Die Voraussetzung für erfüllenden Sex

Jede menschliche Geschlechtsgemeinschaft verwirklicht sich  nur so, dass in ihr der eine dem andern schenken, dass er ihn zur Geschlechtsfreude erwecken und ihm insofern ‘dienen’ will. Wenn er zuerst danach trachtet, dem andern zur Erfüllung zu verhelfen, wird ihm auch die eigene Erfüllung zufallen. Die Befriedigung – jedenfalls in diesem optimalen Sinn – ist nie direkt und selbstzwecklich zu haben, sondern sie ‘fällt mit ab’.

Helmut Thielicke, Mensch sein – Mensch werden, Piper: München 1976. (215)

Erziehung als Religion (1): Radikale Identifikation mit der Gruppe

Weil Bildung und Erziehung so stark vom dahinter liegenden Menschenbild abhängen (einige Beispiele aus den vergangenen Jahrzehnten siehe hier), trägt sie einen stark religiösen Charakter. Genauer ausgedrückt: Bildung kommt nicht ohne ausdrückliche oder unausgesprochene Bindung an eine bestimmte Weltanschauung aus.

Eine Grundüberzeugung ist diese: Der Mensch wird in der Gruppe erst zum Menschen. Das bedeutet, dass das Zusammentreffen der Menschen in sich ein Ziel von Bildung und Erziehung bilden. Unter “sozial” wird deshalb in erster Linie die bedingungslose An- und Einbindung in eine Gruppe verstanden, die Herausbildung von gewissen Tugenden wird sekundär.

Einschlägige extreme Beispiele kennen wir aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts: Aus dem Nationalsozialismus sowie aus dem Kommunismus. Einer meiner Lehrer hat einmal gesagt: Der Kommunismus hat sich als Staatsform zwar überholt, doch in unseren Köpfen haben manche seiner Grundannahmen den Sieg davon getragen. Einer davon wäre – die Gruppenidentifikation.

Vgl. Rousas J. Rushdoony, The Messianic Character of American Education, Ross House: Vallecito 1995. (306-308)

Über die Trennung von sakralem und natürlichem Leben

Im (anspruchsvollen) Aufsatz “Calvin and Common Grace” skizziert Herman Bavinck mit Klarheit, weshalb im Katholizismus Natur und Gnade einander entgegen stehen:

Because the Church is the God-appointed depository of all these blessings, the relation between grace and nature coincides with that between the Church and the world. The world, the state, natural life, marriage and culture are not sinful in themselves; only they are of a lower order, of a secular nature, and, unless consecrated by the Church, easily become an occasion for sinning.

Die Kirche ist somit einziger Vermittler zwischen der niederen (Natur) und der höheren Ebene (Gnade). Die Folge: Eine alles durchdringende Hierarchie und zwei verschiedene Massstäbe.

It makes concessions to the weak and worships the saints; a lax morality and a severe asceticism, an active and a contemplative mode of life, rationalism and supernaturalism, unbelief and superstition equally find a place within its walls.

Unsere Selbstwahrnehmung – zwischen Überschätzung und Verneinung

Seit dem Sündenfall schwankt das Selbstbild des Menschen zwischen einer ungebührlichen Selbstüberschätzung und einer unangebrachten negativen Selbstverneinung und einem Gefühl von Wertlosigkeit. Der Urtypus beider Abweichungen sind bereits in Adam und Eva vorgebildet:

  • Zuerst wollten sie höher sein als Gott (1. Mose 3,5). Mit der falschen Verheissung der Schlange, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können, übernahmen unsere Ureltern etwas in ihre Hände, was nur Gott zustand.
  • Nach dem Sündenfall kippte ihr Selbstbild sofort. Sie schämten sich (1. Mose 3,7) und versteckten sich (1. Mose 3,10). Aus der Scham resultierte Angst gegenüber Gott.

Durch die Versöhnung mit Gott wird auch unsere Selbstwahrnehmung wieder realistisch. Das bedeutet:

  1. Wir können echte Demut kultivieren: “Ich rufe daher aufgrund der Vollmacht, die Gott mir in seiner Gnade gegeben hat, jeden Einzelnen von euch zu nüchterner Selbsteinschätzung auf. Keiner soll mehr von sich halten, als angemessen ist. Maßstab für die richtige Selbsteinschätzung ist der Glaube, den Gott jedem in einem bestimmten Maß zugeteilt hat.” (Römer 12,3)
  2. Wir rühmen eher andere als hinter Selbst-Ruhm her zu sein: “Rechthaberei und Überheblichkeit dürfen keinen Platz bei euch haben. Vielmehr sollt ihr demütig genug sein, von euren Geschwistern höher zu denken als von euch selbst.” (Philipper 2,3)
  3. Wir danken dem, der uns die Gaben gegeben hat: “Was bringt dich überhaupt dazu, so überheblich zu sein? Ist nicht alles, was du hast, ein Geschenk ´Gottes`? Wenn es dir aber geschenkt wurde, warum prahlst du dann damit, als hättest du es dir selbst zu verdanken?” (1. Korinther 4,7)
  4. Im Wissen um unser Unvermögen beziehen wir die Kraft aus der einzig unerschöpflichen Kraftquelle: “Wenn wir mit solchem Selbstbewusstsein von unserem Dienst sprechen, gründet sich das auf Christus und geschieht im Vertrauen auf Gott. Aus eigener Kraft sind wir dieser Aufgabe nicht gewachsen; es gibt nichts, was wir uns als Verdienst anrechnen könnten. Nein, unsere Befähigung verdanken wir Gott.” (2. Korinther 3,4+5)

