Input: Ein Umfeld schaffen, in dem Nicht-Wissen zugegeben werden kann

Im Gespräch zwischen dem philosophischenYouTuber Alex O’Connor und dem Philosophen Peter Boghossian – beides Atheisten – gibt es eine berührende Stelle, an der Boghossian die Wichtigkeit einer Atmosphäre betont, wo Nicht-Wissen freimütig zugegeben werden kann.

  1. Anerkennung von Unwissenheit: Boghossian betont, dass es ein großer Fortschritt ist, wenn jemand auf eine Frage mit „Ich weiß es nicht“ antwortet. Diese Aussage zeigt, dass die Person offen ist und keine falsche Sicherheit vorgibt.
  2. Kultureller Wandel: Es sollte ein kulturelles Ziel sein, Unwissenheit zuzugeben, ohne dass dies negativ bewertet wird. Menschen sollten sich nicht gezwungen fühlen, Antworten zu erfinden oder ihre Unsicherheiten zu verschleiern.
  3. Reaktion des Gesprächsführers: Wenn jemand „Ich weiß es nicht“ sagt, ist es wichtig, diese Antwort zu würdigen und positiv zu bestärken. Boghossian schlägt vor, mit Aussagen wie „Das ist eine gute Antwort“ zu reagieren, um zu signalisieren, dass es keinen sozialen oder emotionalen Nachteil hat, Unwissenheit zuzugeben.
  4. Praktische Konsequenzen: Indem der Gesprächspartner ermutigt wird, ehrlich zu sein, wird ein Umfeld geschaffen, in dem Reflexion und Erkenntnis möglich sind. Die Methode fördert eine Kultur, in der Unsicherheit oder Unwissenheit nicht als Schwäche, sondern als Ausgangspunkt für Lernen und kritisches Denken gesehen wird.

Im gleichen Gespräch stellt Boghossian seine Methode der Street Epistemology dar.

Definition von Street Epistemology: Street Epistemology (SE) ist eine Methode, die sich mit dem Prozess befasst, durch den Menschen zu ihren Überzeugungen gelangen. Ziel ist es, epistemologische Prinzipien – also die Frage, wie wir wissen, was wir zu wissen glauben – aus dem akademischen Kontext in den Alltag („auf die Straße“) zu bringen.

Kernaspekte von Street Epistemology

  1. Dialogische Methode: SE basiert auf einem nicht-konfrontativen Dialog, bei dem Fragen gestellt werden, um Überzeugungen und die dafür vorgebrachten Gründe zu klären.
  2. Klärung von Überzeugungen: Menschen werden ermutigt, ihre Überzeugungen zu reflektieren und ihre Grundlagen zu hinterfragen.
  3. Neutralität: Der Fokus liegt auf der Förderung von Selbstreflexion. Die Person, die SE durchführt, sollte möglichst keine eigene Meinung einbringen oder ihre Überzeugung offenlegen, um die Integrität des Prozesses zu wahren.

Ziele von Street Epistemology

  1. Selbstreflexion fördern: Den Gesprächspartner dazu bringen, die Stärke seiner Überzeugungen mit der zugrunde liegenden Evidenz abzugleichen.
  2. Kritisches Denken: Die Methode soll dazu beitragen, dass Menschen kritisch über die Gründe ihrer Überzeugungen nachdenken.
  3. Psychologische Sicherheit: Durch einen respektvollen und wertschätzenden Umgang wird ein Umfeld geschaffen, in dem Menschen ihre Überzeugungen hinterfragen können, ohne sich bedroht oder angegriffen zu fühlen.

Methodik

  1. Systematische Fragen:
    • Beispiele: „Welche Evidenz haben Sie für Ihre Überzeugung?“ „Was würde Sie dazu bringen, Ihre Überzeugung zu ändern?“ (Disconfirmation-Fragen)
    • Ziel ist es, den Gesprächspartner zur Reflexion seiner Überzeugungen zu bewegen.
  2. Neutralität bewahren:
    • Eigene Meinungen und Überzeugungen dürfen nicht durchscheinen, da dies den Eindruck erwecken könnte, das Gespräch sei manipulativ.
    • Ein hilfreicher Indikator für Neutralität: Der Gesprächspartner sollte am Ende des Dialogs nicht wissen, welche Position der Gesprächsführer selbst vertritt.
  3. Kalibrierung von Überzeugungen:
    • Menschen sollen dazu ermutigt werden, ihre Überzeugungen nicht als binär (wahr/falsch), sondern in Abstufungen der Sicherheit zu betrachten.
    • Dies hilft, Überzeugungen dynamisch und anpassungsfähig zu halten, je nachdem, welche Evidenz verfügbar ist.

Anwendung: Die Existenz von Gott

  • Gesprächspartner beginnt mit der Überzeugung: „Ich bin sicher, dass Gott existiert.“
  • Frage: „Auf einer Skala von 0 bis 100, wie sicher sind Sie?“
  • Folgefragen: „Was sind die Hauptgründe für Ihre Überzeugung?“ „Wenn diese Gründe nicht zutreffen würden, wie würde das Ihre Sicherheit beeinflussen?“

10 Hinweise … aus einer Diskussion zwischen einem Christen und einem Nicht-Christen

Die über dreistündige Diskussion des Experten für antike Handschriften Wesley Huff mit dem bekannten YouTube Joe Rogan gehört zu den schönsten Debatten, die ich je verfolgt habe. Dies habe ich gelernt:

1. Pflege eine freundlich-zugewandte Art und keine Verteidigungshaltung.

2. Rechne mit dem Wirken des Heiligen Geistes, dass unwillkürlich an einem Ort echtes Interesse aufkommen kann.

3. Greife auf vorhandene Fakten zurück, ohne jedoch zu vergessen, dass Evidenz auf dem Hintergrund einer Weltanschauung einsortiert wird.

