Das Lied der Lieder (2): Symbolische oder wörtliche Deutung?

Schon unter den Juden wagte man sich nicht, die Liebeslieder des Hohelieds wörtlich zu deuten, sondern meinte, dass sie symbolisch für das Liebesverhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk stehen würden. Der Jude durfte erst ab seinem 30. Altersjahr darin lesen und musste – so nach einer Stelle im Talmud – seine Hände reinigen, nachdem er das Buch berührt hatte. Auch innerhalb der Kirche hatte diese symbolische Interpretation Tradition. Das Hohelied als ein weltliches Liebeslied zu verstehen, galt im Mittelalter als Irrlehre. Trotzdem bin ich überzeugt, dass der erste und wichtigste Sinn der Bibel stets der wörtliche ist.

Das Lied der Lieder (1): Ein Stück hebräische Poesie.

Anders als in unserer Sprache geht es in poetischen Texten des Alten Testaments nicht um Reime, sondern um ausdrucksstarke, bildhafte Sprache. Das biblische Buch „Hohelied“ lässt sich mit einem Theaterstück vergleichen.

Das Thema: Ein Mädchen vom Land entflammt für den König und wird zur Königin erhoben. Das Hohelied ist also ein Liebeslied.

Verschiedene Protagonisten treten auf: Das ist einmal Salomo, der Autor und Geliebte. Als Gegenüber erscheint die Geliebte, eine junge Frau namens Sulamith. Abwechselnd kommt einmal der Bräutigam und einmal seine Braut zu Wort. Zwischendurch ertönt ein Chor von Frauen, die Fragen stellen oder einen Refrain singen. Die einzelne Akte spielen an verschiedenen Orten, etwa in Salomos Palast oder in seinem Landhaus im Norden Israels.

Die Bedeutung der Rechtfertigung für heute

Was ist die Bedeutung des Werkes Christi für uns heute? Da die traditionelle orthodoxe Linie der Reformation die bewusste Seite des christlichen Lebens nicht ausreichend betont habe,  ortet Schaeffer diesbezüglich fünf Spielarten der Unwissenheit:

  • Man hat jemandem gesagt, wie jemand gerechtfertigt wird, aber nicht, welche Bedeutung dies für die Gegenwart hat.
  • Man liess jemanden im Glauben, er müsse, nachdem er Christ geworden sei, das christliche Leben aus eigener Kraft führen.
  • Wenn jemand Christ geworden ist, ist es gleichgültig, wie er lebt.
  • Ein Christ wird schon in diesem Leben vollkommen werden.
  • Es wurde nicht aufgezeigt, dass es eine Wirklichkeit des Glaubens gibt, nach der bewusst gehandelt werden soll.

Aus: Francis Schaeffer. Geistliches Leben – was ist das? R. Brockhaus Verlag: Wuppertal 1975.

Nach der Postmoderne

Postmoderne Denker waren sich nicht sicher, ob es etwas Objektives gibt, das an andere kommunizierbar ist. Christliche Denker nehmen hingegen nicht den Verstand des Menschen im Zentrum, sondern gehen von einer objektiv existierenden Realität aus! Die postmoderne Position hat aber immer noch den menschlichen Verstand im Mittelpunkt.

Christliche Denker haben die Essenz der Postmoderne schon erkannt, bevor es sie gab: Es gibt keine Objektivität aus uns selbst heraus. Deshalb haben sie die fundamentale Skepsis der Postmoderne schon früh überwunden. Sie haben akzeptiert, dass etwas Gegebenes existiert. Unser Verständnis von der Realität ist abhängig von der Wirklichkeit. Wir kreieren die Wirklichkeit nicht!

Aus einer Vorlesung mit Henk Reitsma. Gibt es ein christliches Weltbild?

Biografie zu Aurelius Augustinus (365-430)

Ein weiterer Leckerbissen, im Brockenhaus geangelt, ist die Biographie von Peter Brown “Augustinus von Hippo”. Vor über 40 Jahren erstmals erschienen, gilt es heute als Standardwerk zu Augustinus’ Lehre und Leben. Die einzelnen Etappen seines Lebens sind sorgfältig nachgezeichnet, bereichert durch zahlreiche ausgesuchte Zitate (ausgezeichneter Quellen-Apparat) und wertvolle Hintergrundinformationen.

Die Ernüchterung des jungen Zwingli

Ich liebe es, im Urlaub in Brockenhäusern nach alten Büchern zu suchen. So kam mir vor einigen Tagen der Roman “Zwingli” von Emanuel Stickelberger in die Hände (J. F. Steinkopf: Stuttgart 1931). Er ist auch Autor eines Buches zur Reformation sowie zu Calvin (Reprint im RVB: Hamburg 2001).

