Das Evangelium als Medizin

The Gospel is

a most curiously and delicately compounded medicine, and a medicine that is very easily spoiled. It can be spoiled … by substitution, addition, interposition, or disproportion.

J. C. Ryle (1816-1900), zitiert in Fred Sanders, The Deep Things of God.

Nicht die Handlung allein, das Ziel ist entscheidend

Augustinus wurde mit folgendem Argument seitens seiner Gegner konfrontiert. Sie hielten ihm Beispiele von Gottlosen entgegen, von denen sie sagen, sie zeigten ihre Tugenden

in Fülle, in denen ohne Hilfe der Gnade nur das Gut der Natur ist, und allein auf die Kräfte angeborener Freiheit gestützt, erweisen sie sich immer wieder barmherzig, bescheiden, keusch und nüchtern. (Gegen Julian, IV,16,4)

Das beobachte ich auch: Nicht erlöste Menschen, die ein “besseres” Leben als bekennende Christen führen. Das führte die Pelagianer (die Gegner Augustins) zu einer Überschätzung der menschlichen Leistungsfähigkeit:

Der Ursprung sämtlicher Tugenden liegt im vernunftvergabten Geist, und alle Regungen, durch die wir mit ohne ohne Nutzen gut sind, liegen im grunde unseres Geistes, nämlich Klugheit, Gerechtigkeit, Mässigkeit, Taperkeit.

Augustinus gibt zu bedenken, dass dann Christus umsonst gestorben wäre, wenn unser Wille genügen würde, um zu ihm (und damit zu wahrem Glauben) zu kommen:

Käme Gerechtigkeit durch die Natur und den Willen, ‘dann ist Christus umsonst gestorben’. (IV,17,4)

Entscheidend sind nicht die äusseren Handlungen allein, sondern die Motive:

Tugenden sind von den Lastern nicht durch (äussere) pflichtgemässe Handlungen, sondern durch ihre Ziele zu unterschieden.  (IV,21,1)

Die wahren Tugenden dienen Gott in den Menschen, von dem sie den Menschen geschenkt werden. (IV,21,4)

 Augustinus bringt ein hilfreiches Beispiel:

Aber da bekannt ist, welch grosse Mühen und Schmerzen sich die Liebhaber des Geldes geduldig unterziehen, welcher Gelüste sie sich enthalten, sei es aus Gier, das Geld zu mehren, sei es auch Furcht, es zu verringern, mit welcher Schläue sie dem Gewinn nachjagen und klug Schaden vermeiden, wie sie meist fürchten, fremdes Eigentum zu plündern, und bisweilen ihnen entwendetes Eigentum geringachten, um nicht durch Klage auf Schadenersatz und gerichtliche Streitereien noch mehr zu verlieren… (IV,18,3)

Die logische Folge wäre, dass die Tugend

die Klugheit der Habgierigen (wäre), mit der sie neue Arten von Gewinnen ausdenken, und die Gerechtigkeit der Habgierigen, mit der sie zuweilen ihren Besitz aus Furcht vor grossen Schäden lieber geringachten als sich fremdes Gut aneignen, und die Mässigung der Habgierigen, mit der sie das Verlangen nach Wohlleben in Schranken halten, weil es kostspielig ist, und nur mit der notwendigen Nahrung und Bekleidung zufrieden sind… (IV,19,4)

Ein Spielplan, wenn die Angst aufsteigt

Wir haben alle unsere Ängste. David Powlison gibt einige hilfreiche Hinweise für den geistlichen Umgang mit ihnen:

  1. First, name the pressures.
  2. Second, identify how you express anxiety. Spot the signs. How does anxiety show up in your life?
  3. Third, ask yourself, Why am I anxious? Worry always has its inner logic.
  4. Fourth, what better reason does Jesus give you not to worry? What were those promises we just talked about? Go back and pick one to take to heart.
  5. Fifth, go to your Father. Talk to Him. It’s not as though your Father doesn’t care about the things you worry about: your friends, your health, your money, your children, and so forth.
  6. Finally, give. Do and say something constructive. Care for someone else. Give to meet human need. In the darkest hole, when the world is most confused, when there are barbarians in the streets, when life’s the toughest, there’s always the right thing to do.

Der letzte Schritt liegt nicht nahe – und gerade deshalb so wichtig!

Ein Rollenprofil für Männer

In meiner fortlaufenden Bibellese bin ich im 1. Kapitel des Titusbriefes vorbei gekommen. Zugegeben: Ich lese an manchen Morgen meinen Abschnitt und ärgere mich über mein mangelhaftes Griechisch. Ich versuche die Sätze zu übersetzen und konzentriere mich dann auf die Aussagen, die ich im ersten Zug überlesen habe. Neulich blieb ich bei den Aussagen über die Ältesten stecken. Die Adjektive des Charakterbeschriebs sind mir im Griechischen nicht alle geläufig. So war ich gezwungen, jedes einzelne näher anzuschauen.

