Zitat der Woche: Der neue Narzisst

Der Gesellschaftskritiker Christopher Lasch beschreibt den Typus des Narzissten innerhalb einer selbstverliebten Gesellschaft:

Der neue Narzisst ist nicht durch seine Schuld, sondern seine Ängste verfolgt.
Er möchte nicht andere von seinen Sicherheiten überzeugen, sondern sucht nach Bedeutung im Leben.
Er ist befreit vom Aberglauben der Vergangenheit und nicht einmal überzeugt von der Realität seiner eigenen Existenz.
Er ist übertrieben “relaxed” und tolerant,
findet kaum Gefallen an Dogmen der rassischen und ethnischen Reinheit (man bedenke den Hintergrund: USA, 1979), ist aber gleichzeitig um die Sicherheit der eigenen ethnischen Gruppierung besorgt; jedermann, der vom paternalistischen Staat begünstigt wird, erscheint als sein Rivale.
Seine sexuelle Haltung ist nicht puritanisch, sondern permissiv, auch wenn ihm seine Emanzipation keinen sexuellen Frieden bringt.
Auch wenn er selbst stark kompetitiv in Bezug auf die eigene Anerkennung und Bestätigung ist, misstraut er jeder Form von Wettbewerb (“… distrusts competition because he associates it unconsciously with an unbridled urge to destroy”).
Er weist also die Wettbewerbsideologie der früheren Stadien der kapitalistischen Entwicklung zurück und misstraut sogar ihrem begrenzten Ausdruck in Sport und Spiel.
Er preist Kooperation und Teamwork, während er stark antisoziale Impulse hegt.
Er preist den Respekt für Regeln und Regulation mit dem geheimen Wunsch, dass sie nicht auf ihn selbst angewendet würden.
… Er sammelt Güter zwecks unmittelbarer Befriedigung an
und lebt in einem Zustand von Rastlosigkeit und unbefriedigter Bedürfnisse.
Er hat kein Interesse an der Zukunft, teilweise deshalb, weil er so wenig Interesse an der Vergangenheit hat.

Christopher Lasch. The Culture of Narcissism. American Life in an Age of Diminishing Expectations. Norton: New York, 1979. S. xvi-xvii.