4. Vergleiche unaufgeregt Übereinstimmungen und Unterschiede zu ausserbiblischen Erzählungen. Der christliche Glaube passt in die gesamte Wirklichkeit.

5. Steh zu deinem Nicht-Wissen, es fällt dir kein Zacken aus der Krone. Das Gegenüber soll wissen, worüber du Bescheid weisst und worüber nicht.

6. Setze dich gründlich mit Fakten auseinander und wertschätze gründliche Arbeit, wo du sie immer antriffst. Wir sind auch aufgefordert, Gott mit unserem Verstand zu lieben!

7. Autodidaktische Erschliessung von Stoffgebieten sind wertvoll; eine strukturierte Ausbildung ebenso. Werte letztere niemals ab.

8. Unterschätze nie den roten Faden, der Gott in dein Leben hineingelegt hat. Bei Huff waren dies seine Kindheit in Pakistan sowie eine schwere neurologische Erkrankung und die überraschende Heilung.

9. Bitte darum, die Zentralereignisse des Glaubens darlegen zu können. Huff kam im letzten Teil auf Tod und Auferstehung von Jesus zu sprechen.

10. Gehe auf jeden Fall respektvoll mit anderen Meinungen um. Huff hatte im Vorfeld eine Debatte mit einer Person, die ihre Unkenntnis überspielte.

Und jetzt noch: Worum ging es inhaltlich?

Alte Manuskripte und deren Bedeutung

  • Schriftrollen vom Toten Meer (Dead Sea Scrolls):
    • Älteste bekannten Manuskripte des Alten Testaments, datiert zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert v. Chr.
    • Beinhaltet etwa 970 Dokumente, die auf 10.000–11.000 Fragmente verteilt sind.
    • Materialien: Pergament (Tierhaut), Papyrus, einige Texte auf Kupfer (z. B. der Kupfer-Scroll, ein antiker Schatzplan).
    • Enthalten biblische und nicht-biblische Texte, die von der jüdischen Gemeinschaft der Essener in Qumran verfasst wurden.
  • Das Buch Jesaja:
    • Die sogenannte “Große Jesaja-Rolle” ist ein vollständiger Text.
    • Überraschenderweise nahezu wortgetreue Übereinstimmung mit dem mittelalterlichen masoretischen Text (1.000 Jahre später).
    • Hergestellt aus Pergament, mit bemerkenswert guter Konservierung und Präzision.
  • Textkritik der Bibel:
    • Die Vielzahl an christlichen Manuskripten ermöglichte durch Vergleiche eine Rekonstruktion des ursprünglichen Textes.
    • Die Textkritik nutzt Fehler, geografische Unterschiede und Zeiträume zur Rückverfolgung von Änderungen und Lesarten.
    • Moderne Methoden wie CBGM (Coherence-Based Genealogical Method) helfen, textliche Ursprünge und Entwicklungen präziser zu analysieren.

Vergleiche mit anderen antiken Texten

  • Gilgamesch-Epos und die Bibel:
    • Parallelen zwischen der Noah-Geschichte und der Erzählung von Utnapischtim im Gilgamesch-Epos: Beide Geschichten beschreiben eine große Flut, ein Boot zur Rettung von Lebewesen und Opfergaben nach der Flut.
    • Unterschiede: Im Gilgamesch-Epos wird Utnapischtim von den Göttern unsterblich gemacht; die Bibel setzt den Fokus auf Noahs Gehorsam gegenüber Gott. Kontext und theologische Bedeutung weichen stark voneinander ab.
    • Deutung: Möglicherweise kulturelle Erinnerungen an ein historisches Ereignis, die in verschiedenen Traditionen bewahrt wurden.
  • Kulturelle Bedeutung antiker Manuskripte:
    • Manuskripte spiegeln die Vielfalt und Entwicklung antiker religiöser und kultureller Überlieferungen wider.
    • Beispiel: Linear Elamite (isolierte Sprache ohne verwandte Dialekte), die erst 2021 teilweise entziffert wurde.

Religiöse und sprachliche Aspekte

Sprache und Übersetzung

  • Hebräisch und Textentwicklung:
    • Althebräisch hatte keine ausgeprägten Vokalzeichen, was das Lesen erschwerte.
    • Im Mittelalter führten masoretische Schreiber ein Vokalisierungssystem ein, um die korrekte Aussprache zu sichern.
    • Althebräische Texte (z. B. die Schriftrollen vom Toten Meer) haben deutliche Unterschiede zu modernen hebräischen Bibeln.
  • Sumerisch und isolierte Sprachen:
    • Sumerisch ist eine isolierte Sprache, ohne verwandte Sprachsysteme.
    • Wes beschrieb die enorme Schwierigkeit, Sumerisch zu lernen, da keine Vergleichssprachen existieren.
    • Akkadisch übernahm einige sumerische Begriffe, wie moderne Sprachen Lehnwörter nutzen (z. B. Pizza aus dem Italienischen).
  • Schwierigkeiten der antiken Übersetzung:
    • Viele antike Texte sind fragmentarisch und schwer lesbar.
    • Beispiele: Manuskripte aus Oxyrhynchus (Ägypten) sind teilweise wie ein Puzzle.
    • Übersetzungen beruhen oft auf Annahmen über grammatische und kontextuelle Zusammenhänge.

Historische Entwicklungen in der Übersetzung

  • Martin Luthers Beitrag:
    • Übersetzte die Bibel ins Deutsche, basierend auf griechischen Originaltexten (nicht der lateinischen Vulgata).
    • Wichtige Entdeckung: Der griechische Begriff “Metanoia” bedeutet “Reue” (Umkehr), wurde jedoch in der lateinischen Übersetzung als “Pönitentia” (Buße) missverstanden.
    • Ziel: Allen Menschen den Zugang zu den biblischen Texten ermöglichen.
  • Frühere Reformatoren:
    • John Wycliffe und William Tyndale übersetzten Teile der Bibel ins Englische und wurden wegen Häresie verfolgt.
    • Zitat von Tyndale: Er wollte, dass der “Pflüger die Bibel genauso gut kennt wie der Priester”.

