Kolumne: Wie antworte ich auf die Anfragen des Lebens?

Die meiste Zeit gehen wir durch unser Leben mit der Frage: Was bietet es uns? Diese Frage ist mit der Haltung verbunden: Wir sind die Herren dieses Planeten. Die Umstände haben sich unseren Vorstellungen zu beugen. Die Bewegung des "positiven Denkens" hat dies zugespitzt und behauptet, dass sich die Wirklichkeit letztlich unseren Ansprüchen an sie beuge. Abgesehen davon, dass manche von der Denkvoraussetzung ausgehen, dass es Wirklichkeit in einem Objekt-bezogenen Sinn gar nicht gebe, sondern nur unsere Wahrnehmung derselben (oder nach der Manier von Kant dass wir aktiv Kategorienbildung betreiben), hat sich darum als Anspruchshaltung eingenistet. Das zieht über kurz oder lange eine Ent-Täuschung nach sich. Sie kündigt sich mit Langeweile an, geht über in Unzufriedenheit und entlädt sich beispielsweise in einer Stimmungstrübung unterschiedlicher Tiefe. Wir fassen sie dann im Wort "Depression" oder "depressive Stimmung" zusammen. Das heisst in diesem Zusammenhang, dass das, was uns widerfährt, unseren Vorstellungen zuwiderläuft.

Die Frage ist jedoch weniger, was ich vom Leben erwartet, als vielmehr, wie ich auf die Anfragen des Lebens antworte. Wenn ich dies so formuliere, gebrauche ich die Vokabeln des agnostischen Menschen. Also von einer Person, die gedanklich die Option eines persönlich-unendlichen Gottes offenlässt und sie im Lebensvollzug doch schon beantwortet hat. Nämlich dass sie selbst Herr und Meister ihres Lebens ist. Wenn es denn einen Gott geben sollte, dann habe er keinen Einfluss auf ihre Entscheidungsgestaltung. Autonomie bedeutet Entscheidungshoheit. Der Mensch ist sich selbst Gesetz und verantwortet die letzten Fragen vor dem Thron der eigenen Vernunft bzw. den eigenen Emotionen.

In meiner Arbeit mit Führungskräften arbeite ich oftmals von vier Seiten her, um Klarheit für die nächsten Schritte zu erhalten. Wer von einem offenen Universum mit einem persönlich-unendlichen Gott ausgeht, fügt hinzu: Diese vier Faktoren sind alle unter der Kontrolle des souveränen, allmächtigen Gottes. Was wir widerfährt, fällt mir von Ihm her zu.

  1. Prägende Situationen der Vergangenheit: Welche Ereignisse kommen mir sofort in den Sinn? Was habe ich durch sie verändert? Weshalb prägen sie meine Gedanken? Wie lenken sie mich bei meinen Entscheidungen?
  2. Die innere Stimme bzw. der Scheinwerfer nach innen: Was beschäftigt mich? Welche inneren Zwiegespräche führe ich? Mit welchen Erwartungen an mich selbst ringe ich? Von welchen äusseren Erwartungen fühle ich mich bedrängt? Welche Ängste trage ich mit mir herum? Wann tauchen sie auf und weshalb?
  3. Die Rückmeldung anderer Personen: Welche Reaktionen und Rückmeldungen anderer Leute hallen in mir wider? Was ist es konkret, was mir nicht mehr aus dem Kopf geht? Inwiefern trifft es zu? Wo möchte ich möglicherweise nicht, dass es zutrifft? Was freut, was schmerzt?
  4. Die Vorboten zukünftiger Ereignisse: Welche neuen Herausforderungen tauchen am Horizont auf? Was bewirkt es bei mir? Inwiefern werfen sie Licht auf ungehobenes Potenzial und Wachstumszonen? Was könnte mich Gott dadurch lehren?