Buchhinweis: Gesetz UND Geist aus Luthers Sicht

Klaus Bockmühl im Schlusskapitel seiner Analyse der Ethik der Reformatoren “Gesetz und Geist: Eine kritische Würdigung des Erbes protestantischer Ethik”, über Luthers Sichtweise:

Zehn Gebote sind das Fundament christlicher Ethik

  • Dass die christliche Ethik ihr Fundament in den Zehn Geboten hat, ist überzeugend von Luther dargelegt worden.
  • Man wird ein Studium des ersten Hauptstücks des Großen Katechismus allemal mit größter Hochachtung, ja mit Bewunderung beenden.
  • Wer an einer Erneuerung der Ethik aus dem Geist der Heiligen Schrift denkt, wird sich im klaren darüber sein, dass alle christliche Ethik künftig nur über Luther hinaus, aber nicht an ihm vorbeigehen kann.

Luthers weitreichende Ansprüche

  • Luther hielt die Zehn Gebote für solche, “in quibus prorsus omne mandatum salutare continetur.” („in denen jedes heilbringende Gebot vollständig enthalten ist.“)
  • In der “Kurzen Form” von 1520 heißt es, dass in den drei Stücken “alles was einem Christen not ist zu wissen, gründlich und überflüssig begriffen ist.”
  • Der Katechismus biete eine Summa dessen, “was der Christen Lehre, Leben, Weisheit und Kunst sei.”

Identifikation von Dekalog und christlicher Ethik

  • Luther kann sagen: “Bisher haben wir gehöret das erste Stück christlicher Lehre und darinne gesehen alles, was Gott von uns will getan und gelassen haben.”
  • Der Dekalog sei “ein kurz Summarium aller Tugenden.”
  • Es ist eben diese Alleingeltung des Dekalogs, gegen die Vorbehalte angemeldet werden müssen.

Das Bild vom “Born und Rohr”

  • Luther behauptet, die Zehn Gebote seien “der rechte Born und Rohre, aus und in welchen quellen und gehen müssen alles, was gute Werke sein sollen.”
  • Das Bild vom Rohr trifft zu, dasjenige vom Born ist problematisch.
  • Man kann Luther beipflichten, wenn er meint, dass alle guten Werke “in,” d.h. in den Rahmen der Zehn Gebote “gehen müssen.”

Grenzen der synekdochischen Auslegung

  • Was leistet die Auslegung des Dekalogs ? Das faktische Fehlen großer Teile der neutestamentlichen Paränese im ersten Hauptstück beweist, dass dieses Auslegungsprinzip eine umfassende Repräsentation biblischer Ethik nicht zu verbürgen vermag.
  • Die affirmative Auslegung des Dekalogs erfasst nicht ohne weiteres schon den ganzen Inhalt der neutestamentlichen Paränese.
  • Die im Kleinen Katechismus angehängte Haustafel ist nur ein Rest derselben.

Problem der Geistesleitung

  • Der andere Einwand betrifft die vollständige Verschlossenheit des ersten Hauptstücks gegen die biblische Möglichkeit einer individuellen Weisung des Heiligen Geistes in der je gegebenen Situation.
  • Wo der Dekalog allein bleibt, ohne ein bewegliches Erkenntnisprinzip für die positive Erfüllung der Gebote in der jeweiligen Lage, degeneriert die Ethik zur Kasuistik und zum Legalismus.

Notwendigkeit der Geistesgabe

  • Die Auslegung des Dekalogs durch Synekdoche (ein Teil für das Ganze) produziert nicht so etwas wie die Weisungen, die Gott an die Erzväter und Propheten oder die der Geist Jesu an die Apostel und Missionare ergehen lässt.
  • An dieser Stelle muss damit Ernst gemacht werden, dass die Christenheit in der Gabe des Heiligen Geistes etwas besitzt, das die Gabe der Zehn Gebote überragt.
  • Das Pfingstereignis von Jerusalem ist die überbietende Parallele zu der Gottesbeziehung Israels am Sinai.

Trinitarische Ethik

  • Luther wies wenigstens in der Neuen Vorrede zum Großen Katechismus auf den Weg zur Entfaltung der Zehn Gebote durch den Geist als Lehrer hin.
  • Gerhard von Zezschwitz kam auf den Gedanken, von einer katechetischen Trias “Mose – Christus – der Geist” zu sprechen.
  • Es legt sich eine durchgehende Relevanz der Trinität für die Ethik nahe: Sie besteht aus Gebot Gottes, der Weisung Jesu und dem mandatum concretissimum des Heiligen Geistes.

Schlussbewertung

  • Wir beenden das Kapitel mit hoher Wertschätzung und Respekt vor dem ethischen Hauptstück der Katechismen Luthers.
  • Wir erkennen mit Luther die unverminderte Geltung der Zehn Gebote an.
  • Das hebt die namhaft gemachte pia desideria einer Reform protestantischer Ethik im Horizont biblischer Direktiven nicht auf.

Interview: Wie das Smartphone das Leben von Kindern verarmt

Der Sozialpsychologe Jonathan Haidt unterhielt sich mit Jordan Peterson zum Thema “How Smartphones are Wrecking Your Life”. Hier die Auswertung der Diskussion. Spannend finde ich die Massnahmen am Schluss und die grundsätzlichen Überlegungen für mehr Spannung in der Realität.

1. Empirische Befunde zur „großen Umschaltung“ ab 2012 – 2014

  • (Haidt) Interne US- und internationale Datensätze zeigen bis 2010/11 kaum Trend in Angst und Depression; ab 2012/13 entsteht ein „Knick“ nach oben, besonders stark bei Mädchen.
  • (Haidt) Die gleiche Kurve findet sich in Kanada, Großbritannien, Australien und Nordeuropa – also kein rein amerikanisches Phänomen.
  • (Haidt) Mädchen zwischen 10 – 14 Jahren verzeichnen Anstiege von 50 – 100 % bei Angsterkrankungen; hospitalisierte Selbstverletzungen stiegen um 200 %+.
  • (Haidt) Der Zeitpunkt fällt exakt zusammen mit a) Massenverbreitung des Smartphones (iPhone 4 mit Selfie-Kamera 2010) und b) dem Siegeszug von Instagram 2012.
  • (Peterson) Er bestätigt aus Campus-Erfahrung: 2014 spürbarer Wandel in studentischer Moral – mehr Fragilität, Angst und kollektive Moralisierung.

2. Warum Social-Media-Nutzung als Hauptursache gilt

  • (Haidt) Historische Korrelation: alle betroffenen Länder führten im selben Zeitfenster Smartphones & Social Media bei Jugendlichen ein; keine alternative Großvariable bekannt.
  • (Haidt) Zeitnutzungs-Korrelation: Jugendliche mit hohem Social-Media-Pensum schneiden in fast jeder Studie schlechter ab.
  • (Haidt) Experimentelle Evidenz: ≥ 1-wöchige Social-Media-Abstinenz senkt Angst spürbar; kurzfristige Abstinenz bewirkt eher Entzugssymptome.