Einfluss von Schrift und Sprache auf die Religion

  • Bedeutung der Schrift:
    • Schrift war eine zentrale Methode zur Verbreitung religiöser Ideen und zur Bewahrung von Überlieferungen.
    • Die Präzision und die Beständigkeit der biblischen Texte überraschten viele Gelehrte.
  • Sprache als Barriere und Zugang:
    • Unterschiede in Übersetzungen und sprachlichen Nuancen führten zu Interpretationskonflikten.
    • Beispiel: Die mündliche Tradition der Bibel führte zu unterschiedlichen schriftlichen Fassungen, die durch Textkritik harmonisiert wurden.

Input: Gibt es einen Vibe-Shift zugunsten des Christentums?

Prominente Träger wie

stehen öffentlich für den christlichen Glauben ein bzw. betonen nachdrücklich die Bedeutung der Tradition des Christentums für unsere Länder. Das lässt die Frage aufkommen: Gibt es einen Vibe-Shift? Der Begriff beschreibt eine vermeintliche Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung oder Einstellung gegenüber dem Christentum, von Feindseligkeit hin zu einer gewissen Offenheit oder Neugier. Dieser Wandel wird in Teilen der westlichen Kultur beobachtet, besonders in jüngeren Generationen und neuen Medienformate.

Hier sind einige Überlegungen aus dem Podcast “Wesley Huff on Rogan: Apologetics and Witness” :

  1. Öffentlich sichtbare Nischen: Früher dominierte der Mainstream (TV, Zeitungen, Kino) die kulturellen Narrative. Heute konsumieren Menschen Inhalte aus individuell zusammengestellten digitalen Kanälen. Während der Joe Rogan-Podcast 11 Millionen Hörer erreicht, ist diese Zahl im Verhältnis zur globalen Bevölkerung oder selbst zur Gesamtheit der westlichen Zuhörerschaft immer noch begrenzt. Ein scheinbarer “Shift” in der Wahrnehmung des Christentums könnte eher eine verstärkte Sichtbarkeit innerhalb bestimmter Mediennischen sein. Umgekehrt gibt es un traditionellen Medienformaten wie CNN, HBO oder Netflix weiterhin selten positive Darstellungen des Christentums. Im Gegenteil, die Darstellung bleibt oft kritisch oder reduziert.
  2. Phänomen auf die USA beschränkt : Besonders in den USA ist das Christentum oft politisch geprägt. Veränderungen in der politischen Landschaft, wie die Ära Trump, haben zwar das Interesse an religiösen Themen beeinflusst, aber auch zur Polarisierung geführt. In nicht-westlichen Ländern, wie Indonesien, bestehen völlig andere kulturelle und religiöse Dynamiken. Der “Vibe Shift” ist daher vor allem ein US-amerikanisches Phänomen und nicht global repräsentativ.
  3. Mehr Offenheit für metaphysische Fragen, hohe Barrieren in der Ethik: Viele junge Menschen, insbesondere in Großbritannien und den USA, sind weniger materialistisch und natürlicherweise offener für metaphysische Fragen als frühere Generationen. Während die Baby-Boomer-Generation oft von naturalistischen Weltanschauungen geprägt war (“Wunder sind unmöglich”), empfinden jüngere Menschen die Vorstellung von Übernatürlichem weniger problematisch. Für viele Jugendliche ist die Hauptbarriere gegenüber dem Christentum nicht die Frage nach der Realität von Wundern, sondern ethische Themen (z. B. Sexualethik, Genderfragen, soziale Gerechtigkeit).
  4. Neugier als Folge von Ignoranz: In Großbritannien und anderen säkularisierten westlichen Ländern gibt es eine zunehmende religiöse Unwissenheit, da viele Familien seit Generationen keinen direkten Bezug zum Christentum mehr haben. Menschen sind neugierig, weil sie wenig wissen und weniger Vorurteile haben.

Fazit: Durch die neuen Medienformate bieten sich neue Möglichkeiten für das Gespräch. Ich sehe vor allem zwei konkrete Ansatzpunkte.

  • Erneuerte Wertschätzung für Gemeinschaft: Junge Menschen, die sich nach Sinn und Zugehörigkeit sehnen, können durch liebevolle christliche Gemeinschaften angezogen werden.
  • Betonung des Narrativs der Hoffnung: In einer Welt, die von Unsicherheiten geprägt ist, bietet das Christentum eine alternative Lebensgeschichte voller Hoffnung und Sinn.

Jahresanfang: Gemeinsam im Gottesdienst singen

Ich singe fürs Leben gerne. Besonders erhebend ist das gemeinsame Singen im Gottesdienst. David Jany stellte in einem Bibelseminar (hier) die Bedeutung des Singens im Gottesdienst vor.

Singen im Gottesdienst

  • Anbetung durch Singen:
    • Anbetung ist das Zuschreiben des höchsten Wertes an Gott.
    • Emotion, Wille und Verstand spielen eine zentrale Rolle.
    • Psalm 95: Kombination von Jubel, Hingabe und Reflexion als Vorbild.
  • Bedeutung des Singens:
    • Singen schafft Gemeinschaft und gibt Trost und Hoffnung.
    • Beispiel der vierjährigen Tochter, die ein Lied aus dem Gottesdienst zu Hause singt, zeigt die Verbindung zwischen Gottesdienst und Alltag.
  • Singen als gemeinschaftliche Aktivität:
    • Unterschied zwischen Worship-Konzerten und Gemeindegesang.
    • Im Gottesdienst singt die gesamte Gemeinde zusammen.
    • Unterschiedliche Formen von christlicher Musik: Gemeindegesang, individuelle Anbetung, christliche Kunst.

