Papablog (105): Wider die Anonymität

Wir bekommen dieser Tage Hunderte neuer Nachbarn. Die grosse Überbauung in unserer Umgebung, in den Medien schon ostdeutscher Plattenbau geschimpft, ist fertig gestellt. Was können wir tun anstelle des Jammerns über die Anonymität? Eines Abends machen wir uns zu siebt auf mit einer Kleinigkeit, klingeln an einer Wohnung und begrüssen eine Nachbarfamilie. Die Freude darüber war so gross, dass wir am nächsten Tag an weiteren fünf Türen klingelten.

Papablog (104): Das Bä-Fest

Wir haben die Kunst des Festens verlernt. Davon bin ich überzeugt, umso mehr wenn ich höre, wie die Feste von jungen Erwachsenen gestaltet werden. Da werden Freunde eingeladen, die wiederum ihre Kumpels mitbringen. Dann wird Alkohol getrunken bis zum Umkippen und K…, Dinge entwendet – und am Schluss bleibt der Gratulant alleine mit dem Dreck und Abfall zurück.

Zurück zu unserem Erstklässler: Zuerst gab es ein feines Abendessen, dann setzten wir uns das Wohnzimmer bei schöner Musik. Mein Zweiter sass auf einem besonderen Stuhl mit Fell, vor sich sein Bä-Heft. Darin enthalten war die Zusammenfassung seines ersten Buches, illustriert mit eigenen Zeichnungen. Es war das Resultat von 10 Wochen harter Arbeit. Lesen will gelernt sein. Voller Stolz las er uns einen Teil daraus vor. Nachher gab es den Nachtisch – ein Schoggi-Fondue. Auf dieses Fest hatte er sich wochenlang gefreut.

Papablog (103): Mit dem Kopf schon im Urlaub

Mein Zweiter hatte eine wunderschöne Woche vor sich, was er mir immer wieder strahlend erzählte: Zuerst durfte er einen Tag zu Oma in die Schule gehen, dann an die Geburtstagsfeier eines Freundes. Ein Tag später holte ihn sein Gotti ab, wo er übernachtete, und am Abend darauf feierte er sein Bäh-Fest (siehe nächster Post). Am Samstag würde es schliesslich in den Urlaub gehen. Kein Wunder, dass der Erstklässler mit dem Kopf bereits bei diesen freudigen Ereignissen und nicht mehr beim Lernstoff war. So brauchte es eine Weile, um ihm klar zu machen, dass auch die letzte Woche noch gelernt wurde.

Der Sünde verfallen

Am Anfang seines Buches “Natur und Gnade” stellt Augustinus die biblische Lehre der Original- bzw. Ursprungssünde treffend dar:

Die menschliche Natur ist gewiss am Ursprung schuldlos und ohne irgendwelchen Makel geschaffen worden; diese menschliche Natur aber, durch die ein jeder aus Adam geboren wird, bedarf nunmehr des Arztes , da sie nicht gesund ist. Alle Güter allerdings, die sie in Einrichtung und Leben, in Ausstattung mit Sinnen und Verstand besitzt, hat sie vom höchsten Gott, ihrem Schöpfer und Bildner. Die Verderbnis aber, die die genannten natürlichen Güter verdunkelt und schwächt, so dass sie Erleuchtung und Heilung nötig hat, stammt nicht von dem schuldlosen Bildner, sondern aus der Ursprungssünde, die mit freier Entscheidung begangen wurde. Und darum führt die straffällige Natur zu einer durchaus gerechten Strafe. …

Diese ganze Masse ist also der Strafe verfallen, und würde allen die schuldige Strafe der Verdammnis auferlegt, dann wäre ein solcher Richterspruch ohne Zweifel nicht ungerecht. Demnach heissen alle, die davon durch die Gnade befreit werden, nicht Gefässe ihrer Verdienste, sondern ‚Gefässe der Barmherzigkeit‘ (Röm 9,23). Wessen Barmherzigkeit ist dies, wenn nicht dessen, der Christus Jesus in diese Welt gesandt hat, um die Sünder zu retten (vgl. 1 Tim 1,15), jene, die er vorhergewusst, vorherbestimmt, gerufen, gerechtfertigt und verherrlicht hat (vgl. Röm 8,29f)? Wer möchte also derart in hochgradigem Wahnsinn beharren, dass er nicht unsäglichen Dank für die Barmherzigkeit, der die befreit, welche er will, da er doch auf keinen Fall mit Recht dessen Gerechtigkeit beschuldigen könnte, auch wenn er alle insgesamt verurteilte?

