangen. 
  • Tendenz Leben im Innen: In allem will er nach seinen eigenen Erkenntnissen leben, nach seinen eigenen Bedürfnissen. Und er will allem seinen Stempel aufdrücken.
  • Totalität: Der Mensch ist nicht einfach die Summe der psychischen Funktionen, sondern ein zusammengewachsenes Ganzes, in dem jede Funktion einen unverwechselbaren Platz einnimmt und eine einzigartige Bedeutung hat.
  • Selbsterhaltung: (Im Menschen steckt) der Hunger nach Selbsterhaltung, nach Selbstkultivierung, nach Selbstversorgung. Er ist von Anfang an im Menschen verborgen und arbeitet in ihm wie ein Motor.
  • Gemeinschaft: Zweitens können wir auf den Hunger nach Geselligkeit, nach Sympathie, Freundschaft, Liebe verweisen.
  • Hunger nach Gott: Es scheint etwas im Menschen zu geben, das mehr sieht, das etwas Höheres will, das nicht ruhen kann, bis es das Unsichtbare, das Unendliche, das Ewige gefunden hat.

Zitat der Woche: Warum Christen ihr kulturelles Reisegepäck kennen sollten

Ron Kubsch im hörenswerten Podcast “Christsein in der Spätmoderne” (78 Minuten; ab Minute 6):

Die Kultur, in der wir aufwachsen, verfügt über eine enorme Prägekraft für unser Denken, für unser Leben, für unser Fühlen und auch für unser Glaubensleben. Die Kultur, in der wir groß geworden sind, bestimmt intensiv mit, wie wir die Welt sehen, wie wir uns selbst sehen. (Charles Taylor hat in seinem Klassiker der Religionsphilosophie “Ein säkulares Zeitalter”) den Begriff des sozialen Vorstellungsschemas entwickelt. Was meint er damit? Taylor will damit sagen, dass die Kultur, in der wir leben, geprägt wird durch bestimmte Überzeugungen, durch Verhaltensweisen, durch normative Erwartungen, auch durch unbewusste Annahmen. Die Angehörigen der Kultur oder der Gesellschaft teilen eben diese Überzeugungen, Verhaltensweisen, Annahmen. Vorstellungsschematas sid die Art und Weise, wie sich Menschen die Welt und ihr Handeln intuitiv vorstellen. Es ist so etwas wie eine Art Reisegepäck, das wir, ob wir es wissen oder nicht, immer mit uns herumtragen. Es gibt Situationen, zum Beispiel am Flughafen, da ist es sehr hilfreich zu wissen, was im Reisegepäck drin ist.

Ein einfaches Beispiel: Wir haben als Familie mehrere Jahre im Ausland gelebt. Dort gibt es eine andere Sprache. Es gibt andere Werte, andere Umgangsformen. Als wir dann zurückgekommen sind nach Deutschland, also in das Land, in dem meine Frau und ich aufgewachsen sind, haben wir unsere eigene Heimat mit ganz anderen Augen gesehen, weil wir den Kulturkreis für eine bestimmte Zeit (6 Jahre) verlassen hatten.

Leider ist es so, dass wir gerade gegenüber der eigenen Kultur, in der wir aufgewachsen sind, blind sind. Wir denken ja, das ist halt so, weil wir mit dem entsprechenden Vorstellungsschema groß geworden sind. Deshalb ist es so wichtig, sich mit der Kultur, in der wir leben auseinanderzusetzen. Man nennt dies Kulturhermeneutik, das Verstehen lernen dessen, was bei uns passiert und was bei uns wichtig ist.

Input: Warum die christliche Weltsicht die genaue Untersuchung des Kosmos fördert(e)

  • Das physikalische Universum ist eine objektive Realität, die sich ontologisch vom Schöpfer unterscheidet (1. Mose 1,1; Johannes 1,1).
  • Die Naturgesetze weisen Ordnung, Muster und Regelmäßigkeit auf, da sie von einem ordnenden Gott geschaffen wurden (Psalm 19,1-4).
  • Die Naturgesetze sind im gesamten physikalischen Universum einheitlich, da Gott sie geschaffen hat und durch seine Vorsehung aufrechterhält.
  • Das physikalische Universum ist verstehbar, weil Gott uns geschaffen hat, um sich selbst, uns selbst und den Rest der Schöpfung zu erkennen (1. Mose 1-2; Sprüche 8).
  • Die Welt ist gut, wertvoll und einer sorgfältigen Untersuchung wert, weil sie von einem vollkommen guten Gott zu einem bestimmten Zweck geschaffen wurde (1. Mose 1). Der Mensch als einzigartiges Ebenbild Gottes wurde geschaffen, um die Güte der Schöpfung zu erkennen, zu entdecken und zu entwickeln, zur Ehre Gottes und zur Verbesserung des Menschen durch Arbeit. Der Schöpfungsauftrag (1. Mose 1,26-28) schließt die wissenschaftliche Tätigkeit ein.
  • Da die Welt nicht göttlich ist und daher kein geeignetes Objekt der Anbetung darstellt, kann sie ein Objekt rationaler Studien und empirischer Beobachtung sein.
  • Der Mensch besitzt die Fähigkeit, die Intelligenz des Universums zu entdecken, da er nach dem Bilde Gottes geschaffen und auf die Erde gestellt worden ist, um die ihm innewohnenden Möglichkeiten zu entwickeln.
  • Da Gott nicht alles über die Natur offenbart hat, ist eine empirische Untersuchung notwendig, um die von Gott in der Schöpfung angelegten Muster zu erkennen.
  • Gott ermutigt die Wissenschaft, ja er treibt sie sogar voran, indem er den Menschen auffordert, über die Natur zu herrschen (1. Mose 1,28).
  • Die intellektuellen Tugenden, die für die Durchführung des wissenschaftlichen Unternehmens unerlässlich sind (Fleiß, Ehrlichkeit, Integrität, Demut und Mut), sind Teil von Gottes moralischem Gesetz (Exodus 20,1-17).

Douglas Groothuis, Christian Apologetics: A Comprehensive Case for Biblical Faith (Downers Grove, IL; Nottingham, England: IVP Academic; Apollos, 2011), 102f.