Herausforderungen des Singens

  • Rückgang des Singens in der Gesellschaft:
    • Singen wird im Alltag immer seltener, z. B. in Familien und sozialen Kontexten.
    • Gemeindegesang bietet einen Gegenpol zu dieser Entwicklung.
  • Beispiel: Singen als Ausdruck von Gemeinschaft (Fußballfans):
    • Fußballfans singen, um Zugehörigkeit, Hoffnung und Gemeinschaft auszudrücken.
    • Dieses Bedürfnis nach Verbindung ist auch im Gottesdienst zentral.

Praktische Aspekte des Singens im Gottesdienst

  • Wille, Verstand und Emotionen:
    • Wille: Entscheidung, aktiv am Gesang teilzunehmen.
    • Verstand: Nachdenken über die Inhalte der Lieder.
    • Emotionen: Durch die Inhalte ausgelöste Gefühle.
  • Gefahren von Einseitigkeiten:
    • Überbetonung von Wille, Verstand oder Emotionen kann zu einem unausgewogenen Gottesdiensterlebnis führen.
  • Gemeinsames Singen als Kraftquelle:
    • Singen stärkt die Identität der Gemeinde und die Verbindung untereinander.
    • Beispiel: Erleben von Emotionen während eines Gemeindelieds.

Singen ist eine gemeinschaftliche Aktivität, keine Bühnendarstellung einiger Sänger. Sehr schön verdeutlicht wird dies durch die kräftigen Männergesänge an den T4G-Konferenzen (Teil I; Teil II; Teil III; Teil IV).

Zentrale Argumente:

a) Gottesdienst als universale und ewige Realität: Die lokale Gemeinde nimmt am himmlischen Gottesdienst teil.

b) Singen als Ausdruck von Anbetung und Gemeinschaft: Es verbindet Verstand, Wille und Emotionen.

c) Freiheit und Vielfalt im Gottesdienst: Unterschiedliche Formen des Gottesdienstes sind wertvoll und legitim.

d) Einheit von Gottesdienst und Alltag: Der Alltag wird durch den Gottesdienst geheiligt.

e) Singen hat transformative Kraft: Es beeinflusst den Einzelnen und die Gemeinschaft positiv.

f) Aktive Teilnahme: Die Gemeinde ist aufgefordert, den Gottesdienst bewusst und aktiv zu gestalten.

Jahresanfang: Unverminderter Sinnhunger – moralischer Relativismus lässt leer zurück

Der australische Verleger John Anderson im Interview mit dem britischen Mathematiker John Lennox (hier; ab Minute 13).

1. Die Bedeutung der Wahrheitssuche

  • Sehnsucht nach Wahrheit: Lennox betont, dass Menschen von Natur aus nach objektiver Wahrheit streben. Diese Suche entspringt einem tiefen Bedürfnis, die Welt zu verstehen, Orientierung zu finden und Sinn zu entdecken.
  • Relativismus in der Gesellschaft: Obwohl Relativismus in Universitäten und weiten Teilen der Gesellschaft propagiert wird, spiegelt er nicht das wahre menschliche Bedürfnis wider. Relativismus postuliert, dass es keine absolute Wahrheit gibt und dass Wahrheit von individuellen oder kulturellen Perspektiven abhängt. Lennox widerspricht diesem Ansatz, da er die menschliche Suche nach universeller Bedeutung ignoriert.

2. Widersprüche im Relativismus

  • Selbstwidersprüchlichkeit: Lennox entlarvt die Kernthese des Relativismus – „Es gibt keine Wahrheit“ – als logisch widersprüchlich. Diese Aussage setzt voraus, dass sie selbst wahr ist, und widerspricht sich damit.
  • Praktische Inkonsistenz: Relativismus mag in theoretischen Diskussionen bestehen, scheitert jedoch in der Praxis. Beispielsweise erwarten Menschen in realen Situationen – etwa in der Wissenschaft, im Rechtssystem oder im täglichen Leben – klare und verlässliche Wahrheiten. Ein Beispiel: Wer ein Darlehen bei der Bank beantragt, kann nicht behaupten, dass finanzielle Fakten subjektiv oder relativ sind.

3. Die christliche Perspektive auf Wahrheit

  • Wahrheit als Person: Im Christentum wird Wahrheit nicht nur als abstraktes Konzept verstanden, sondern als Person. Jesus Christus sagt in Johannes 14:6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Diese Aussage impliziert, dass die Suche nach Wahrheit letztlich in der Beziehung zu Jesus endet.
  • Tiefere Bedeutung: Die christliche Lehre bietet eine umfassende Erklärung für die menschliche Sehnsucht nach Wahrheit. Sie deutet darauf hin, dass wahre Erfüllung und Orientierung durch eine Beziehung zu Gott und das Verständnis seiner Offenbarung gefunden werden können.
  • Vernunft und Offenbarung: Lennox weist darauf hin, dass Vernunft und Offenbarung Hand in Hand gehen. Christliche Wahrheit ist nicht irrational, sondern basiert auf historischen und logischen Grundlagen, die erforscht und überprüft werden können.

4. Praktische Orientierungslosigkeit

  • Folgen des Relativismus: Der Verlust einer objektiven Wahrheit hat weitreichende Konsequenzen für die Gesellschaft, insbesondere für jüngere Generationen. Ohne klare Orientierungspunkte fallen viele in Sinnkrisen, da sie keine stabile Grundlage für Identität, Werte oder moralisches Handeln haben.
  • Sinnkrisen und Unsicherheit: Besonders junge Menschen, die in einer Welt des moralischen und intellektuellen Relativismus aufwachsen, kämpfen oft mit Orientierungslosigkeit. Sie suchen nach Sinn und Bedeutung in ihrem Leben, finden aber oft nur kurzfristige oder oberflächliche Antworten in einer relativistischen Kultur.
  • Wiederherstellung der Wahrheit: Lennox argumentiert, dass die Rückkehr zu einem Verständnis von objektiver Wahrheit, wie es im Christentum angeboten wird, eine mögliche Lösung für diese Krise bietet. Diese Wahrheit gibt nicht nur Orientierung, sondern auch Hoffnung und Erfüllung.