3. Geschlechterspezifische Unterschiede

  • (Peterson) Mädchen sind temperamentell negativer affekt­anfällig und suchen mehr soziale Zustimmung; Pubertät verschärft körperbezogene Selbstaufmerksamkeit.
  • (Haidt) Mädchen werden stärker von sozialer Kontagion erfasst; Selbstverletzung breitet sich wie ein Mem aus, sobald Plattformen Gleichaltrige vernetzen.
  • (Haidt) Jungen zeigen kleinere Anstiege bei Angst/Depression, haben aber langfristig andere Risiken (Suizid, Perspektivlosigkeit).
  • (Peterson) Online-Hetzen („cancel culture“) ähneln weiblichem antisozialem Dominanzmuster: reputations­schädigend, anonym, mit sozialer Belohnung.

4. Mechanismen der digitalen Abwärtsspirale

  • (Haidt) TikTok- & Shorts-Feeds funktionieren wie Slot-Maschinen (variabler Ratio-Plan): Wischen = Verhalten, Dopamin-Kick = Belohnung.
  • (Peterson) KIs optimieren einzeln auf „Grip“ der Kurzinhalte – effizienter als menschliche Trainer.
  • (Haidt) Fernsehen erzählte 20-Min-Geschichten ohne Interaktion; Handy-Feeds liefern Sekunden-Häppchen + ständige Verstärkung ➔ Suchtpotenzial.
  • (Peterson) Plattform-Konkurrenz führt zu einem „Wettlauf an den Hirnstamm-Boden“ – immer kürzer, greller, primitiver.

5. Verlust realweltlicher Entwicklungschancen

  • (Haidt) Acht Stunden tägliche Freizeit-Screen-Time verdrängen Sonne, Lachen, synchrones Bewegen, gemeinsames Essen, Schlaf, Bücher, Hobbys.
  • (Haidt) Spiel (körperlich, sozial, risikoreich) ist für neuronale Reifung zwingend; digitale Kindheit kappt diese „Übungswiederholungen“.
  • (Peterson) Realwelt-Niederlagen (Sport, Spiele) lehren Resilienz; Online-Umgebungen bieten keine Regel-Aushandlung und kaum echte Konsequenzen.

6. Spezifische Jungen-Probleme

  • (Haidt) Ca. 10 % der Jungen entwickeln „problematic use“ von Videospielen (quasi-Sucht); 1 – 3 % verlieren sich völlig.
  • (Haidt) Gaming ist synchroner als Social Media, daher sozial leicht vorteilhafter, aber liefert pausenlos „schnelles Dopamin“ und hemmt Langzeit-Zielverfolgung.
  • (Haidt) Weitere digitale „Fallen“ speziell für männliche Motivation: Pornografie, Sportwetten, Krypto-Apps, Vaping-Design.
  • (Peterson) Gesellschaft idealisiert feminine Akzeptanz, diffamiert männlichen Wettbewerbs- und Abenteuertrieb als „toxisch“, was Demotivation verstärkt.
  • (Peterson) Lösungspfad: Sinn (= Bedeutung) entsteht durch freiwillige Übernahme maximaler Verantwortung und Abenteuer, nicht durch kurzfristige Hedonie.

7. Spirituelle und moralische Degradation

  • (Haidt) Alte Weisheiten empfehlen Langsamkeit, Vergebung, Stille; Social Media fordert sofortiges Urteilen, Dauerinput, Ego-Steigerung.
  • (Haidt) Dadurch fühlen sich auch Erwachsene „spirituell erniedrigt“ – weniger Geduld, Gnade, Demut → gesellschaftlicher Absturz.
  • (Peterson) Führt den Begriff der „Hierarchie der Tiefe“ ein: je mehr andere Ideen von einem Grundsatz abhängen, desto „tiefer“ ist er; Kurzclips bieten keinerlei Tiefe → Chaos & Angst.
  • (Peterson) Mythische Beispiele (Jakobsleiter, goldenes Kalb) illustrieren: ohne höhere Achse (Sinn) verfallen Menschen in hedonistische Fragmentierung.

8. Bedeutung von Risiko, Thrill und Initiation

  • (Haidt) Nach Ellen Sandseter brauchen Kinder „angstlustige“ Spielarten (Höhe, Tempo, gefährliche Werkzeuge …); besonders Väter können diese Erfahrungen bieten.
  • (Haidt) Viele Kulturen besitzen harte Initiationsriten, vor allem für Jungen, um aus abhängigen Kindern verantwortliche Erwachsene zu formen – digitale Kindheit unterläuft das.
  • (Peterson) Initiiation verknüpft Verantwortung, Opfer und Abenteuer; biblisches Beispiel: Gottes Bund mit Abraham – wer der Abenteuerstimme folgt, erhält Sinn und Segen.

9. Vier zentrale Norm-Vorschläge zur Rettung der Kindheit

  1. Kein Smartphone vor der High-School (≈ 14 J.) – Basishandy genügt. (Haidt)
  2. Kein Social-Media-Account vor 16 – Gesetzliche Altersprüfung wie in Australien nötig. (Haidt)
  3. Handyfreie Schulen von Klingel-bis-Klingel; mehrere US-Bundesstaaten & Länder führen das bereits ein. (Haidt)
  4. Radikale Ausweitung von freiem, selbst­gesteuertem Spiel, Bewegung und Verantwortung im Realraum. (Haidt)
  • (Haidt) Diese kollektiven Regeln lösen das Koordinationsproblem („alle anderen haben doch eins“) und senken Angst, steigern Schlaf, Lern­leistungen und Lebenssinn.
  • (Haidt) Gesetzgeber & Gerichte sollten Plattformen zur Altersprüfung zwingen; Tech-Konzerne reagieren sonst kaum.

10. Schlussgedanke

  • (Peterson) Ohne gleichzeitiges Aufrichten einer positiven, tiefenwerthaltigen Sinn-Hierarchie für Jungen undMädchen bleibt jede Technik-Regulierung Stückwerk.
  • (Haidt) Gleichwohl sei die Krise lösbar, wenn Eltern, Schulen, Politik und Gemeinschaft rasch handeln – das Fenster dafür stehe „in den nächsten wenigen Jahren“ offen.

Vortrag: Reagan in einer Uni-Eröffnungsrede

Ronald Reagan war ein faszinierender Politiker; ich lese die kritische Biografie von William Inboden “The Peacemaker: Ronald Reagan, the Cold War, and the World on the Brink”. In einer Eröffnungsrede an der Notre Dame-Universität (1981) gab er den jungen Studenten folgende Anregungen:

Die Gründungsväter als historisches Modell

  • Die 56 Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung gelten als Vorbild für Selbstaufopferung: Viele verloren Leben oder Vermögen, doch alle bewahrten ihre Ehre.
  • Ihr Vermächtnis sei die Idee angeborener, von Gott verliehener Rechte und eines von den Bürgern geschaffenen Staates mit begrenzter Macht.

