Interview: Unser Leben als Grossfamilie

Vor einiger Zeit habe ich dem Timotheus-Magazin (Ausgabe 3/2016, Nr. 24) ein Interview gegeben. Ich äusserte mich darin zum Leben als Grossfamilie. Da ich immer wieder Fragen dazu erhalte, hier ein Auszug aus dem Interview.

Auf deinem Blog hast du mehrfach den Lebensstil und die Einstellung vieler junger christlicher Männer stark kritisiert. Wo siehst du das Hauptproblem und was würdest du jungen Männern im Glauben heute raten?

Tatsächlich erlebe ich viele junge Männer als passiv und ohne echte Lebensaufgabe. Das heißt, sie lassen sich von ihren Begehrlichkeiten treiben (Sport, Essen, Autos, Spiele). Die Zeit verrinnt sehr schnell. Das Erste und Wichtigste, was ich raten kann: Tue mit 20 das, was du eigentlich für 40 geplant hättest. Das heißt: Investiere deine große Kraft in den Jugendjahren in die Ausbildung und in das Studium von Gottes Wort. Bitte um eine gottesfürchtige Frau. Wenn dir Gott eine Frau schenkt, halte um ihre Hand an. Heirate und übernimm Verantwortung im eigenen Haus und zunehmend auch in der Gemeinde.

Das klingt sehr gut. Was hältst du von Männern und Frauen, die sich entschließen keine Familie zu gründen. Laut Paulus ist es ja auch ein absolut biblischer Weg.

Sehr wichtig, dass du dies ansprichst. Das ist eine sehr löbliche Entscheidung! Alleinstehende haben es doppelt schwierig. Von der Gesellschaft lastet ein großer Druck auf ihnen, auf nichts zu verzichten. Dabei wäre ja genau das der Weg, den Paulus beschreibt. Viele Singles verstricken sich in vielerlei Beschäftigungen. Dazu kommt, dass die Gemeinden ihre Aktivitäten auf die Familie ausrichten. Singles sollten unbedingt integriert werden!

Ja, ich denke auch, dass gerade wir Christen diesen Weg auch gutheißen und unterstützen sollten, da er plausibel und biblisch ist. Auf deinem Blog hast du einen Beitrag verfasst, in dem du auflistest, worauf du alles bewusst verzichtest, um deine Vorstellung eines biblischen Familienlebens zu realisieren. Könntest du für unsere Leser beschreiben, was du anders machst als die »gewöhnliche« Familie?

Wir haben uns bei der Familiengründung entschieden, auf verschiedene Dinge zu verzichten. Dazu gehören das Eigenheim, das Auto und der Fernseher. Wir haben uns noch mehr Raum geschafft: Wir verzichten auf Ausgang, Kino und Urlaube im herkömmlichen Sinn. Auch für die Beschaffung von Lebensmitteln und Kleider haben wir uns genau überlegt, wie wir vorgehen. Nachträglich entdeckte ich, dass wir zu einer wachsenden Gruppe von städtisch geprägten Menschen gehören, die einen »Minimal Lifestyle« pflegen. Dadurch entsteht viel Raum, um als Familie Zeit zu verbringen. Wenn mich Menschen fragen, wie ich drei Stunden täglich lesen kann, antworte ich: »Ein Schweizer schaut zwei bis drei Stunden pro Tag fern. Ersetze diese Zeit mit Lesen.« Vor einigen Monaten (Ende 2015) haben wir uns überlegt, wie wir unsere Wohnung entschlacken können. Also haben wir Sofa, Tisch und einige andere Dinge abholen lassen. Das gab Raum für neue Ideen.

Wie schaffst du es angesichts dieser Tatsache die Harmonie zu wahren. Deine Söhne haben nicht rebelliert?

Hier muss ich unbedingt meine Frau ins Spiel bringen. Sie ergänzt mich hervorragend. Sie ist Köchin und Bäckerin, Lehrerin, Gärtnerin und noch vieles mehr. Sie schafft es immer wieder, zwischen den verschiedenen Anliegen zu vermitteln und mit ganz wenig Mitteln Wohnlichkeit und Behaglichkeit herzustellen. In Sprüche 31 könnte man ihren Namen einsetzen. Als ich das Buch von Edith Schaeffer »The Hidden Art of Homemaking« las, erinnerte mich das stark an meine Frau.

Ein sehr großes Privileg eine solche Frau zu haben. Wann hast du begonnen, diesen Lebensstil zu leben? Oder habt ihr euch von Anfang an entschlossen so zu leben?

Ich bin in einer Familie groß geworden, in der das Handwerkliche hoch geschrieben wurde. Diese Talente fehlten mir schon als Kind. Ich habe diese Einschränkungen nach einer Lebenskrise mit 30 Jahren akzeptiert und Gott um Wegweisung gebeten. Kurze Zeit später las ich die »Ethik« von Thomas Schirrmacher und begann mich für den Heimunterricht zu interessieren. Auf diesem Weg entdeckte ich viele spannende Berichte und Bücher, vor allem »Um unserer Kinder willen« von Susan Schaeffer Macauley (Tochter von Francis Schaeffer). Ich war begeistert und begann die Ideen schrittweise umzusetzen. Unser Lebensstil ist übrigens ein genialer Anknüpfungspunkt für Gespräche mit Nichtchristen.

Noch eine ganz praktische Frage. Wenn ihr euch als Familie spontan entschließt z.B. einen Ausflug oder Wanderung zu machen: Wie macht ihr das dann? Ohne Auto? Das ist doch kaum machbar, oder?

Es geht besser als in Deutschland, weil die Verbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut ausgebaut sind. Wir haben unsere Wohnlage von diesem Aspekt her überdacht. Zudem haben wir schon viele tolle Erfahrungen gemacht. Zwei sollen erwähnt sein: Wenn wir verreisen, lassen wir alles zu Hause, was wir nicht tragen können. Ein Bauer bringt das Gepäck auf die Alp, wir gehen zu Fuß hoch. Man überlegt sich dann auch genau, wann man ins Tal geht, um einzukaufen (schmunzelt). Eine Posthalterin in einem Bergdorf fuhr uns schon in dunkler Nacht zur Seilbahn, wo wir dann bei minus 20 Grad beim Häuschen ankamen. Ich schleppte mit letzter Kraft unser Baby im knietiefen Schnee hoch.

Da erlebt man sicher einiges. Würdest du einen solchen Lebensstil allen christlichen Familien empfehlen? Und wie geht man mit Kritik und »Druck« von außen an diesem Lebensstil um?

Wir haben wirklich schon viel erlebt. Wenn man zu Fuß geht, lernt man manche Flecken Erde kennen, an denen man sonst nie vorbeigekommen wäre. Und man trifft Menschen, die man sonst nie angetroffen hätte. Tatsächlich gilt es einige Kritik einzustecken, ganz ehrlich vor allem von »frommer« Seite. Zudem sind die eigenen (Herkunfts-)Familien besorgt. Sie können sich kaum vorstellen, wie befreiend ein solcher Lebensstil ist. Uns half anfangs vor allem der Kontakt zu anderen Großfamilien. Ich bin großer Fan von »Shadowing« – den Alltag von anderen Menschen zu erleben und daraus zu lernen. Einige Unternehmer, denen ich berufshalber begegnet bin, waren begeistert von meinen Schilderungen. Heute kennen wir ganz unterschiedliche Menschen wie z. B. Selbstversorger, Diakonissen und Bauern, die uns immer wieder ermutigen.

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