Jahresanfang: Wendepunkte in Beziehungen

Im Zuge meiner Studien von Handbüchern (Oxford Handbooks, Cambridge Companion sowie Routledge Handbooks) habe ich ein Kapitel über die Beziehungsanbahnung studiert. Besonders interessant sind die Aussagen über Wendepunkte (in The Routledge Handbook of Family Communication, Kapitel 3).

Theorien zu Wendepunkten und Veränderungen in Beziehungen

  1. Relational Turbulence Theory (Solomon et al., 2016):
    • Wendepunkte und Übergänge in Beziehungen führen oft zu Unsicherheiten und Turbulenzen, da Partner ihre Interdependenz neu verhandeln.
    • Zentrale Konzepte:
      • Relationale Unsicherheit:
        • Selbstunsicherheit: Zweifel an der eigenen Rolle oder den Gefühlen in der Beziehung.
        • Partnerunsicherheit: Zweifel an der Verlässlichkeit oder den Absichten des Partners.
        • Beziehungsunsicherheit: Zweifel am Status oder der Zukunft der Beziehung.
      • Interferenz durch den Partner:
        • Tritt auf, wenn der Partner alltägliche Routinen oder persönliche Ziele stört (z. B. durch neue Erwartungen oder Anpassungen in der Beziehung).
    • Folgen relationaler Turbulenzen:
      • Verzerrte Wahrnehmungen von Beziehungssituationen.
      • Intensivere emotionale Reaktionen und Kommunikationsprobleme.
      • Erhöhte Wahrscheinlichkeit für Konflikte oder Missverständnisse.
  2. Inertia Theory (Stanley et al., 2006):
    • Paare können in Beziehungstransitionen “hineinschlittern” (z. B. zusammenziehen, heiraten), ohne bewusst Entscheidungen zu treffen.
    • Hauptprobleme:
      • Momentum: Fortschreiten der Beziehung basierend auf äußeren Umständen (z. B. gemeinsame Verpflichtungen) anstatt auf emotionaler Bindung oder persönlichem Engagement.
      • Konsequenzen:
        • Aufbau von Bindungszwängen (z. B. gemeinsamer Besitz, Kinder), die das Verlassen der Beziehung erschweren.
        • Gefühl der “Falle” in Beziehungen mit geringer Qualität.
  3. Beziehungs-Trajektorienmodell (Eastwick et al., 2019):
    • Beziehungen entwickeln sich nicht linear, sondern durch Schwankungen, Wendepunkte und individuelle Unterschiede.
    • Beziehungen sind geprägt von:
      • Form: Geschwindigkeit und Höhe von Fortschritten oder Rückschlägen.
      • Fluktuation: Variabilität in der Beziehung (z. B. Zufriedenheit schwankt).
      • Schwellenwerten: Mindestanforderungen, um neue Beziehungsschritte zu unternehmen (z. B. Exklusivität, Zusammenziehen).

Empirische Forschung zu Wendepunkten

  1. Wendepunkte und Unsicherheit:
    • Wendepunkte wie das erste Treffen, Zusammenziehen, Verlobung oder Heirat sind entscheidend für die Beziehung, da sie eine Veränderung der Dynamik und Erwartungen mit sich bringen.
    • Relationale Unsicherheit:
      • Selbstunsicherheit, Partnerunsicherheit und Beziehungsunsicherheit sind voneinander getrennte, aber miteinander verbundene Konstrukte (Knobloch & Solomon, 1999).
      • Diese Unsicherheiten können zu Missverständnissen, polarisierten Emotionen und negativer Kommunikation führen.
  2. Interferenz durch den Partner:
    • Wenn Partner in Übergangsphasen neue Rollen oder Erwartungen aneinander entwickeln, können Konflikte oder Frustrationen entstehen.
    • Studien zeigen, dass Interferenz zu einer Wahrnehmung von Chaos und Instabilität in der Beziehung führen kann (Monk et al., 2020).
  3. Sliding vs. Deciding:
    • Paare, die wichtige Entscheidungen wie Zusammenziehen oder Heirat ohne bewusste Planung treffen (“Sliding”), erleben oft mehr Konflikte und geringere Beziehungsqualität.
    • Studien belegen, dass Paare, die vor der Verlobung zusammenziehen, häufiger eine niedrigere Beziehungsqualität und höhere Scheidungsraten aufweisen (Rhoades et al., 2009).

Implikationen für Beziehungspraxis

  • Wendepunkte bieten die Chance für Wachstum oder Verfall in Beziehungen. Partner sollten:
    • Bewusste Entscheidungen treffen: Klare Gespräche über Erwartungen, Ziele und den Stand der Beziehung können Unsicherheit und unbewusste Dynamiken reduzieren.
    • Kommunikation verbessern: Ehrliche und offene Kommunikation minimiert Missverständnisse und stärkt das Vertrauen.
    • Langsam vorgehen: Ein verlangsamtes Fortschreiten durch Wendepunkte ermöglicht eine bessere Reflexion über die Beziehung.