Aurelius Augustinus, Natur und Gnade, IV,4+5

Die Gnade nimmt dem Willen nicht die Freiheit

“Durch das Gesetz kommt es zur Erkenntnis der Sünde” (Röm 3,20), durch den Glauben erlangt man Gnade zum Kampf gegen die Sünde, durch die Gnade kommt es dann zur Heilung der Seele vom Sündenschaden, durch die Gesundung der Seele zur Freiheit der Entscheidung, durch die freie Entscheidung erwächst die Liebe zur Gerechtigkeit, und schliesslich durch die Liebe zur Gerechtigkeit die Erfüllung des Gesetzes. Und demnach wird das Gesetz durch den Glauben nicht ausgehöhlt, sondern aufgerichtet; denn der Glaube empfängt die Gnade, mit deren Hilfe man das Gesetz erfüllen kann. Genauso wenig aber wird die freie Entscheidung durch die Gnade ausgehöhlt, sondern aufgerichtet. Denn die Gnade heilt den Willen, so dass man die Gerechtigkeit mit freiem Willen lieben kann.

Aurelius Augustinus. Der Geist und der Buchstabe. XXX,51.

Papablog (102): Meinen Nachwuchs auf den Arbeitsmarkt vorbereiten

Wenn ich am eigenen Leib die Schnell-Lebigkeit des Arbeitsmarktes erlebe, frage ich mich oft: Wie kann ich meine Söhne auf den Arbeitsmarkt von morgen und übermorgen vorbereiten? Die Überlegungen sprengen den Rahmen eines Blogeintrags. Drei Überlegungen mögen genügen. Sie betreffen alle die Selbstführung:

  • Eine realistische Selbsteinschätzung: Die eine Gefahr sehe ich in einer permanenten Überhöhung des Kindes. Ständig wird ihm eingeredet, wie toll, wie einzigartig, wie überdurchschnittlich es sei. In behüteten Gärtchen der Kleinfamilie mag diese Behauptung aufgehen. Doch im Schulumfeld beginnt diese Fassade zu bröckeln. Gut, zuerst sind die Lehrer schuld. Vielleicht besucht das Kind später eine Privatschule. Doch dann kommt es ins harte Berufsumfeld – und merkt zum ersten Mal richtig, dass es nicht Nummer eins ist. Weitere Überlegungen siehe dieser Post “Wenn die Besten mit ihrer Mittelmässigkeit konfrontiert werden”
  • Selber Nein sagen können: Eine zweite Herausforderung sehe ich in der Fähigkeit Grenzen zu setzen. Wer sich von klein auf gewöhnt ist, sich an einer Gruppe zu orientieren (theologisch spreche ich von „Menschengefälligkeit“, siehe auch dieses Beispiel), ist anfällig für die jeweils am lautesten ertönende Stimme. Ich finde es eine enorm anspruchsvolle Aufgabe, meinen Söhnen zu erlauben, dass sie im gesunden Mass selber Grenzen ziehen können – abgestimmt auf ihren Entwicklungsstand.
  • Auf den eigenen Körper achten lernen: Unser Körper verfügt über eine feine Wahrnehmung. Wer auf Ernährung, Bewegung und Schlaf achten gelernt hat, ist als Erwachsener gut bedient. Alle drei Faktoren spielen eine umso grössere Rolle, je mehr die Belastungen zunehmen.

Unser Wille und der Heilige Geist

… der Wille des Menschen wird zur Erfüllung der Gerechtigkeit von Gott auf folgende Weise unterstützt: zum einen ist der Mensch begabt mit der freien Entscheidung seines Willens erschaffen, und zum anderen schreibt ihm die Belehrung durch das Gesetz seinen Lebenswandel vor. Über beides hinaus aber empfängt er den Heiligen Geist. Dieser weckt in des Menschen Seele eine freudige Liebe zu jenem höchsten und unwandelbaren Gut, zu Gott. Und das gilt jetzt schon, wo wir im Glauben aber noch nicht im Schauen wandeln (vgl. 2Kor 5,7). Diese Liebe ist ihm gleichsam als Unterpfand der Gnade gegeben, und dadurch entbrennt das Verlangen, seinem Schöpfer anzuhangen, und mit glühender Inbrunst trachtet er danach, an jenem wahren Licht (vgl. Joh 1,9) teilzuhaben. So erwächst ihm aus Gott, dem er schon sein Dasein verdankt, auch das Gutsein. Denn selbst der freie Wille taugt nur zum Sündigen, wenn der Weg der Wahrheit verborgen bleibt. Und wenn ihm auch die zu erfüllende Aufgabe und das erstrebenswerte Ziel allmählich klar vor Augen treten, kommt es doch nur dann zum Handeln, zum Beginnen und somit zu einem guten Leben, wenn sie auch Freude machen und Liebe finden. Dass man aber Gott liebt, dazu wird ‚die Liebe Gottes in unsere Herzen‘ ergossen nicht durch die freie Entscheidung des Willens, die aus uns kommt, sondern ‚durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist‘ (Röm 5,5).