Fehlentwicklungen in der Gegenwart

  • Das föderale Gleichgewicht sei verzerrt; die Zentralregierung habe Kompetenzen an sich gezogen, die lokalen und staatlichen Ebenen zustehen.
  • Private und kirchliche Universitäten wie Notre Dame leiden unter einem Regeldickicht: hunderte Gesetze und Vorschriften bedrohen ihre Freiheit und Ressourcen.
  • Wirtschaftliche Stagnation sei Folge von Inflation, hohen Steuern und übermäßiger Regulierung; die menschlichen Kosten träfen besonders die Schwächsten.

Reformagenda der Regierung

  • Reagan betont, das Volk habe „genug“ gesagt und verlange weniger Staatseingriffe, geringere Steuerlast und einen Abbau überflüssiger Vorgaben.
  • Eine Task Force unter Vizepräsident Bush prüfe Hunderte von Verordnungen; deren Abschaffung werde Milliarden freisetzen für Innovation und Arbeitsplätze.
  • Richtige Aufgaben des Staates solle er gut erfüllen; alles andere könne die private Initiative effizienter und menschlicher leisten.

Appell an die Jugend

  • Die Absolventinnen und Absolventen sollen ihre Idealismen nutzen, um Missstände zu beseitigen, ohne bewährte Werte nur wegen ihres Alters zu verwerfen.
  • Reagan warnt vor Pessimismus: Jede Generation stehe höher, weil sie auf den Schultern der vorherigen stehe, und besitze dadurch größere Chancen.

Input: KI-Analyse zu Kreefts Auseinandersetzung mit Kant

Dank meiner KI-Assistenten “pröble” ich seit einiger Zeit damit, Autoren “fiktiv” in einen Dialog treten zu lassen. Seit Jahren ringe ich mit Kant. Hier eine Analyse auf von Peter Kreefts “Socrates Meets Kant”:

I. VOLLE ZUSTIMMUNG

1. Kritik am humeschen Skeptizismus

Kreefts Position: Kant hat völlig recht, dass Humes radikaler Empirismus in einen destruktiven Skeptizismus führt.

  • Humes Reduktion der Kausalität auf bloße Gewohnheit untergräbt jede rationale Erkenntnis
  • Die Vernunft kann tatsächlich mehr als nur Sinneseindrücke verarbeiten
  • Es gibt universelle, notwendige Wahrheiten, die über die reine Empirie hinausgehen

2. Notwendigkeit von a priori Prinzipien

Kreefts Position: Die Existenz synthetischer Urteile a priori ist eine wichtige Erkenntnis.

  • Mathematische und logische Wahrheiten zeigen, dass nicht alles Wissen aus der Erfahrung stammt
  • Die Vernunft besitzt tatsächlich angeborene Strukturen und Prinzipien
  • Dies bestätigt die aristotelisch-thomistische Lehre von den ersten Prinzipien des Verstandes

3. Bedeutung des guten Willens

Kreefts Position: Kants Betonung des guten Willens als einziges unbedingtes Gut ist wertvoll.

  • Die Intention ist tatsächlich zentral für die moralische Bewertung
  • Äußere Güter (Reichtum, Macht, etc.) sind nur instrumentell gut
  • Dies entspricht der thomistischen Lehre von der Bedeutung der rechten Intention

II. TEILWEISE ZUSTIMMUNG

1. Rolle der Vernunft in der Moral ✓/

Zustimmung: Die Vernunft spielt eine zentrale Rolle in der Moral. Widerspruch: Aber sie ist nicht autonom – sie erkennt objektive moralische Wahrheiten, schafft sie nicht.

Kreefts Kritik:

  • Kant verwechselt die Erkenntnisfunktion der Vernunft mit ihrer angeblichen Schöpfungsfunktion
  • Die Vernunft entdeckt das Naturrecht, sie erfindet es nicht
  • Moralische Gesetze haben ihre Quelle in Gottes ewigem Gesetz, nicht im menschlichen Willen

2. Universalität moralischer Prinzipien ✓/

Zustimmung: Moralische Prinzipien sind tatsächlich universell gültig. Widerspruch: Aber ihre Universalität beruht auf objektiver Wahrheit, nicht auf subjektiver Konstruktion.

Kreefts Position:

  • Das Naturrecht ist universell, weil es in der menschlichen Natur verwurzelt ist
  • Universalität kommt von objektiver Realität, nicht von transzendentalen Strukturen des Geistes

3. Kritik an empirischen Grundlagen der Ethik ✓/

Zustimmung: Rein empirische Ethik führt zu Relativismus. Widerspruch: Aber die Alternative ist nicht subjektive Konstruktion, sondern objektive Erkenntnis.

Kreefts Argument:

  • Die Sinne allein können keine universellen moralischen Prinzipien begründen
  • Aber die Vernunft kann aus der Beobachtung der menschlichen Natur universelle Prinzipien ableiten
  • Abstraktion, nicht Konstruktion, ist der richtige Weg

III. FUNDAMENTALER WIDERSPRUCH

1. Die “kopernikanische Wende” – Subjektivismus

Kreefts Hauptkritik: Dies ist der Grundfehler von Kants gesamtem System.

Probleme:

  • Selbstwiderspruch: Wenn wir nur Erscheinungen erkennen können, wie können wir dann wissen, dass es Dinge an sich gibt?
  • Erkenntnistheoretischer Relativismus: Wahrheit wird subjektiv konstruiert statt objektiv erkannt
  • Zirkulärer Begründungsversuch: Um die Grenzen des Wissens zu ziehen, muss man außerhalb dieser Grenzen denken

Kreefts Alternative:

  • Die aristotelisch-thomistische Erkenntnistheorie: Der Intellekt erkennt die Formen der Dinge
  • Wahrheit ist die Übereinstimmung des Intellekts mit der Realität (adaequatio intellectus et rei)
  • Wir können durchaus objektive Wahrheit über die Realität erkennen

2. Ablehnung der traditionellen Gottesbeweise

Kreefts Position: Kant hat die klassischen Gottesbeweise missverstanden und ungerechtfertigt verworfen.

Spezifische Kritiken:

  • Ontologisches Argument: Kants Kritik (“Existenz ist kein Prädikat”) trifft nicht Anselms eigentliches Argument
  • Kosmologisches Argument: Kants Einwände beruhen auf seiner fehlerhaften Erkenntnistheorie
  • Teleologisches Argument: Die Ordnung in der Natur weist tatsächlich auf einen Designer hin

Kreefts Verteidigung:

  • Die fünf Wege des Aquinas sind gültige Demonstrationen, keine bloßen “Beweise”
  • Sie beruhen auf der metaphysischen Analyse der Realität, nicht auf kategorischen Fehlers
  • Kants Begrenzung der Vernunft auf Phänomene macht rationale Theologie unmöglich

3. Autonomie des Willens als Quelle der Moral

Kreefts Fundamentalkritik: Dies führt zu moralischem Subjektivismus und letztlich zu Nihilismus.

Probleme:

  • Selbstreferenzielle Inkonsistenz: Wenn jeder autonom ist, warum soll meine Autonomie die des anderen respektieren?
  • Willkürlichkeit: Ohne objektive Grundlage wird Moral willkürlich
  • Praktische Unmöglichkeit: Wie kann derselbe Wille Gesetzgeber und Untertan sein?