Für das Ältestenamt` kommt nur jemand von unbestrittener Integrität in Frage, der seiner Frau treu ist und dessen Kinder gehorsam sind und nicht durch ungehöriges und rebellisches Verhalten Anlass zur Klage geben. Ja, weil ein Gemeindeleiter ein von Gott eingesetzter Verwalter ist, muss er ein untadeliges Leben führen. Er darf nicht selbstherrlich sein, nicht jähzornig, nicht alkoholsüchtig, nicht gewalttätig und nicht darauf aus, sich zu bereichern. Vielmehr soll er gastfreundlich sein, das Gute lieben, sich verantwortungsbewusst und gerecht verhalten, sich in allem von der Ehrfurcht vor Gott leiten lassen und sich durch Selbstdisziplin auszeichnen.  Er muss an der vertrauenswürdigen Botschaft festhalten, wie sie ´von Anfang an` gelehrt worden ist; denn mit Hilfe dieser gesunden Lehre ist er imstande, ´die Gemeinde im Glauben` zu stärken und die, die sich der Wahrheit widersetzen, zurechtzuweisen. (Titus 1,6-9)

Jetzt mal langsam: Welcher Mann entspricht heute diesem Profil? Oder umgekehrt: Was für ein Reifepotenzial liegt da für mich drin! Zweimal steht, dass ein Ältester „unbescholten“ sein soll. Das heisst, sein Ruf müsste tadellos sein. Ich frage mich: Was sagen andere über mich? Und dann kommt das nächste: Mann einer Frau und gläubige Kinder. Also zuerst soll ein Mann im „eigenen Laden“ Ordnung haben. Er soll zuerst nach innen investieren, erst dann nach aussen. Die Kinder sollen sich ihm unterordnen. (Dasselbe Wort wird nachher nochmals verwendet, wenn Paulus Menschen beschreibt, die sich nicht unterordnen wollen und ganze Familien mit ihrer Lehre durcheinanderbringen, siehe Vers 10ff). Ich kenne einige wenige solcher Männer. Und ich wünsche, dass dies auch in meiner Familie Realität werden kann. Gott stehe mir bei.

2 Kapitel Mass- und Materialangaben

In diesen Tagen lese ich den Bericht über den Tempelbau Salomos (1. Könige 6+7). Es ist ein Vorwärtskämpfen durch Materialien, Gewichts- und Grössenangaben (auf hebräisch…). Weshalb ist dies so minutiös aufgeschrieben?

  • Eingeleitet wird der Abschnitt durch eine genaue Zeitangabe: 480 Jahre nach dem Auszug, im dritten Jahr von Salomos Herrschaft (1. Könige). Dies deutet auf einen wichtigen Einschnitt hin. Es wird nicht nur Israels Geschichte, sondern Heilsgeschichte geschrieben.
  • Seit fast 500 Jahren hatte Gott sein auserwähltes Volk geleitet. In der Wüste hatten sie ihm auf Anweisungen hin ein transportables Heiligtum gebaut. Seit 400 Jahren waren sie sesshaft, und Jahwe weilte immer noch in seinem provisorischen Heiligtum. Er hatte Zion als Ort auserwählt, an dem er seinen Namen wohnen lassen würde (angekündigt schon in 5. Mose 12).
  • Grosse Bauprojekte werden in der Regel gut dokumentiert. Es ist ein Ausdruck der Grösse eines Herrschers. Umso interessanter ist es zu lesen, wie der Herrscher von Himmel und Erde angebetet werden möchte.
  • Es ist interessant sich auf Details zu achten: Die Steine wurden nicht auf der Baustelle behauen; Salomo baute 7 Jahre, an seinem eigenen Haus 13 Jahre; das Material stammt aus dem Ausland, ebenso Fachkräfte; Salomo richtete ein Fronarbeitssystem ein.

Euthanasie – ein Menschenrecht?

Ron hat kürzlich auf einen lesenswerten Vortrag „Aktive Euthanasie und Beihilfe zur Selbsttötung: Ein Menschenrecht?“ von Ulrich Eibach verwiesen. Die zugrunde liegende Definition von Menschenwürde ist wesentlich. Wir Westeuropäer verstehen darunter primär Autonomie. Wenn aber

Autonomie der primäre oder gar der alleinige Inhalt der Menschenwürde ist und wenn man den Menschen ein uneingeschränktes Verfügungsrecht über sein Leben einräumt

 muss der Schutz des Lebens gegenüber dem Schutz der Autonomie zurückzutreten hat. Wer entscheidet darüber, welches Leben lebens-wert ist?

