Facebook ist nicht unsere Heimat

Nina Pauer über die durchlässigen (sozialen) Netze:

Seit wir … eine Kopie von uns online gestellt haben, kann man uns auf jeder Landkarte finden. Viele andere Inselstaaten haben das auch getan. Auch sie sind sichtbar geworden. Mit ihnen haben wir uns in kürzester Zeit zusammengetan. Und ergeben nun alle zusammen ein riesiges, schwimmendes Land auf dem Ozean. … Und obwohl Facebook natürlich irre praktisch ist und wir dort immer jemanden finden, der mit uns spricht oder der WG-Zimmer, Jobs oder Konzertkarten zu verscherbeln hat – dieses Land ist nicht unsere Heimat. … Netzwerke können durchlässig sein. Wir wissen, dass es wahr ist: Dass uns all diese mit uns verbundenen Menschen, die uns da umgeben, denen wir gerade etwas bedeuten und die uns heute wichtig sind, ebenso schnell vergessen könnten, wie sie uns kennengelernt haben. Dass wir für sie ebenso sympathisch wie austauschbar sind. Dass wir, wenn wir die Stadt wechseln müssten, keine gemeinsamen Bekannten oder coole Jobs mehr hätten, wir bei ihnen womöglich wieder weg vom Fenster wären. Dass, wenn es einmal brenzlig würde und wir einmal ernsthaft Hilfe oder Beistand bräuchten, uns ziemlich wahrscheinlich keiner von diesen Leuten zur Seite stehen würde. Ziemlich wahrscheinlich würden sie uns sogar einskalt  den Rücken zuwenden. Genau so wie wir ihnen.

Nina Pauer. Wir haben keine Angst. Fischer: Frankfurt 2011. (118-119)