Kreefts Alternative:

  • Moral hat ihre Quelle im ewigen Gesetz Gottes
  • Der menschliche Wille partizipiert an diesem Gesetz durch das Naturrecht
  • Wahre Freiheit besteht in der Ausrichtung auf das objektive Gute

4. Trennung von theoretischer und praktischer Vernunft

Kreefts Kritik: Diese Trennung ist künstlich und destruktiv.

Probleme:

  • Gespaltene Persönlichkeit: Der Mensch wird in zwei unverbundene Bereiche aufgeteilt
  • Fideismus in der Moral: Praktische “Postulate” werden zu bloßen Glaubensannahmen
  • Verlust der Einheit der Wahrheit: Theoretische und praktische Wahrheit fallen auseinander

Thomistische Alternative:

  • Eine einheitliche Vernunft erkennt sowohl theoretische als auch praktische Wahrheit
  • Das Gute ist das Wahre in der Ordnung des Handelns
  • Moral und Metaphysik sind miteinander verbunden

5. Rein formale Ethik ohne materialen Inhalt

Kreefts Einwand: Der kategorische Imperativ ist inhaltslos und daher praktisch unbrauchbar.

Spezifische Probleme:

  • Leerformel: “Handle nur nach der Maxime…” sagt nichts über konkrete Handlungen
  • Universalisierbarkeit ist ungenügend: Viele schlechte Maximen sind universalisierbar
  • Keine Richtung zum Guten: Ohne materiale Prinzipien fehlt die Orientierung

Thomistische Alternative:

  • Das Naturrecht bietet sowohl formale als auch materiale Prinzipien
  • Die Grundneigungen der menschlichen Natur geben konkrete Inhalte vor
  • Tugendethik verbindet Form und Inhalt organisch

IV. ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG

Kreefts Gesamturteil:

“Kant ist ein ehrlicher Denker, der wichtige Probleme erkannt, aber falsche Lösungen vorgeschlagen hat.”

Positive Würdigung:

  • Kant hat die Schwächen sowohl des Dogmatismus als auch des Skeptizismus erkannt
  • Seine Betonung der Würde des Menschen und der Universalität der Moral ist wertvoll
  • Er hat wichtige erkenntnistheoretische Fragen aufgeworfen

Fundamentale Kritik:

  • Die “kopernikanische Wende” ist ein Rückfall in den Subjektivismus
  • Die Autonomie-Ethik führt zu moralischem Relativismus
  • Die Ablehnung der natürlichen Theologie beraubt die Philosophie ihrer Krone

Kreefts Alternative: Die aristotelisch-thomistische Synthese

  1. Erkenntnistheorie: Realistische Erkenntnis objektiver Wahrheit durch Abstraktion
  2. Metaphysik: Sein als analoger Begriff, der Endliches und Unendliches umfasst
  3. Ethik: Naturrecht als Partizipation am ewigen Gesetz Gottes
  4. Theologie: Rationale Demonstrationen der Existenz Gottes als Fundament der Philosophie

Schlussfolgerung: “Kant hat die richtigen Fragen gestellt, aber die Antworten lagen bereits in der klassischen Tradition vor, die er leider verwarf.”

Input: Augustinus zum Unterschied zwischen Platonismus und Christentum

Augustinus stand dem Neo-Platonismus über Phasen nahe. In seinem Spätwerk De Civitate Dei, Buch 8, in den Kapiteln 7-13, stellt er den Platonismus dem christlichen Glauben gegenüber. Hier ein systematischer Vergleich:

Gotteserkenntnis und Gotteslehre

Platonismus:

  • Erkenntnis des höchsten Gutes durch rationale Kontemplation
  • Gott als höchste Idee und Urgrund aller Realität
  • Zugang zu Gott durch philosophische Erkenntnis und Aufstieg der Seele
  • Gott als unbewegter Beweger und erste Ursache

Christentum:

  • Gotteserkenntnis durch Offenbarung und Gnade
  • Dreieiniger Gott (Vater, Sohn, Heiliger Geist)
  • Zugang zu Gott durch Christus als Mittler
  • Gott als liebender Schöpfer und Erlöser

Anthropologie und Seelenlehre

Platonismus:

  • Seele als unsterblich und präexistent
  • Körper als Gefängnis oder Hindernis für die Seele
  • Seelenwanderung und Wiedergeburt
  • Selbsterlösung durch Erkenntnis und Tugend

Christentum:

  • Seele als von Gott geschaffen, unsterblich aber nicht präexistent
  • Leib-Seele-Einheit als gute Schöpfung Gottes
  • Auferstehung des Leibes, keine Seelenwanderung
  • Erlösung durch Gottes Gnade, nicht durch eigene Leistung

Erkenntnistheorie

Platonismus:

  • Anamnesis (Wiedererinnerung) an vorgeburtlich geschaute Ideen
  • Erkenntnis durch rationale Kontemplation
  • Aufstieg von der Sinnenwelt zur Ideenwelt
  • Philosophie als Weg zur Wahrheit

Christentum:

  • Erkenntnis durch göttliche Erleuchtung und Offenbarung
  • Glaube als Grundlage der Erkenntnis
  • Christus als “Weg, Wahrheit und Leben”
  • Heilige Schrift als Erkenntnisquelle

Soteriologie (Erlösungslehre)

Platonismus:

  • Selbsterlösung durch Erkenntnis und Tugend
  • Befreiung der Seele aus der Materie
  • Rückkehr zum Einen durch eigene Anstrengung
  • Erlösung als Erkenntnisvorgang

Christentum:

  • Erlösung durch Christus’ Kreuzestod und Auferstehung
  • Gnade als unverdiente Gabe Gottes
  • Notwendigkeit der göttlichen Hilfe
  • Erlösung als Heilsgeschehen

Verhältnis zur Materie und Welt

Platonismus:

  • Materie als minderwertiges Abbild der Ideenwelt
  • Flucht aus der Sinnenwelt als Ideal
  • Körperlichkeit als Hindernis für die Seele
  • Dualismus von Geist und Materie

Christentum:

  • Schöpfung als gut, aber durch Sünde gefallen
  • Welt als Ort der Bewährung und Heiligung
  • Inkarnation Christi würdigt die Materialität
  • Hoffnung auf neue Schöpfung

Ethik und Lebensführung

Platonismus:

  • Tugend durch Erkenntnis und Selbstbeherrschung
  • Kontemplatives Leben als höchste Lebensform
  • Apatheia (Leidenschaftslosigkeit) als Ideal
  • Philosophischer Eros als Aufstiegskraft

Christentum:

  • Tugend durch Gnade und Nachfolge Christi
  • Caritas (Liebe) als höchste Tugend
  • Demut und Selbstlosigkeit als Ideale
  • Liebe zu Gott und Nächstenliebe

Eschatologie (Lehre von den letzten Dingen)

Platonismus:

