Mit der ständigen Erreichbarkeit ins kognitive Aus

Mit dem Hyper-Multitasking an Tönen, Buchstaben, Stimmen, Gesichtern und Zahlen, die wir ständig zur Verarbeitung auf sie einpreschen lassen, katapultieren wir unsere Synapsen regelmässig ins kognitive Aus. Und auch dann noch ist es uns leider unmöglich, auf das kopfschmerzig-herzrasige Überforderungsgefühl, mit dem unser Hirn zu streiken versucht, einzugehen. Denn wir haben die Stille verlernt. Und sind süchtig nach Geräusch geworden.

Schuld daran sind nur wir selber. Denn wir waren es ja selbst, die allen verraten haben, dass wir, wenn einmal kein grünes Häkchen neben unserem Namen aufblinkt, nur so tun, als wären wir nicht da, und während wir auf ‘unsichtbar’ oder ‘abwesend’ gestellt sind, eigentlich genau so wie immer die ganze Zeit mit der Nase am Bildschirm kleben. Wir waren es selbst, die allen gesagt haben, dass wir unser Handy wirklich immer in der Hosentasche tragen. Und wir waren es selbst, die sogar blöd genug waren, auch noch das allerletzte Refugium, das uns wenigstens für einige Stunden oder Tage eine Pause vor uns selbst geben wollte, zu zerstören. Vermutlich haben wir einfach nicht nachgedacht, als wir glaubten, dass es sich schon nicht so schnell herumsprechen würde, wenn wir trotz aktivierter Abwesenheitsnotiz wie immer sofort auf unsere Mails antworteten.

Vielleicht sollten wir wegen alledem eine Selbsthilfegruppe gründen. In der wir uns dann gegenseitig beibringen könnten, wie man sich selbst ausschaltet. In der man lernt, wie man die Tabs , die man gerade erst geschlossen hat, weil man plötzlich merkte, wie unsinnig es ist, alle paar Sekunden sämtliche Accounts zu checken, nicht automatisch direkt danach gleich doch wieder zu öffnen.

Nina Pauer. Wir haben keine Angst. Fischer: Frankfurt 2011. (131-132)