Jahresanfang: Impulse der Zwei-Reiche-Lehre und Postliberalismus

Nach wie vor ringe ich um ein angemessenes, kluges Verständnis im Spannung zwischen Christsein und Gegenwartskultur. Diese Diskussion (u. a. mit James R. Wood und David VanDrunen) widerspiegelt meine aktuellen Überlegungen passend:

Definition Postliberalismus

Postliberalismus kritisiert fundamentale Aspekte des Liberalismus:

  • Freiheit: Liberalismus betont negative Freiheit („Freiheit von“), Postliberalismus sieht Freiheit auch als positive Tugend.
  • Anthropologie: Menschen werden im Liberalismus oft als abstrakte Individuen betrachtet, nicht als eingebettete Gemeinschaftswesen.
  • Religion: Im Liberalismus als optional oder privat angesehen, während Postliberalismus Religion als wesentlich für das menschliche Leben betrachtet.
  • Politische Ordnung: Liberalismus basiert auf menschlicher Souveränität und sozialen Verträgen, Postliberalismus erkennt eine religiöse Grundlage von Ordnung an.
  • Kirche: Der Liberalismus reduziert die Kirche auf eine freiwillige Gesellschaft, Postliberalismus sieht sie als zentrale moralische Institution.

Unterschiede zum klassischen (politischen) Liberalismus:

  • Klassischer Liberalismus versucht, staatliche Neutralität zu fördern, um individuelle Freiheiten zu maximieren.
  • Postliberalismus glaubt, dass der Staat aktiv das „Gute“ fördern muss, einschließlich religiöser Werte.
  • Öffentliche Institutionen sind nicht neutral, sondern fördern implizit oder explizit eine moralische Vision.

David VanDrunens Position zu den Zwei Reichen:

  • Zwei-Reiche-Lehre: Gott regiert die Welt auf zwei Arten:
    • Gemeine Gnade: Für alle Menschen, um die natürliche Ordnung zu erhalten.
    • Erlösende Gnade: Durch Christus und seine Kirche für das Heil.
  • Christen leben in beiden Reichen und profitieren von beiden.

Zusammenhang zwischen Zwei Reichen und klassischem Liberalismus

  • VanDrunen sieht keine notwendige Verbindung zwischen der Zwei-Reiche-Lehre und klassischem Liberalismus, glaubt aber, dass dieser Ansatz die beste politische Ordnung für ein friedliches Zusammenleben bietet.
  • Liberalismus kann als politisches Modell gesehen werden, das Frieden und Gerechtigkeit in einer gefallenen Welt fördert.

Hier sind 10 Thesen von Postliberalismus (P) und Zwei-Reiche-Lehre (Z):

  1. P: Öffentliche Religion ist unvermeidlich, da politische Ordnungen immer eine moralische Vision fördern.
  2. Postliberalismus kritisiert die moralische Neutralität des klassischen Liberalismus und sieht Religion als zentral.
  3. Die Zwei-Reiche-Lehre bietet eine theologische Grundlage für ein politisches System mit begrenzter staatlicher Zuständigkeit.
  4. Z: Der Staat sollte das „Gute“ fördern, aber seine Zuständigkeit auf „vorletzte Güter“ beschränken.
  5. Z: Der Liberalismus fördert Frieden und Gerechtigkeit in einer gefallenen Welt, hat aber Schwächen in der Förderung religiöser Werte.
  6. P & Z: Christen sollten kulturellen Einfluss suchen, ohne die institutionelle Kirche mit politischen Zielen zu belasten.
  7. Z: Synkretismus und Korruption sind Gefahren bei einer zu engen Verbindung zwischen Kirche und Staat.
  8. P: Moral und Religion sind untrennbar, und der Staat kann indirekt zur Förderung der wahren Religion beitragen.
  9. Z: Der Staat hat keine Kompetenz, über die erste Tafel des Gesetzes (z. B. Gottesverehrung) zu urteilen.
  10. Z: Gemeine Gnade und natürliche Ordnung sind für den Staat entscheidend; erlösende Gnade bleibt der Kirche vorbehalten.

Kulturelle Einflussnahme durch positive Darstellung

  • Christen sollten sich auf kulturelle Projekte konzentrieren, die die Schönheit, Güte und Wahrheit des christlichen Glaubens demonstrieren.
  • Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der Werte des Christentums, insbesondere durch Medien, Kunst und Bildung

Einsatz kultureller Institutionen

  • Die Einflussnahme soll nicht ausschließlich über staatliche Instrumente erfolgen, sondern vielmehr durch die Stärkung und Nutzung kultureller Mechanismen.
  • Christen sollten in kulturellen Institutionen aktiv sein (z. B. Schulen, Universitäten, Medienhäuser), um dort die Wahrheit des Christentums überzeugend zu vertreten.
  • Der Einfluss erfolgt nicht durch Zwang, sondern durch die Macht des guten Beispiels und überzeugender Argumente.

Strategische Vision

  • Auch wenn Christen in der Minderheit sind, können sie langfristig eine Veränderung bewirken, da motivierte Minderheiten oft disproportionalen Einfluss ausüben können.
  • Ziel ist es, nicht nur politische, sondern vor allem kulturelle Herzen und Köpfe zu erreichen.

Jahresanfang: Nicht mehr jung, weniger ruhelos, nach wie vor reformiert

Vor ca. 15 Jahren nahm ich intensiv Signale und Impulse der Young Restless Reformed-Bewegung auf (siehe diese ausführliche Buchbesprechung), die mich übrigens auch motivierten mit diesem Blog zu beginnen. Viele Elemente habe ich in mein Leben integriert. Es ist mir wichtig einen konstruktiv-kritischen Blick zu behalten, wie sie in dieser Diskussion (ab Minute 21) stattfand:

Definition und Merkmale

  • Theologische Merkmale:
    • Betonung auf „Big God Theology“ (Souveränität Gottes, calvinistische Soteriologie).
    • Evangeliumszentrierung als Grundlage für die christliche Lehre und Praxis.
    • Komplementarismus in Geschlechterrollen.
    • Unfehlbarkeit der Bibel.
    • Schwerpunkt auf auslegender Predigt und Lokalgemeinden.
  • Institutionen und Konferenzen:
    • Schlüsselakteure: Together for the Gospel (T4G), The Gospel Coalition (TGC), Acts 29, Sovereign Grace Ministries, Desiring God.
    • Verlage wie Crossway unterstützten die Bewegung durch substantielle theologische Literatur.
  • Einflussreiche Persönlichkeiten:
    • John Piper, Tim Keller, R.C. Sproul, Mark Dever, Al Mohler, Matt Chandler, David Platt.
    • Zusammenarbeit zwischen verschiedenen theologischen Traditionen, z. B. Baptisten und Presbyterianer.
  • Herausforderungen innerhalb der Bewegung:
    • Schneller Erfolg führte teilweise zur Überforderung junger Leiter.
    • Unterschiedliche Impulse (z. B. kulturelle Anpassung vs. Abgrenzung) sorgten für Spannungen.

Evaluation der Bewegung

Positive Beiträge

  1. Theologische Tiefe:
    • Betonung auf der Lehre von Gottes Souveränität und der Kraft des Evangeliums.
    • Förderung von Publikationen und Literatur für die breite Masse.
  2. Praktische Einflüsse:
    • Förderung von Expository Preaching und der Zentralität der Ortsgemeinde.
    • Konferenzen als Orte des theologischen Austauschs und der Anbetung.
  3. Internationale Verbreitung:
    • Einfluss der YRR-Bewegung auch auf internationale Kontexte (z. B. Europa, Asien).
  4. Förderung von Frauen und jungen Erwachsenen:
    • Aufkommen starker Frauenstimmen (z. B. Jen Wilkin, Rebecca McLaughlin) in der theologischen Publikation.
  5. Nutzung moderner Technologien:
    • Nutzung des Internets und der digitalen Medien, um Ressourcen weltweit verfügbar zu machen.

Kritikpunkte

  1. Überhöhung junger Leiter:
    • Manche Leiter wurden zu schnell in prominente Rollen befördert, was zu Überforderungen und Krisen führte.
  2. Flache theologische Grundlage:
    • Eine relativ dünne Basis an doktrinellen Einheiten führte zu späteren Spannungen.
  3. Unvorhergesehene kulturelle Herausforderungen:
    • Themen wie Rassismus, kritische Rassentheorie und LGBTQ+ wurden nicht umfassend vorhergesehen und führten zu Spannungen.
  4. Einfluss des Internets:
    • Soziale Medien verstärkten Polarisierungen und öffneten Türen für Kritik und öffentliche Konflikte.

4. Zukunft der Bewegung

  • Institutionen florieren weiterhin:
    • Crossway veröffentlicht weiterhin ein breites Spektrum theologischer Literatur.
    • Konferenzen wie TGC und Sing! ziehen große Besucherzahlen an.
  • Internationaler Einfluss:
    • Besonders in Europa und Asien gibt es weiterhin Interesse an reformierter Theologie.
  • Nachwuchsarbeit:
    • Konferenzen wie Cross Conference ziehen junge Generationen an.
  • Wachsende Konfessionen:
    • Denominationen wie die PCA verzeichnen leichte Wachstumsraten.
  • Fokus auf Lokalgemeinden:
    • Trotz Herausforderungen bleibt die Lokalgemeinde im Mittelpunkt theologischer Bemühungen.

Jahresanfang: Geistliche Disziplinen – zwei Arten des Nachdenkens

Von Joel Beeke nehme ich (hier) zwei Arten des Nachdenkens ins neue Jahr mit.

  1. Geplante (deliberate) Meditation
    • Tägliche stille Zeit/Bibellese wird ergänzt durch langsames Nachsinnen über einen Bibelvers oder ein Thema.
    • Danach folgt Gebet (und ggf. ein Lied).
    • Meditation fungiert als „Zwischenstation“ zwischen Bibellese und Gebet.
    • Sorgt für inhaltliche Tiefe im Gebet (statt immer nur dieselben Bitten).
  2. Spontane (occasional) Meditation
    • Im Alltag Situationen und Objekte beobachten und geistlich deuten.
    • Beispiel: Eine Tür erinnert an Jesus („Ich bin die Tür“). Daraus ergeben sich Gedanken über Zugang zu Gott, Glaube, Unglaube usw.
    • Oder im Stau statt Frustration geistliche Themen bedenken und ins Gebet bringen.
    • Nach dem biblischen Vorbild (z.B. Salomo, der Ameisen und andere Tiere betrachtete; Psalmisten, die Himmel und Sterne bedenke).
    • Ziel: Die Alltagswelt als Anlass zum Nachdenken über Gottes Größe, die Schwere der Sünde, die Herrlichkeit Christi und die eigene Herzenshaltung.

Zudem ein weiterer Impuls “Gottes Verheissungen zu glauben…” (hier)

  1. Tötet die Sünde: 2. Kor 7,1 – weil man Gottes Gnadenzusagen vor Augen hat.
  2. Stärkt das Gebet: Vertrauen auf Gottes Zusagen beflügelt und belebt das Gebet.
  3. Weckt Hoffnung und Geduld: Z. B. Verheißung Römer 8,28 – „alles wirkt zum Guten.“
  4. Tröstet in Anfechtung: Wenn wir leiden, macht die Verheißung uns geduldig und unterwürfig unter Gottes Willen.
  5. Distanz zu weltlichen Begierden: Wie die Glaubenshelden in Hebr 11 leben wir als Pilger und Fremdlinge.
  6. Schenkt Freude und Trost: Höhere Hoffnung als nur weltliche Erfüllung.
  7. Sichert geistliches Leben (Vitalität): Wir bewerten Umstände nicht nur menschlich, sondern ruhen in Gottes Zusagen.
  8. Wertschätzung Christi: Durch die Verheißungen wächst Liebe zu Christus.
  9. Öffnet die Tür zur Erfüllung: Oft erhört Gott das Gebet kurz nachdem wir die Verheißung im Glauben erfasst haben (Gott kann aber auch Zeit lassen).

