Unterricht zu Hause (1): Wie es damals bei uns angefangen hat

Aus aktuellem Anlass, der Projektwoche von Bildung zu Hause Schweiz im Appenzeller Land, schreibe ich eine kleine Serie zum Thema „Home Education“ (eine gescheitere, deutsche Variante habe ich bislang noch nicht gefunden; ich spreche darum wechselweise von „Privatunterricht“ – betont die individualisierte Art des Lernens – und  von „Heimschule“ – das Zuhause ist Dreh- und Angelpunkt des gemeinsamen Lernens, nicht aber etwa exklusiver Aufenthaltsort, siehe Roam-Schooling).

Wir werden immer wieder gefragt, wie wir angefangen haben. Also ein paar Worte dazu. Vor fünf Jahren las ich erste Berichte über die Bildungsalternative in der Ethik von Thomas Schirrmacher (hier) und in seiner Informationsbroschüre (hier). Ich stimmte ihm zu: Die Festschreibung einer Schul- statt einer Bildungspflicht ist ein Skandal. Ich begann erste Kontakte zu Familien in der Schweiz herzustellen.  Beim ersten Kontakt bekam ich den Hinweis auf Charlotte Mason und auf das Buch, das die Tochter von Francis Schaeffer, Susan Schaeffer Macauley, über ihr Bildungskonzept geschrieben hatte (hier auf deutsch zu beziehen). Es war in den Sportferien vor über vier Jahren, da habe ich im Kopf umgestellt. Was bedeutete das? 

Ich realisierte, dass Lernen überall und jederzeit stattfindet; dass wir Eltern die primäre Verantwortung auch für das Lernen unserer Kinder tragen und das Zuhause wesentlich über die (Charakter-)Bildung unserer Kinder entscheidet; dass die Kinder bereits im zarten Alter durch die Bindungslücke zu den Eltern stark durch ihre Peer Group beeinflusst und geprägt werden (hier); dass die Schule, die ich noch eine Generation früher erlebt hatte, nicht mehr die Schule von heute ist. Es wurde mir zudem bewusst, dass mir eine Familienvision fehlte.  Ich sprach mit meiner Frau darüber, welche Werte wir in unserem Zuhause leben und wie wir uns unsere Kinder als Erwachsene dachten, z. B. selbständig (anstelle von abhängig und angepasst), begeistert (anstelle von gelangweilt), interessiert (statt abgelöscht), in einem gesunden Mass risikofreudig (statt übervorsichtig oder unvernünftig).

So begann ich also noch während dem Sporturlaub, Bücher bewusst vorzulesen und diese nacherzählen zu lassen (Serie Lesen in der Familie). Ich weiss noch, wie die Kinder mit Begeisterung Bilder zur Geschichte von Ruth aus der Bibel malten. Die narrative Methode (hier) haben wir bis heute beibehalten. Sie ist Teil unserer Familienkultur geworden: Erzählen, nacherzählen, darüber zeichnen, schreiben, Theater spielen und diskutieren. Fahrten wurden so zu Bildungsgelegenheiten: Es wurde gerechnet, buchstabiert, geschätzt; wir sahen uns Bäume, Pflanzen, Häuser, Dörfer und Menschen genauer an. Wir begannen mit wildfremden Leuten Gespräche, um etwas über ihr Leben zu erfahren. Dass wir unser Leben ohne Auto gestalteten, gewann so einen ganz neuen Reiz. Unser Ältester war damals im ersten Kindergartenjahr.  Lernen war für mich definitiv nicht mehr an eine Institution gebunden.