Modell (5): Das Leid von kognitiv begabten Kindern

Metaebene: Mein Zugang zur Erziehung

Es gibt grob gesagt zwei Zugänge zur Frage der Erziehung. Die einen gehen deduktiv von einem bestimmten Denksystem aus. Das heisst, sie legen der Beobachtung der Aussenrealität einen Raster zugrunde. Berühmt geworden sind beispielsweise Sigmund Freud (u. a. Betonung des Unterbewussten und des sexuellen Triebs) oder A. Adler (Betonung des Einflusses der Gemeinschaft). Diese Schulen unterscheiden sich von den induktiv gesteuerten, evidenzbasierten Ansätzen, die zurzeit hoch im Kurs stehen. In der Realität basieren idealistische und empiristische Schulen beide auf der Interpretation von ausgewählten beobachteten Wahrnehmungen. Als Christ sehe ich die beiden Ansätze als einander ergänzend an. Sie werden korrigiert durch die Sicht der biblischen Offenbarung. Der Mensch steht permanent in Gefahr, die biblische Offenbarung durch die momentan populären Modelle zu beurteilen (anstatt umgekehrt).

Biblische Grundlage der Erziehung

Ich führe hier wichtige Grundlagen auf, die ich aus der biblischen Offenbarung ableite:

  1. Eltern sind für ihre Kinder funktionale Vorgesetzte. Sie erhalten die von Gott verliehene Autorität, ihre Kinder „im Herrn“ aufzuziehen (fünftes Gebot, von Paulus in Epheser 6,1-3 für die Familie bestätigt). Diese Autorität erstreckt sich auf die körperliche und geistliche Versorgung (5. Mose 6).
  2. Eltern sind wie ihre Kinder Gott als ihrem Schöpfer untergeordnet. Das heisst, sie stehen beide direkt vor ihm. Für beide Seiten gilt: Sie sind im Ebenbild Gottes geschaffen, in Sünde gefallen und werden, wenn Gott es in seiner Gnade wirkt, zu neuem Leben erweckt.
  3. Die Familie ist die erste göttliche Institution, aus der sämtliche andere Institutionen (Arbeit, Kirche, Staat) hervorgehen (siehe Gen 2,24). Selbstbeherrschung ist die erste Form der Herrschaft und die Familie das erste Trainingsfeld hierfür (vgl. Gen 4).
  4. Denken und Handeln sind eine von Gott geschaffene, untrennbare Einheit. Die Erneuerung des Denkens (Röm 12,2) geht aus dem Auftrag hervor, Gott mit ganzem Verstand zu lieben. Gleichzeitig ist die Trennung von Glaube (statisch, innerlich) und restlichem Leben (dynamisch, öffentlich) ein Widerspruch in sich selbst.
  5. Gott ist, wie es im Apostolischen Glaubensbekenntnis steht, zuerst der allmächtige Schöpfer. Das heisst, auch die Erlösten leben in der Welt ihres Vaters. Es gibt keinen Bereich, der nicht seiner Herrschaft unterstellt wäre. Daraus folgt: Es gibt auch keinen Bereich, der von der Wiederherstellung der Schädigung durch die Sünde ausgeschlossen wäre.
  6. Das Evangelium ist keine Schwellenbotschaft im Sinne eines Eintrittstickets oder "ABC", sondern wird im Neuen Testament als ein Weg beschrieben. Es ist also "A-Z" des Glaubens (vgl. Gal 2,14; Kol 1,6).
  7. Gott ist Urbild des Vaters (Eph 3,15). Die didaktischen Fragestellungen sind zentrales Mittel seiner Erziehung. Wo bist? Wer hat dir das gesagt? Warum hast du das getan? Warum bist du wütend? sind tiefgehende Fragen, die er den ersten Menschen gestellt hat (Gen 3+4). Ich stelle mir diese Fragen zuerst selbst und dann auch den Kindern.
  8. Ich gehe von folgender Metastruktur des christlichen Glaubens aus: Elend, Erlösung, Dankbarkeit (siehe dieser Aufsatz). Daraus leite ich die drei Grundschritte für die Intervention ab: Warum ist es nicht so, wie es sein sollte (Sünde als Entfremdung von Gott, sich selbst, anderen Menschen und der übrigen Natur)? Woher können wir Hilfe bekommen (nur von Christus her)? Wie können wir im neuen Leben Schritte tun (Heiligung als Aufbau von Geist-gewirkten guten Gewohnheiten)?
  9. Im ersten Schritt (Elend erkennen) stellen wir Verstand, Wille und Gefühle in Gottes Licht und bitten um das Wirken seines Geistes. Bevor wir dies beim Kind tun, sind wir selbst gefragt, weil wir auch Sünder sind. Dabei vertrauen wir auf Gottes souveränes Handeln und knüpfen an der Situation (an dem, was sich gerade zeigt) an.
  10. Auch wenn die Umgebung und die anderen Menschen von der Sünde ebenfalls betroffen sind, betrachte ich das Herz als Schnittstelle für unser Denken, Reden und Handeln (Mk 7,20-23; Lk 6,45). Was von aussen an einen Menschen herangetragen wird (Umstände), sind nicht ursächlich für die Sünde. Es geht um unser Herz. Wir neigen dazu, die Umstände dafür schuldig zu  machen.
  11. Unser Herz ist eine Götzenfabrik, das heisst wir tendieren permanent dazu (Eltern und Kinder), etwas anderes als Gott an die erste Stelle zu setzen, zum Beispiel Bequemlichkeit oder Egoismus.
  12. Das Bekenntnis ist die Schlüsselstelle nach dem Erkennen von Sünde. Gott fordert uns auf unsere Sünde bereuen. Wir bitten darum, sie darüber hinaus zu hassen, sie zu verabscheuen und von ihr zu lassen. Das Bekenntnis ist die Bankrotterklärung vor Gott und das Inanspruchnehmen seiner Gerechtigkeit. Wir geben damit auch unsere Selbstrechtfertigung auf.
  13. Gute Früchte sind Anzeichen für das neue Leben und das Wachsen in der Heiligung an. So lange die Kinder unter der Obhut der Eltern stehen – ich sehe die Familie als Bundesgemeinschaft vor Gott -, werden sie als diesem Bund zugehörig betrachtet. Mit dem Erwachsenwerden bestätigen sie das Bekenntnis der Eltern oder wenden sich bewusst davon ab.