Philosophieren des Sokrates ist kein theoretischer Denkprozess, sondern wird gleichgesetzt mit Mahnen und Erziehen. Es ist ein hoher Ernst um den befehlenden Gott, also um das gehorchende Ich, um die Erklärbarkeit und demgemäss auf Erziehbarkeit. …
Daraus folgt, dass des Sokrates Tun als Erziehender in seiner gesamten Art als Gottgerichtetheit, demnach als religiös in seinem Kern gesehen werden muss. Ja, noch ein Schritt weiter und unabhängig von Sokrates: Wenn der Gott befiehlt, dann ist alle Lehre als Unterricht und Erziehung ihrer Natur nach religiös, oder sie ist in irgendeinem Sinn verfälscht: Sophistisch-gesellschaftlich-opportunistisch-zweckhaft-egoistisch-bzw. staatspolitisch.
… Sokrates wollte, dass das Gute herrsche! Und wer dafür sorgt, muss selbst nicht nur gut sein, sondern der Beste. Dann herrscht er im Dienste des Guten und beherrscht sich selbst. Enthaltsamkeit und Beherrschung meint Sokrates mit dem Terminus Askese. Wer sie nicht besitzt, wird beherrscht. … Seelsorge fordert Askese, Selbstverleugnung, definierten Egoismus, in seinen zu rechtfertigenden Grenzen gesehen. … Dienen und Herrschen koinzidieren hier. Darin definiert sich der Mensch als Erzieher, welches Amt und welchen Beruf er auch habe.
Aus: Karl Gerhard Pöppel. Problemgeschichte der Pädagogik. Georg Olms Verlag: Hildesheim/Zürich/New York 2005. (27-29)
Zu dieser Werte-Ethik der Pädagogik ist aus Sicht christlicher Weltanschauung wichtig:
- Grundsätzliche Zustimmung zur Werteethik (siehe Post “Die Konsequenzen einer relativen Ethik”)
- Aber: Die Sünde hat uns entstellt (siehe Post “Aus dem Gebet eines Gottessuchers”)
- Und: Erst die Erlösung und die neue Identität in Christus befähigt zu guten Werken (siehe Post “Indikativ, dann Imperativ”)
- Dann: Selbstbeherrschung ist eine Frucht von Gottes Geist. “Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung.” (Galater 5,22)