  • Zyklische Weltanschauung mit ewiger Wiederkehr
  • Seelenwanderung bis zur endgültigen Befreiung
  • Rückkehr zum Einen als Endziel
  • Keine lineare Heilsgeschichte

Christentum:

  • Lineare Heilsgeschichte mit Anfang und Ende
  • Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag
  • Ewiges Leben in Gemeinschaft mit Gott
  • Vollendung in der Civitas Dei

Augustins Bewertung

Übereinstimmungen:

  • Platoniker kommen der Wahrheit näher als andere Philosophen
  • Beide lehren die Unsterblichkeit der Seele
  • Beide betonen die Bedeutung der Erkenntnis Gottes
  • Beide sehen das Geistige als höher als das Materielle

Entscheidende Unterschiede:

  • Platoniker erkennen zwar Gott, aber nicht den Weg zu ihm
  • Ihnen fehlt die Demut und Anerkennung der eigenen Schwäche
  • Sie übersehen die Notwendigkeit der Gnade
  • Christus als Mittler ist ihnen unbekannt

Augustins Fazit: Die Platoniker sind den Christen in der Gotteserkenntnis am nächsten, aber sie verfehlen den Weg der Erlösung, weil sie die Menschwerdung Gottes und die Notwendigkeit der Gnade nicht verstehen.

Vortrag: Das Kontinuum zwischen Cessationismus und Kontinuismus

David Jany in einem Bibelseminar über die beiden unterschiedlichen Ansätze, das gegenwärtige übernatürliche Wirken des Heiligen Geistes einzuordnen. Eine ausführliche eigene Einschätzung der Frage habe ich innerhalb dieser Buchbesprechung gegeben.

  1. Cessationismus („Aufhören“):
    • Übernatürliche Offenbarungsgaben hätten nach der Zeit der Apostel aufgehört.
    • Ein häufig genanntes Bibel-Argument (beispielhaft): 1 Kor 13,8-12. Das „Vollkommene“ wird als abgeschlossener neutestamentlicher Kanon gedeutet; wenn er vorhanden ist, seien Teil-Offenbarungen überflüssig.
    • Weitere Begründungen:
      • Historische Beobachtung eines deutlichen Rückgangs der besonderen Gaben nach der Apostelzeit (Tertullian, Augustinus).
      • Missbrauch durch frühkirchliche Sekten, die sich auf neue Propheten stützten.
    • Vertreter: John MacArthur („Strange Fire“); Zwingli, Bullinger, Calvin (nuanciert); Luther (vorsichtig, betont Wort & Sakrament)
  2. Kontinuationismus („Weiterführen“):
    • Alle biblischen Gaben können prinzipiell bis heute geschenkt werden.
    • Innerhalb dieser Linie gibt es ein Spektrum von „offen aber vorsichtig“ bis zu stark charismatischen Positionen.
    • Vertreter in der Mitte: John Stott (open but cautious), Timothy Keller (ca. 80 % cessationistisch, 20 % offen)
    • Deutlich continuationistisch: D. A. Carson, John Piper, Wayne Grudem, viele Freie Evangelische Gemeinden.

Kritische Würdigung des 1 Kor 13-Arguments durch den Referenten:

  • Exegetisch wahrscheinlicher sei, dass das „Vollkommene“ die eschatologische Vollendung bei der Wiederkunft Christi meint („von Angesicht zu Angesicht“ – V. 12), nicht den Bibelkanon.
  • Deshalb könne 1 Kor 13 nicht zwingend für ein Aufhören der Gaben herangezogen werden.

Eigene Position des Referenten: „Offenheit in gelassenem Vertrauen“ – mit allen Gaben rechnen, ohne sie erzwingen zu wollen; Zeiten starker und schwacher Manifestation liegen in Gottes Souveränität.

Gemeinsame Überzeugungen beider Lager:

  • Der Heilige Geist ist unverzichtbar.
  • Er schenkt Gaben (wenn auch unterschiedlich gewichtet).
  • Göttliche Heilung bleibt grundsätzlich möglich.
  • Liebe rangiert über allem.

Acht praktische Prinzipien zum Umgang mit dem Heiligen Geist:

  1. Eine scharfe Trennung zwischen „geistlich“ und „menschlich“ ist weder möglich noch nötig; der Geist wirkt durch unser ganzes Menschsein.
  2. Überall mit dem Geist rechnen, aber alles prüfen (vgl. 1 Joh 4,1).
  3. Sichtbare Gaben signalisieren nicht geistliche Reife; die Frucht des Geistes hingegen schon.
  4. Unterschätze nicht das mächtige Wirken des Geistes in normalen Gemeindeelementen (Predigt, Gebet, Abendmahl, gemeinsamem Singen).
  5. Wo der Geist wirkt, wird Jesus und sein Evangelium zentral; Menschen werden zur Bibel geführt.
  6. Der Geist handelt nicht nur in spektakulären Momenten, sondern auch im Alltäglichen.
  7. Er wirkt sowohl in Erfolgen als auch in scheinbaren Niederlagen – Gott bleibt souverän.
  8. Die Gabe des Geistes ist nie nur für mich, sondern zum Dienen an der Gemeinde; die Vielfalt der Gaben zeigt unsere gegenseitige Abhängigkeit (vgl. 1 Kor 12,7).

Buchhinweis: Das Leben der berühmten Kinderbuchautorin Bindschedler

Judith Burdorfer stellt in ihrer Biografie “Ida Bindschedler. Leben, Wirken und Werk der Turnachkinder-Autorin” die berühmte Kinderbuchautorin vor. Kürzlich habe ich ihr Spätwerk “Die Leuenhofer” auf die Ethik ausgewertet.

Familie und Kindheit (1854-1873)

  • Ida wurde am 6. Juli 1854 im Haus zum Gewölb am Zürcher Weinplatz geboren
  • Eltern: Friedrich Rudolf Bindschedler (1819-1892), Baumwollkaufmann, und Anna Elisabetha geb. Tauber (1831-1890) aus Fürth/Bayern
  • Geschwister: Emma (1852-1900), Johan Rudolf (1855-1907), Pauline (1856-1933), Maria Elisabeth (1860-1912), Arnold Wilhelm (1864-1925)
  • Der Vater war in der Textilbranche tätig, betrieb Baumwollgarnhandlung und -spinnerei mit 40 Spindeln
  • Die Familie verbrachte die Sommermonate in der “Solitude” am See, einem Sommerdomizil
  • Idas glückliche Kindheit wird später in den Jugendbüchern “Die Turnachkinder im Sommer” und “Die Turnachkinder im Winter” verarbeitet

Ausbildung zur Lehrerin (1873-1875)

  • 1873 reiste Ida zur Ausbildung an die private Einwohner-Mädchenschule in Bern
  • Ihr wichtigster Lehrer war Joseph Viktor Widmann, der Pädagogik, Psychologie, deutsche Sprache und Literatur unterrichtete
  • Im April 1873 bestand sie das zürcherische Staatsexamen für Lehrerinnen
  • Die Schule setzte sich seit 1836 zum Ziel, “die Jugend zu freiem Menschentum zu erziehen, befreit von den Fesseln der Standes- und Glaubensunterschiede”