Jahresanfang: Gehen und essen

Seit Jahren habe ich es mir angewöhnt, einen Teil meiner Wegstrecken zu Fuss zurück zu legen. Zumeist geschieht dies in meiner Heimatstadt Zürich. Dabei erlebe ich nicht nur Begegnungen. In Kombination mit Zugfahrten kann ich arbeiten, lesen, schreiben, hören, telefonieren.

Das Gehen lässt sich übrigens auch gut mit anderen Bewegungen verbinden. Zur Zeit ist mein Favorit das Schwimmen drinnen und draussen zur Ryhthmisierung des Tages und zur körperlichen und mentalen Entspannung.

Eine zweite Möglichkeit ist das bewusste, gesunde Essen in Gemeinschaft mit meiner Frau, in der Familie, mit Freunden. Ein Freund hat mich auf die Kulturgeschichte des Essens in der Schweiz aufmerksam gemacht.

Im Zusammenhang mit meiner Lektüre der Evangelien wurde mir die Bedeutung von Mahlzeiten verstärkt bewusst. In Contagious holiness: Jesus’ Meals With Sinners analysiert Blomberg die Mahlzeiten in den Evangelien. Hier eine (KI-unterstützte) Auswertung von Kapitel 4.

In diesem Abschnitt untersucht der Autor Evangelientexte, in denen Jesus Mahlzeiten mit Sündern und gesellschaftlich Ausgegrenzten teilt. Dabei geht es um die Frage, warum und wie Jesus absichtlich und wiederholt soziale und religiöse Normen durchbrach, indem er sich mit Menschen zum Essen traf, die traditionell als unrein oder sündhaft galten.

Die Bedeutung der Mahlzeiten in den Evangelien

In der Kultur Jesu bedeutete das gemeinsame Essen eine Form der Gemeinschaft und sozialen Zugehörigkeit. Die Wahl der Tischnachbarn galt als bedeutungsvolle Handlung, die Anerkennung, Respekt und oft auch Gleichgesinntheit signalisierte. Für fromme Juden war es unvorstellbar, Mahlgemeinschaften mit Menschen zu teilen, die nach den rituellen Standards als unrein galten. Jesus stellte diese Erwartung jedoch bewusst infrage.

Jesu Mahlzeiten als Ausdruck des Königreiches Gottes

Durch die bewusste Einladung und Annahme von Außenseitern und Sündern demonstriert Jesus die Radikalität des göttlichen Königreichs, das über soziale und religiöse Barrieren hinweggeht. Jede dieser Mahlzeiten wird als „Proklamation des Evangeliums in Handlung“ interpretiert – Jesus verkörpert in seiner Tischgemeinschaft die kommende Erneuerung, Versöhnung und Heiligung, die das Königreich Gottes mit sich bringt.

Analyse spezifischer Evangelientexte

  • Die Berufung des Zöllners Levi (Markus 2,13-17; Matthäus 9,9-13; Lukas 5,27-32): Jesus isst mit Levi, einem Zöllner, und anderen „Sündern.“ Blomberg hebt hervor, dass Jesu Entscheidung, diese Menschen einzuladen, eine symbolische Handlung ist, die das Thema des vergebenden und integrierenden Charakters Gottes ausdrückt. Jesus nimmt bewusst diejenigen in seine Gemeinschaft auf, die von der Gesellschaft ausgestoßen werden.
  • Das Mahl bei Simon dem Pharisäer (Lukas 7,36-50): In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie eine als Sünderin bekannte Frau Jesus während eines Essens in Simons Haus die Füße salbt. Blomberg zeigt, dass Jesus die Frau nicht ablehnt, sondern ihre Hingabe lobt und ihre Sünden vergibt. Durch diese Szene wird deutlich, dass Jesus jedem offen begegnet, der zu ihm kommt, unabhängig vom gesellschaftlichen Urteil.
  • Die Speisung der Fünftausend (Markus 6,30-44; Matthäus 14,13-21; Lukas 9,10-17; Johannes 6,1-15): Die Speisung der Menge wird als Beispiel dafür gesehen, wie Jesus die Gemeinschaft des Königreichs erweitert. Jesus schafft Gemeinschaft, indem er die Menschen speist und so symbolisch die zukünftige, umfassende Tischgemeinschaft des Reiches Gottes darstellt, an der alle teilhaben dürfen.
  • Das Abendmahl (Markus 14,12-26; Matthäus 26,17-30; Lukas 22,7-23): Blomberg sieht das Abendmahl als Höhepunkt der theologischen Bedeutung von Mahlgemeinschaften in den Evangelien. Hier offenbart Jesus das Ziel seines Lebens und Sterbens – die Versöhnung der Menschen mit Gott. Die Einladung zum Abendmahl ist umfassend und erinnert an den vergebenden und heilenden Charakter von Jesu Mission.

Jesu „ansteckende Heiligkeit“: Ein zentrales Konzept in Blombergs Analyse ist die Idee der „ansteckenden Heiligkeit“. Traditionell betrachteten viele Juden Heiligkeit als etwas, das durch Absonderung und Vermeidung von Unreinheit bewahrt werden musste. Jesus hingegen geht direkt auf die Unreinen zu, doch anstatt von ihrer Unreinheit beeinflusst zu werden, bringt er Heiligkeit und Reinheit zu ihnen. Blomberg zeigt, wie Jesus durch seine Mahlzeiten die Vorstellung auf den Kopf stellt, dass Heiligkeit mit Absonderung gleichgesetzt ist. Vielmehr wird Heiligkeit durch die aktive Nähe zu den als „unrein“ Geltenden demonstriert.