Stickelberger lässt den zehnjährigen Zwingli an einer Begegnung mit einem Zürcher Hauptmann beiwohnen. Die bubenhafte Vorstellung vom tapferen Eidgenossen wich der Ernüchterung, als er die groben Worte und den Opportunismus des käuflichen Wehrmannes hörte. “Vom Schulmeister im Städtchen hatte er Tells Heldentaten vernommen und von den herrlichen Siegen… freudiger Stolz hatte ihm darob die junge Brust geschwellt, und jeder bewehrte Eidgenoss war ihm als ein Nachfahre jener Streiter für Recht und Freiheit ehrwürdig erschienen. Nun war ihm der schöne Glaube zerstört.”

Natürliches und Übernatürliches – die zwei Hälften der Wirklichkeit

Die Wirklichkeit des Christentums steht und fällt mit der Wirklichkeit der Existenz eines persönlichen Gottes und der Wahrheit der Aussage, dass das Universum “übernatürlich” ist, d. h. mehr als nur den naturwissenschaftlich erfassbaren Teil der Wirklichkeit umschliesst.

Christliches Leben ist Leben in den beiden Hälften der Wirklichkeit, der natürlichen und der übernatürlichen. Es ist gut möglich, dass Christen so sehr von der Denkweise des zwanzigsten Jahrhunderts erfüllt sind, dass sie den grössten Teil ihres Lebens so verbringen, als ob es das Übernatürliche nicht gäbe.

Aus: Francis Schaeffer. Geistliches Leben – was ist das? R. Brockhaus Verlag: Wuppertal 1975.

Pluralismus, Relativismus und Toleranz

Dick Keyes, Leiter von l'abri in Boston, hat einen ausgezeichneten Beitrag "Pluralismus, Relativismus und Toleranz" verfasst.

Er beschreibt zuerst das  Postulat des Relativismus:

Der Relativismus behauptet, dass jede Religion und Philosophie ein Versuch eines Individuums oder einer Gruppe ist, das Unbenennbare aus seiner eigenen eingeschränkten Sicht zu benennen. Der Inhalt eines jeden Glaubenssystems ist nicht von Bedeutung, da es nur zu der jeweiligen Kultur gehört, in der es entsteht.

Einem Relativisten zufolge ist das einzig „Falsche“, das wir tun können, über den Glauben eines anderen zu urteilen.

Diesem Ansatz setzt Keyes folgende Kritik entgegen:

Relativismus ist eine Art Meta-Philosophie, die uns vorschreibt, wie wir alle Lehren aus allen anderen Quellen zu verstehen haben. Das erklärt, wieso er auf der einen Seite so bescheiden klingt – als wenn nur der Relativist die menschliche Fehlbarkeit vollständig berücksichtigen würde –, aber im nächsten Moment so arrogant klingen kann, als ob allein dem Relativisten eine Offenbarung der absoluten Wahrheit zuteil geworden ist. Der Relativismus ist eine Sichtweise, aber er nimmt für sich in Anspruch, der Deutungsrahmen für alle anderen zu sein.

Wir sollen glauben, dass allein er nicht nur ein Produkt der relativierenden Faktoren seiner eigenen Kultur (modern, westlich, akademisch, besitzstrebend), sondern auf geheimnisvolle Weise objektiv und zeitlos wahr ist.

Demnach steht der Relativismus im Widerspruch zur Pluralität!

Relativismus erlaubt Pluralität nur in der privaten Welt der Meinungen, die keine allgemeine Gültigkeit haben. Aber er besteht auf Einheitlichkeit, wenn es um letzte Wahrheiten geht, die allgemein gültig sein sollen.

Keyes plädiert für einen ehrlichen Pluralismus:

Mein Anliegen ist Respekt für einen ehrlichen Pluralismus und für die Schaffung einer freundlichen Atmosphäre, wenn wir offen, mutig und demütig über unsere tiefsten Differenzen sprechen.

Nur so könne überhaupt Toleranz gelebt werden:

Toleranz verlangt nicht, dass wir niemals versuchen, einen anderen von der Wahrheit eines bestimmten Gedankens zu überzeugen. Sie verlangt, dass wir trotz der Meinungsunterschiede diese Person respektieren – besonders, wenn wir versuchen sie zu überzeugen oder im Bereich des persönlichen Glaubens, der Ethik oder der sozialen Gerechtigkeit etwas zu verändern.

Aus diesem Grund ist die Gewissensfreiheit nicht hoch genug einzuschätzen:

Je wichtiger man die religiösen Unterschiede nimmt, desto wichtiger wird es, sich für die Freiheit des Gewissens in Glaubensfragen einzusetzen.

Hier geht es zum Artikel.

Passendes Buch: Dick Keyes. Beyond Identity.