Erste Lehrertätigkeiten (1873-1879)

  • Ab Mai 1873 wirkte sie als Primar- und Sekundarlehrerin an der neu eröffneten privaten Mädchenschule von Fräulein Neta Hatemer in Zürich
  • 1875 verließ sie die Tobler-Schule, um sich am Lehrerseminar in Küsnacht auf das Staatsexamen vorzubereiten
  • Anschließend unterrichtete sie als Primarlehrerin in Dietikon (2 Jahre) und ein Jahr in Hirslanden
  • Der Wechsel von der privaten Mädchenschule zur öffentlichen Landschule war eine große Herausforderung

Auslandsaufenthalte (1879-1881)

  • 1879 reiste die 25-jährige Ida nach Paris, um ihre Französischkenntnisse zu perfektionieren
  • Sie finanzierte ihren Lebensunterhalt durch Unterricht in einem Pensionat und als Privatlehrerin in vornehmen Häusern
  • In Paris besuchte sie Sonntagskonzerte von Jules Pasdeloup im Cirque Napoléon und erlebte Wagner-Aufführungen
  • Nach 18 Monaten in Paris verbrachte sie ein halbes Jahr in England als Lehrerin in einem gehobenen Pensionat

Rückkehr und Hauptlehrertätigkeit (1881-1897)

  • 1881 kehrte sie nach Zürich zurück und bestand das französische Fachexamen
  • Sie kehrte zur Tobler-Schule zurück, die inzwischen rund 100 Schülerinnen zählte
  • 1885 erhielt sie eine Anstellung als Fachlehrerin für Französisch, Zeichnen und Turnen an der Mädchensekundarschule in Zürich
  • 1892 wurde die Tobler-Schule an die Wetli-Schwestern verkauft, Ida blieb aber als Lehrerin
  • 1897 musste sie ihre Lehrtätigkeit wegen eines Herzleidens aufgeben und zog nach Augsburg zu ihrer Freundin Emma von Wachter

Schriftstellerisches Wirken (1891-1919)

  • 1891 erschien ihr erster Artikel “Streiflichter über die heutige Literatur für junge Mädchen” in der Zeitschrift “Die Philanthropin”
  • In diesem Artikel kritisierte sie scharf die oberflächliche und realitätsfremde Mädchenliteratur ihrer Zeit
  • Sie bemängelte, dass Autorinnen wie Clementine Heim und Clara Cron junge Mädchen zu einem vergnügungssüchtigen und ungebildeten Verhalten ermutigten

Die Turnachkinder-Bücher

  • 1906 erschien “Die Turnachkinder im Sommer” – ein autobiografisches Erinnerungswerk, das zum Bestseller wurde
  • 1909 folgte “Die Turnachkinder im Winter” als Fortsetzung
  • Beide Bücher wurden von Joseph Viktor Widmann begeistert rezensiert und als klassische Jugendliteratur gelobt
  • Die Bücher schildern das ungetrübte Kinderleben ohne moralisierende Tendenz, aber mit heimlicher Lenkung zu Gutem und Schönem
  • Schauplatz des Sommerbuchs ist die “Solitude”, während das Winterbuch in Zürich spielt

Letztes Werk und Tod

  • 1919 erschien posthum ihr drittes Jugendbuch “Die Leuenhofer”, das die Jugendzeit in der Schule schildert
  • Das Buch verarbeitet ihre Erinnerungen als Lehrerin in Dietikon und Hirslanden
  • In der Nacht des 28. Juni 1919 starb Ida Bindschedler während eines Urlaubsaufenthalts in Zürich
  • Am gleichen Tag wurde in Versailles der Versailler Vertrag unterzeichnet und der Erste Weltkrieg offiziell beendet

Aufsatz: Ist strategische Planung ungeistlich?

Michael Goheen verweist im Aufsatz Theology in a Missional Mode: Harvie Conn’s Contribution auf wichtige Grundsätze des Theologie-Treibens nach Harvie Conn (1933-1999):

Vier Grundmerkmale jedes glaubensgetreuen Theologisierens” (faithful theologizing) nach Conn

  • Biblisch: Theologie muss sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal von der heilsgeschichtlichen Erzählstruktur der Schrift leiten lassen.
  • Formativ: Ihr Erfolg bemisst sich an der geistlichen Transformation und Missions-Motivation der Gemeinde, nicht an intellektueller Eleganz allein.
  • Kontextuell: Sie entsteht stets in einer konkreten geschichtlichen Situation und spricht genau dorthin; „zeitlose“ Systeme ignorieren diesen Standortfaktor.
  • Missionarisch: Jede Lehre hat den Auftrag „unter den Nationen“ vor Augen und prüft, wie sie Gottes sending people zu öffentlichem Zeugnis ausrüstet.

Die sechs detaillierten Kriterien für „Faithful Theologizing“

  • Biblisch-theologisch: Theologie folgt dem fortschreitenden Offenbarungsbogen (Schöpfung – Christus – Weltmission – Vollendung) und erkennt, dass das NT selbst kontextualisiert (Paulus als Modell).
  • Bundesbezogen: Gottes Wort ist ein persönlicher Bundesruf; Wahrheit ist daher relational und fordert sofortige Glaubens- und Lebensantwort, statt nur theoretische Zustimmung.
  • Kultur­spezifisch: In jeder Kultur sind Schöpfungsstrukturen (gut) und idolat­rische Richtungen (böse) verflochten; Theologie muss beide differenziert diagnostizieren.
  • Konfessionell: Bekenntnisse sind situative Missionsdokumente; ihre Aufgabe liegt darin, Evangelium für den Moment öffentlich zu bezeugen – nicht darin, ewige Lehrgerüste zu liefern.
  • Kommunal: Theologisieren geschieht im Dialog der ganzen weltweiten Kirche; speziell nicht-westliche Stimmen sowie die Armen und Randständigen müssen vollwertige Partner sein, um Parochialität aufzubrechen.
  • Prophetisch: Eine „Hermeneutik des Verdachts“ deckt verborgene Ideologien eigener Kontexte auf und formuliert zugleich hoffnungsvolle Gegen-Erzählungen des Evangeliums.

Conn wendet dies im Aufsatz Strategische Planung in der urbanen Mission: Biblische Grundlagen und praktische Implikationen in Planting and Growing Urban Churches: From Dream to Reality (Teil II) auf die Frage an, ob strategische Planung biblisch sei.

I. Grundlagen der Strategieplanung

Definition und Zweck

  • Strategiedefinition: “Eine Strategie ist ein Gesamtansatz, Plan oder eine Art der Beschreibung, wie wir unser Ziel erreichen oder unser Problem lösen werden” (Edward Dayton und David Fraser).
  • Rohstoffverarbeitung: Strategie nimmt das Rohmaterial der Forschung und gibt ihm Zweck und Richtung.
  • Praktische Anwendung: Strategieplanung betrachtet eine schrumpfende Gemeinde in einem Philadelphia-Stadtteil, der sich von der afroamerikanischen Mittelschicht zur afroamerikanischen Unterschicht gewandelt hat.
  • Grundsatzfragen: Sie fragt: “Passt die Gemeinde in ihrer Dienstphilosophie und ihrem Gottesdienststil noch? Was muss bleiben? Was muss gehen?”
  • Neue Situationen: Strategieplanung betrachtet ein slumartiges Viertel ohne Gemeinden in Bangkok und fragt: “Wie fangen wir an?”

