Zitat der Woche: Man soll uns nicht auch noch die ständige Besäufnis nehmen

Siebzig Jahre lang folgten wir der blindgeborenen, missratenen marxistisch-leninistischen Utopie, verloren ein Drittel unserer Bevölkerung, sei es im Schlund eines stümperhaft und selbstzerstörerisch geführten ‘Vaterländischen Krieges’, sei es auf dem Richtblock. Wir verschleuderten unseren einstigen Überfluss, vernichteten die Bauernklasse und ihre Dörfer. Wir wussten nicht mehr, was es heisst, Brot zu geben, gewöhnten der Erde ab, Frucht hervorzubringen, verwandelten sie in künstliche Meere und Sümpfe. Wir verpesteten die Flüsse, Seen und Fisch mit Instustrieabfällen. Wir verdarben das letzte Wasser, die Luft, den Boden mit den Dreingaben des Atomtodes, denn wir übernhamen zur Lagerung Atommüll aus dem Westen. Während wir uns für die künftigen gigantischen Eroberungen einer wahnsinnigen Führung zugrunde richteten, holzten wir räuberisch unsere Wälder ab, zerstörten ihre unvergleichlichen Schätze – das nicht wiederherzustellende Erbe unserer Enkel. Gnadenlos haben wir alles ins Ausland verkauft. Wir haben unsere Frauen durch körperliche Schwerstarbeit erschöpft, haben sie ihren Kindern entrissen, die Kinder der Barbarei, der Krankheit und einer falschen Erziehung ausgesetzt. Unsere Gesundheit ist vollständig zerrüttet, und es gibt keine Arzneien. Wir haben schon längst vergessen, wie man sich gesund ernährt. Millionen Menschen sind obdachlos, eine völige Rechtlosigkeit hat das Land ganz und gar überflutet, und wir klammern uns nur an eins: Man soll uns nicht auch noch die ständige Besäufnis nehmen.

Alexander Solschenizyn. Russlands Weg aus der Krise. Ein Manifest. Piper: München/Zürich, 1990. (7)