Aurelius Augustinus, Der Geist und der Buchstabe, III,5.

Eine falsche Form des Selbstvertrauens

Calvin, der seine Institutio mit der Wechselwirkung von Gottes- und Selbsterkenntnis beginnt, eröffnet sein zweites Buch nicht minder eindrücklich. Er beginnt mit dem Status des Menschen nach dem Sündenfall und einer damit verbundenen falschen Form von Selbsterkenntnis.

Jene ursprüngliche Würde kann uns aber gar nicht in die Erinnerung treten, ohne daß sich alsbald das traurige Bild unserer Befleckung und Schande uns vor die Augen stellt, wie es geworden ist, seitdem wir in der Person des ersten Menschen unserem Ursprung entfremdet sind. (II,1,1)

Denn allen Sterblichen ist eine mehr als blinde Selbstliebe eingeboren, und deshalb reden sie sich bereitwilligst ein, sie trügen nichts in sich, das etwa mit Recht zu verwerfen wäre! Und so findet ohne fremden Schutz dieser eitle Wahn immer wieder Glauben, der Mensch sei sich selbst völlig genug, um gut und glücklich zu leben. Gewiß: einige wollen bescheidener ur­teilen und Gott einen Anteil zugestehen, damit sie nicht den Eindruck machen, als ob sie sich alles selbst zuschreiben wollten — aber da teilen sie denn doch so, daß der stärkste Grund zum Rühmen und zum Selbstvertrauen auf ihre eigene Seite zu liegen kommt! (II,1,2)

Denn wozu kann es führen, wenn wir in eitlem Selbstvertrauen erwägen, planen, versuchen, ins Werk setzen, was wir für erforderlich halten, wenn uns dabei aber der rechte Verstand ganz und gar abgeht, wir bei den ersten Versuchen bereits rechter Kraft ermangeln — und dennoch selbst­sicher fortschreiten, bis wir in den Untergang hineinrennen? (II,1,2)

Was soll denn der Mensch von sich denken?

Wer sich aber nach dem Richtmaß des göttlichen Urteils betrachtet und prüft, der findet nichts, was seine Seele zu rechtem Selbstvertrauen ermuntern könnte, und je tiefer er sich durchforscht, desto mehr wird er zu Boden geworfen — bis er auf alles Selbstvertrauen ganz verzichtet und bei sich selber nichts mehr finden will, um sein Leben recht zu führen. (II,1,3)

Erstens soll er bedenken, zu welchem Zweck er erschaffen worden ist und was für nicht geringzuschätzende Gaben ihm zuteil ge­worden sind. Diese Erwägung soll ihn reizen, auf die Verehrung Gottes und das zukünftige Leben bedacht zu sein. Zweitens soll er seine Fähigkeiten, das heißt aber in Wirklichkeit: seinen Mangel an solchen, betrachten. Tut er das, so wird er sozusagen zu Nichts werden und in äußerster Verwirrung dastehen. (II,1,3)

Nur auf die softe Tour?

Manchen Christen wird nachgesagt, dass sie sanft und lieblich kommunzieren würden. Dass diese softe Tour oft verdeckte Menschenfurcht ist, bringt Dane Ortlund in diesem Post gut zum Ausdruck:

All we say must be done in love. That is non-negotiable. But even what that means has been hijacked in some ways by the world, softness being mistaken for love. When called for, neither Moses nor the prophets nor Jesus nor Paul nor Peter nor even the gentle-hearted John (see 1 John 2:4; 3:8, or the ‘arrogance’ of 4:6) refrained from non-subtle, non-manipulating, non-face-saving words of piercing truth, spoken in love yet doubtless perceived as harshness. And note that almost all of them were accused of arrogance, even Jesus. Were they unloving? No; it was their love itself that fueled such penetrating language.