Spannung zwischen Planung und geistlicher Führung

  • Einwand gegen Planung: Ist es wahr, dass “wenn du versäumst zu planen, du planst zu versagen”? Was ist mit unserem Herrn Gebot bezüglich der Nach-Auferstehungs-Mission der Gemeinde zu den Heiden?
  • Geistliche Spontaneität: In der Ermutigung, uns nicht zu sorgen, was wir sagen sollen, versicherte er uns: “Der Heilige Geist wird euch zu jener Zeit lehren, was ihr sagen sollt” (Lk 12,12).
  • Sorge vs. Planung: Können wir das als eine Anklage gegen Strategieplanung lesen, einen Ruf zu geheiligter Nicht-Planung? Aber Sorge ist nicht dasselbe wie Planung.
  • Klugheit gefordert: Die Weisheit des Geistes, die unser christliches Zeugnis in entscheidenden Kampfmomenten leitet, hebt Christi Mandat nicht auf, in diesen Begegnungen “klug wie Schlangen” zu sein (Mt 10,16).
  • Kluge vs. törichte Jungfrauen: Klugheit ist die Trennlinie zwischen törichten Jungfrauen, die nicht planen, und klugen, die es tun (Mt 25,2).

II. Theologische Grundlagen der Strategieplanung

Gott als Planer

  • Ewige Erwählung: Von aller Ewigkeit hat er in erwählender Gnade geplant, eine Vielzahl von Menschen durch das Opfer seines Sohnes zu retten (Eph 1,4-5.11).
  • Souveräne Freiheit: In der Freiheit seiner souveränen Gnade und dem allmächtigen Recht dieser Freiheit (Röm 9,14-26) zeigt er seine rettende Liebe.
  • Ewiger Ratschluss: “Nach seinem ewigen Vorsatz, den er in Christus Jesus, unserem Herrn, ausgeführt hat” (Eph 3,11).
  • Prädestination: Es gibt eine Priorität von Gottes Ratschluss und Plan (Röm 8,29-30; Eph 2,10), die Heilige auch als “die Erwählten” kennzeichnet (Kol 3,12; Tit 1,1).

Gottes Planung im Alten Testament

  • Stiftshütte: Dieselbe göttliche Strategie plant für die Wüstenstiftshütte (2. Mose 25-40), für die ordnungsgemäße Ausübung kultischer Anbetung.
  • Rechtssystem: Für ein Rechtssystem der Gerechtigkeit und Gnade, das die israelitische Gesellschaft auszeichnet.
  • Unterscheidung: Gottes Plan unterscheidet Israel von der Götzenanbetung und Boshaftigkeit benachbarter Stadtstaaten.
  • Handwerker: Obwohl ihre Fähigkeiten von Gott gegeben sind (2. Mose 35,30-34), werden Bezalel und Oholiab dafür gelobt, dass sie sie bereitwillig beim Bau der Stiftshütte anbieten.

Menschliche Verantwortung in der Planung

  • Gottes Ebenbilder: Als Gottes Ebenbilder und nicht Computer sind wir berufen, diese göttliche Strategie in unserer Planung zu spiegeln.
  • Stellvertretende Herrschaft: Die Verantwortung, königliche Vize-Regenten und Vertreter Gottes zu sein (1. Mose 1,27-28), wird nicht durch göttliche Souveränität negiert, sondern unterstrichen.
  • Paradoxe Parallelität: In einer Parallelität, die niemand ergründen kann, sind wir “geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken”, aber “guten Werken, die Gott im Voraus für uns bereitet hat” (Eph 2,10).
  • Säen und Ernten: Derselbe Gott, der Wachstum gibt, erwartet auch, dass einer den Samen pflanzen und ein anderer ihn gießen muss (1. Kor 3,6).

Grenzen menschlicher Planung

  • Kreatürliche Beschränkungen: Die Grenzen unserer Geschöpflichkeit und die Kurzsichtigkeit der Sünde können Strategieplanung fehlleiten.
  • Gottes Segen notwendig: Gott muss noch segnen, was der menschliche städtische Wachsamkeit erkennen kann oder nicht (Ps 127,1).
  • Geistliche Umleitung: Wohlgemeinte Strategien für urbane Evangelisation benötigen manchmal Umleitung durch den Geist (Apg 16,6-7).
  • Falsche Richtungen: Planung kann sehr in die falsche Richtung gehen, fehlgeformt durch gierigen Ehrgeiz (Josua 7) oder fehlplatzierte Furcht (4. Mose 13,31-33).

Buchhinweis: Ein Klassiker der konservativen Bildungskritik im 20. Jahrhundert

Alan Blooms Bestseller “Closing of the American Mind: How Higher Education Has Failed Democracy and Impoverished the Souls of Today’s Students” (1987) ist erstaunlich aktuell. Bloom beschreibt bereits in der Einleitung die Verbindung zwischen ethischem Relativismus, einer diffusen “Offenheit” und einem selbstwidersprüchlichen Widerwillen gegen Ethnozentrismus.

Das Problem des Relativismus bei Studenten

Universeller Relativismus:

  • Fast jeder Student, der an die Universität kommt, glaubt oder behauptet zu glauben, dass Wahrheit relativ ist.
  • Diese Überzeugung wird als selbstverständlich betrachtet wie die Gleichung 2 + 2 = 4.
  • Die Studenten sind in ihrem Hintergrund so vielfältig wie Amerika sie hervorbringen kann – religiös oder atheistisch, links oder rechts, arm oder reich.
  • Sie sind nur in ihrem Relativismus und ihrer Treue zur Gleichheit vereint.

Relativismus als moralisches Postulat:

  • Die Relativität der Wahrheit ist für sie kein theoretischer Einblick, sondern ein moralisches Postulat – die Bedingung einer freien Gesellschaft.
  • Sie wurden früh mit diesem Denkrahmen ausgestattet, der den modernen Ersatz für die unveräußerlichen Naturrechte darstellt.
  • Wenn herausgefordert, reagieren sie mit einer Mischung aus Unglauben und Empörung: “Sind Sie ein Absolutist?”
  • Die Gefahr, vor der sie gelehrt wurden sich zu fürchten, ist nicht der Irrtum, sondern die Intoleranz.

Offenheit als zentrale Bildungstugend

Offenheit als einzige Tugend:

  • Relativismus ist notwendig für Offenheit, und dies ist die Tugend, die einzige Tugend, der sich die Grundbildung seit mehr als fünfzig Jahren widmet.
  • Offenheit ist die große Erkenntnis unserer Zeit angesichts verschiedener Wahrheitsansprüche und Lebensweisen.
  • Der wahre Gläubige wird als die eigentliche Gefahr betrachtet.
  • Das Studium der Geschichte und Kultur lehrt, dass die ganze Welt in der Vergangenheit verrückt war.