Vgl. Anthony A. Hoekema. Created in God’s Image. William B. Eerdmans: Grand Rapids 1994. (104-107)

Von der C64- und der Twitter-/Facebook-Generation

Christian Stöcker, Autor von «Nerd Attack! Eine Geschichte der digitalen Welt vom C64 bis zu Twitter und Facebook» hat dem Tagesanzeiger ein interessantes Interview gegeben:

In meiner Altersgruppe gibt es viele Menschen, die mit Facebook oder Twitter rein gar nichts anfangen können, die jetzt schon Witze über die Smartphone-besessene Jugend machen. Die wahre Konfliktlinie aber verläuft zwischen der Generation C64 und den Älteren. Wer digitale Technologie nicht als Jugendlicher kennengelernt hat, kann diesen Rückstand kaum noch aufholen. 

Wer bin ich?

Das berühmte Gedicht von Dietrich Bonhoeffer hat mich erneut berührt. Hier geht es zur Komposition.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Die fremde Würde des Menschen

Herrlich formuliert:

Wer im Menschen den Entwurf des Schöpfers sieht, der diesem Menschen gegeben und zur Verwirklichung aufgegeben ist, der erkennt in dieser Relation zum Schöpfer die entscheidende Pointe menschlichen Daseins. Der Mensch ist kein Seiendes, das durch irgendwelche Eigenschaften – wie Vernunft, Gewissen, aufrechter Gang usw. – zu einem privilegierten Wesen würde. Seine Würde und Unantastbarkeit beruht vielmehr darauf, dass es aus den Händen des Schöpfers entlassen wird, dass diese Hände sich über seinem Leben breiten und es geleiten, bis es wieder zu dem gelangt, der es ins Leben entliess. Das Geheimnis menschlichen Seins gründet darin, dass der Herr des Lebens es zu einer Geschichte mit sich beruft. Insofern lässt sich menschliches Sein in seinem Wesen nicht dadurch ergründen, dass man ontologisch seinen Bestand und Zustand untersucht. Ganz entsprechend  beruht auch seine Würde nicht in jenen Eigenschaften, sondern, wenn man so will, in seinen ‘Aussenschaften’: nämlich in jenem Bezuge zu dem, der den Menschen erschafft, anspricht, beruft und ihm Ziele gibt, die er erreichen oder verfehlen kann. Deshalb sprechen wir nicht von einer eigenen, auf Eigenschaften gegründeten Würde menschlichen Seins, sondern – im Sinne Luthers – von einer ‘fremden Würde’. Der Mensch ist der ‘Augapfel’ Gottes. Wer ihn antastet, rührt Gott selbst an. Die Würde des Menschen gründet in dieser verliehenen Teilhabe an göttlichem Leben. Die Geschichte, in die Gott ihn mit sich berufen hat, macht Grund, Ziel und Sinn seiner Existenz aus. Sie ist das Geheimnis seiner Identität.

Helmut Thielicke, Mensch werden – Mensch sein, Piper: München 1976. (102-103)

Papablog (83): Mein Vater hat’s geschossen.

Auf dem Markt hat sich mein Zweiter mit dem Taschengeld der letzten drei Monate ein Hasenfell erstanden. Der Händler hat ihm einen Preisnachlass gegeben. Stolz erzählt er allen, die er antrifft: “Mein Vater hat den Hasen geschossen.” Zu mir sagt er am Abend: “Ich habe ein gutes Geschäft gemacht.”

Papablog (82): Ich werde abgeholt.

Seit dem neuen Schuljahr hat sich mein Tagesablauf verändert: Mein Zweiter ruft mir jeden Abend an, und wir vereinbaren Zeit und Ort, an dem er mich abholt. Er montiert seinen Velohelm, steigt auf das Trotinett und kommt mir ein Stück entgegen. Jedes Mal strahlt er dabei, und ich freue mich auch sehr. Im vertrauten Gespräch kehren wir nach Hause zurück. Es sprudelt nur so aus ihm heraus, wie sonst wie.