 Zuerst entscheidet der Betroffene selbst, wann sein Leben nicht mehr lebenswert ist, dann entscheiden andere nach seinem „mutmaßlichen“ Willen, der meist der „gemutmaßte“ Wille der anderen ist, die darüber entscheiden müssen. Dann entscheidet die „Allgemeinheit“ nach Kriterien, die sie für rational und „vernünftig“ hält und die sich auch immer mehr mit dem „ökonomisch Vernünftigen“ decken werden. Mit dem zunehmenden Druck, der von den Belastungen durch die stetig zunehmende Zahl multimorbider und schwerstpflegebedürftiger Menschen ausgeht, werden wir uns sicher in 10 bis 15 Jahren ganz offen über eine „gelenkte Sterblichkeit“ hier auch in unserem Land auseinandersetzen müssen, und zunächst wäre das in der Form der Vorenthaltung medizinischer und pflegerischer Leistungen.

Das bedeutet aber, dass

der Mensch den Wert eines zu schützenden Rechtsguts in dem Maße verliert, wie aus seinem Leben ein Schaden für die Gesellschaft wird.

Eibach sieht ein weiteres ethisches Problem der lebenden Generationen:

Sie kennen keine Ethik des Verzichts, des Erleidens, sie kennen nur eine Ethik der autonomen aktiven Lebensgestaltung des Herrseins des Ichs über das Leben.

Wer die Dimension der Ewigkeit verliert, gerät unter den Zwang, die Würde und den Lebenswert nach weltimmanenten Maßstäben rechtfertigen zu müssen und irgendwann wird er dann doch, wenn das Leben abgebaut ist, zu dem Punkt kommen, dass er sagt, dies ist „menschenunwürdig“…

Rechtfertigung oder Selbstrechtfertigung?

So wie uns die Selbstliebe angeboren ist, so suchen wir uns dauernd zu rechtfertigen. Martin Lloyd-Jones:

Sie werden nie spüren, dass Sie ein Sünder sind, denn aufgrund Ihrer Sünde wird etwas in Ihnen Sie stets gegen jede Anklage verteidigen. Wir stehen alle auf gutem Fuß mit uns selbst und finden auch stets gute Gründe zu unserer Verteidigung. Selbst wenn wir den Versuch unternehmen, zu spüren, dass wir Sünder sind – spüren werden wir es nie. Es gibt nur einen einzigen Weg, zu erkennen, dass wir Sünder sind: Wir müssen wenigstens eine trübe, verschwommene Vorstellung von Gott haben.

Die neue Ausgabe von “Glaube und Denken heute” setzt sich mit dem Modebegriff der Authentizität und dem Thema der Selbstrechtfertigung auseinander.

Abtreibung in Deutschland – aktuelle Publikation

Dr. Michael Kiworr, Arzt und Verfasser eines aktuellen Buches zum Thema Abtreibung in Deutschland, nimmt zum Thema “Psychische Folgen von Abtreibungen” Stellung:

Eine Studie im in Fachkreisen hoch angesehen „British Medical Journal” wies eine um das 6fache erhöhte Selbstmordquote nach Abtreibungen gegenüber ausgetragenen Schwangerschaften nach. Selbst Krankenkassen berichten von behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen nach Abtreibungen in Höhe von 34%. Insgesamt dürfte die tatsächliche Rate an psychischen Folgeerkrankungen bei bis zu 80% liegen. Dennoch leugnen viele Abtreibungsbefürworter weiterhin das hohe Risiko für psychische Spätfolgen – und führen so Betroffene fahrlässig in die Irre. Angesichts der so oft verschwiegenen psychischen Not, die durch Abtreibungen verursacht wird, muss klar gesagt werden: Wer die Gesundheit und das Wohl von Frauen tatsächlich und auch langfristig im Blick hat, der schützt Frauen vor Abtreibungen und deren Folgen.

Kiworr zitiert einen Gynäkologen zur pränatalen Diagnostik:

Vorgeburtliche Diagnostik ist ein hochtrabender Begriff für eine Medizin, die eigentlich in vielen Fällen reine Selektion bedeutet.

Esther (7): Management kommt und geht

Nach diesen Begebenheiten erhob der König Ahasveros Haman, den Sohn Hamedatas, den Agagiter, zu höherer Macht und Würde und setzte ihn über alle Fürsten, die bei ihm waren. (Esther 3,1)

So erlebe ich es auch. Management kommt und geht. Günstlinge werden eingesetzt und erhalten weit gehende Vollmachten. Es ist erstaunlich, wie viel Spielraum einzelnen zugestanden wird.