Bildungsziel der Offenheit:

  • Der Zweck ihrer Bildung ist nicht, sie zu Gelehrten zu machen, sondern ihnen eine moralische Tugend zu verleihen – Offenheit.
  • Die Studenten können ihre Meinung nicht verteidigen – es ist etwas, womit sie indoktriniert wurden.
  • Sie können nur auf all die verschiedenen Meinungen und Kulturen hinweisen, die es gibt und gab.

Kulturrelativismus und Bildungspraxis

Überwindung von Vorurteilen:

  • Geschichte und Sozialwissenschaften werden verwendet, um Vorurteile zu überwinden.
  • Man soll nicht ethnozentrisch sein – ein Begriff aus der Anthropologie.
  • Die Absicht ist, Studenten bewusst zu machen, dass ihre Präferenzen nur Zufälle ihrer Zeit und ihres Ortes sind.

Non-Western Culture Kurse:

  • Eine der Techniken, junge Menschen zu öffnen, ist die Forderung nach einem College-Kurs in einer nicht-westlichen Kultur.
  • Der Punkt ist, Studenten zu zwingen anzuerkennen, dass es andere Denkweisen gibt und westliche Wege nicht besser sind.
  • Es geht wieder nicht um den Inhalt, sondern um die zu ziehende Lehre.

Das Paradox des Ethnozentrismus

Universeller Ethnozentrismus:

  • Wenn Studenten wirklich etwas über nicht-westliche Kulturen lernen würden, würden sie feststellen, dass jede einzelne ethnozentrisch ist.
  • Alle denken, ihr Weg sei der beste, und alle anderen seien unterlegen.
  • Nur in den westlichen Nationen gibt es die Bereitschaft, die Identifikation des Guten mit dem eigenen Weg zu bezweifeln.

Widerspruch der Offenheitslehre:

  • Was man tatsächlich macht, ist, ein westliches Vorurteil anzuwenden und die Beweise anderer Kulturen zu verformen.
  • Die wissenschaftliche Untersuchung anderer Kulturen ist fast ausschließlich ein westliches Phänomen.
  • Die Professoren der Offenheit behaupten unbewusst die Überlegenheit ihres wissenschaftlichen Verständnisses.

Zwei Arten der Offenheit

Offenheit der Gleichgültigkeit versus Offenheit der Erkenntnis:

  • Es gibt zwei Arten von Offenheit: die Offenheit der Gleichgültigkeit und die Offenheit, die zur Suche nach Wissen und Gewissheit einlädt.
  • Die erste Art wird gefördert, um unseren intellektuellen Stolz zu demütigen und uns zu erlauben, alles zu sein, was wir sein wollen.
  • Die zweite Art ermutigt das Verlangen, das jeden ernsthaften Studenten animiert: “Ich will wissen, was für mich gut ist, was mich glücklich macht.”

Offenheit als Kapitulation:

  • Offenheit, wie sie derzeit verstanden wird, ist ein Weg, die Kapitulation vor dem Mächtigsten oder die Verehrung des vulgären Erfolgs prinzipiell aussehen zu lassen.
  • Wahre Offenheit bedeutet Verschlossenheit gegenüber all den Reizen, die uns mit der Gegenwart zufrieden machen.

Buchhinweis: Tolkiens tief verankerter Katholizismus

Holly Ordway legt in Tolkien’s Faith: A Spiritual Biography eindrücklich dar, wie der (katholische) Glaube Tolkiens Werk speist. Hier einige Argumente (Kapitel 1):

  • Selbstbezeichnung und religiöse Selbstverständlichkeit
    • Tolkien betont in Briefen und Interviews mehrfach seine Identität als Christ – u. a. mit Formulierungen wie „I am in any case myself a Christian“ und „I am a Christian (which can be deduced from my stories)“.
    • Er stellt klar, dass seine Schöpfung, „Der Herr der Ringe“, kein bewusst als allegorische Predigt entworfener Text ist, sondern in seinem Wesen und in der Symbolik untrennbar von seinem christlichen (insbesondere römisch-katholischen) Glauben geprägt wurde.
    • Das religiöse Element ist dabei nicht als oberflächliche Beigabe zu verstehen, sondern als in die Struktur und den Gehalt der Erzählung „eingewoben“ und grundlegend – ein natürliches und selbstverständliches Resultat seiner Erziehung und persönlichen Glaubenserfahrung.
  • Integration von Glaube und Kunst
    • Tolkien sieht seine literarische Tätigkeit nicht als von Religion getrennte Aktivität, sondern als untrennbar mit dem Glauben verbunden: Er beschreibt den kreativen Schaffensprozess als etwas, das „untrennbar“ mit seinem Glauben zusammenhängt.
    • Die künstlerische Darstellung in seinen Werken dient zugleich der „Elucidation of truth“ und der Förderung von guten moralischen Werten im realen Leben – wenn auch in einer Form, die nicht auf drängende Predigten hinausläuft.
    • Trotz der Kritik, dass seine Aussagen manchmal priggish (übertrieben moralisch) wirken könnten, bleibt sein Ziel, durch die Darstellung in einer fremden, mythischen Umgebung die Wahrheit und die guten Tugenden in den Alltag „nach Hause zu bringen“.
  • Lebenslange, tief verwurzelte christliche Überzeugung
    • Sein Glaube an Jesus Christus und seine Identifikation als römisch-katholischer Christ durchziehen sein gesamtes Leben und wirken sich auf seine weltanschaulichen und künstlerischen Entscheidungen aus.
    • Verschiedene persönliche Zeugnisse – von seiner Tochter Priscilla, seinem Sohn John, seinem Neffen Julian, seinen Enkeln und engen Freunden sowie von Geistlichen wie Fr. Martin D’Arcy – unterstreichen, dass sein Glaube allumfassend war und „seinen ganzen Denk- und Lebensstil“ prägte.
    • Auch wenn Tolkien manchmal angab, in bestimmten Lebensphasen (zum Beispiel während eines längeren Abschnitts als Student) „fast aufgehört“ zu haben, seinen Glauben aktiv zu praktizieren, so blieb die spirituelle Dimension stets ein zentraler Bestandteil seines Selbstverständnisses.
  • Ungeplante, aber wesentliche geistliche Prägung
    • Er betont, dass die religiösen Aspekte seines Werkes nicht das Ergebnis einer geplanten Allegorie sind, sondern vielmehr aus der tiefen Verwurzelung in seiner eigenen, von Kindheit an genährten katholischen Spiritualität resultieren.
    • Seine Aussagen machen deutlich, dass er nicht versucht hat, die christliche Lehre explizit zu belehren oder zu beleben, sondern dass sich diese Werte und Wahrheiten organisch in den Erzählungen widerspiegeln.

Ich kann zudem die Studie Tolkien Dogmatics: Theology Through Mythology With the Maker of Middle-Earth empfehlen.