Buchbesprechung: Wenn die Freude nicht mehr da ist

John Piper. Wenn die Freude nicht mehr da ist. CLV: Bielefeld, 2006. 256 Seiten. Kostenloser Dowload.

Vorbemerkung: Ich empfehle, zuerst das Buch “Sehnsucht nach Gott – Leben als christlicher Geniesser” oder zumindest die Kurzfassung „Von der Pflicht zur Freude“ (kostenloser Download hier) zu lesen.

Warum hat Piper dieses Buch geschrieben?

„Gott wird auf die Art und Weise, wie wir ihn erfahren, verherrlicht, nicht nur auf die Art und Weise, wie wir über ihn denken. … Es gibt nichts, was die Richtung der tiefen Winde der Seele so zeigt wie das Verlangen nach radikaler Freude an Gott, die die Sünde zerstört und Christus verherrlicht.“ (28) Wer das verstanden hat, möchte von diesem Verlangen ergriffen werden. Doch wie kann das geschehen?

Diese Frage wurde oft an Piper herangetragen. Die „am häufigsten und am dringendsten gestellte Frage der letzten drei Jahrzehnte die folgende: Was kann ich tun? Wie kann ich die Person werden, die ich nach den Worten der Bibel sein soll? Die Frage kommt von einem Brennen im Herzen, das durch die Hoffnung großer Freude entfacht wird. Menschen hören meine biblischen Argumente für christlichen Hedonismus, oder sie lesen mein Buch Sehnsucht nach Gott. Viele sind davon überzeugt. Sie sehen, dass die Wahrheit, die Schönheit und der Wert Gottes am besten aus denjenigen Heiligen strahlt, die so sehr in Gott Zufriedenheit finden, dass sie für die Sache der Liebe leiden können, ohne zu murren. Aber dann sagen sie: »Ich bin nicht so. Mir fehlt diese befreiende Befriedigung in Gott, die Liebe produziert und Risiken eingeht. Ich habe ein größeres Verlangen nach Bequemlichkeit und Sicherheit als nach Gott.« Viele sagen es mit Tränen und Zittern.“ (13)

Das Ziel des Buches

„Geistliches Verlangen und geistliche Freude sind keine Gebrauchsgegenstände, die gekauft werden können. Sie sind keine Objekte, die angefasst werden können. Sie sind Ereignisse in der Seele. Sie sind Erfahrungen des Herzens. Sie haben Verbindungen und Ursachen, die in hundert Richtungen zu finden sind. Sie sind mit dem Körper und dem Gehirn verflochten, aber nicht auf das Physische oder das Geistige begrenzt.“ (17) Es geht um den Kampf für dieses Verlangen!

Piper ist gerade so deutlich, wenn er beschreibt, um was es nicht geht: „In diesem Buch möchte ich am meisten dem Missverständnis aus dem Wege gehen, dass ich schreiben würde, damit wohlhabende westliche Christen es bequem haben, als ob die Freude, an die ich denke, das psychologische »Tüpfelchen auf dem i« eines schon oberflächlichen Christentums sei. Daher sage ich gleich zu Beginn deutlich, dass ich schreibe, um eine Freude zu erwecken, die die tragende Kraft der Barmherzigkeit, der Mission und des Märtyrertods ist.“ (17) „Einer der Gründe, warum heutzutage in der Gemeinde der westlichen Welt unsere Freude so dünn und zerbrechlich ist, ist der, dass diese Wahrheit so wenig verstanden wird – die Wahrheit, dass das ewige Leben nur durch einen standhaften Kampf um die Freude des Glaubens ergriffen wird.“  (35)

Zum Aufbau des Buches

Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, soll sich Titel und Untertitel vornehmen. Es lohnt sich, in ein, zwei Stunden das Buch quer zu lesen, um sich nachher mit den Details auseinander zu setzen.

Wer eine süffige, schnörkellose Leserführung erwartet hat, wird enttäuscht. Das Buch ist voll von Bibelversen, die man lesen und nochmals lesen muss – weil man sie in diesem Kontext noch nie gesehen hat. Ein Gedanke hängt sich an den anderen; manchmal gibt es umfangreiche Aufzählungen, die sich über Seiten hinziehen. Erst wer Piper schon live oder an einem Vortrag erlebt oder sich durch seine Bücher an seine Gangart gewöhnt hat, wird richtig folgen können. (Ich kann mich gut erinnern, wie ich beim ersten Buch selber irritiert war.)

Die Pflicht zur Freude liegt ausserhalb unserer Kraft

Die erste grosse Erkenntnis des Buches liegt in der Spannung, das Piper im ersten Teil des Buches beschreibt.

Christus ist nicht unser Schatz, wenn wir ihn nicht schätzen. Und etwas schätzen heißt, froh zu sein, es zu haben. Daher beinhaltet der rettende Glaube nichts weniger, als froh zu sein, Jesus selbst zu haben als den, der er ist. (34)

Die meisten Kämpfe sind nicht gut, weil sie stolze Versuche sind, unsere eigene Stärke auf Kosten anderer Menschen unter Beweis zu stellen. (36)

Der Kampf um Freude selbst ist eine Gabe Gottes. Mit anderen Worten: Gott arbeitet in uns, um uns das Kämpfen zu ermöglichen. (38)

Wenn der Segen auf sich warten lässt, dann vertrauen wir der Weisheit der zeitlichen Abstimmung des Vaters und warten. (41)

Einer der Gründe, warum Menschen leugnen, dass Freude an Gott entscheidend ist, ist der, dass sie intuitiv wissen, dass diese Freude außerhalb ihrer Kraft liegt, und dass sie meinen, dass etwas außerhalb ihrer Kraft nicht verlangt werden kann. (45)

Wir müssen uns an Gott erfreuen. Und nur Gott kann unsere Herzen verändern, damit wir uns an Gott erfreuen können. (51)

Drei Bereiche für geistliches Wachstum

Im zweiten Teil beschreibt Piper drei zentrale Bereiche unseres Kampfes um Freude: Die Beschäftigung mit Gottes Wort, der Umgang mit Gott im Gebet und das Erkennen von Gottes Schönheit durch die physische Welt. Für alle drei Bereiche nehme ich wichtige Anregungen mit.

Ein vertiefter Zugang zu Gottes Wort

Der Hauptgrund für die besondere Wichtigkeit des Wortes Gottes in Bezug auf unsere Freude an Gott ist der, dass Gott sich selbst hauptsächlich durch sein Wort offenbart. (93)

Nicht nur der erste Glaubensschritt kommt durch das Hören, sondern auch alle weiteren Glaubensschritte kommen durch das Hören. (97)

Viele Sachen in unserem Leben kommen nicht zustande, weil wir einfach versäumen, sie zu planen. … Das Ergebnis ist nicht Spontaneität, sondern der immer gleiche Alltagstrott. (113)

Einen Tag zu beginnen, ohne eine ernste Begegnung mit Gott in seinem Wort und im Gebet zu haben, ist, wie wenn man einen Kampf beginnt, ohne sich um die eigenen Waffen zu kümmern. (114)

Es ist unbedingt notwendig, dass wir regelmäßig und fortlaufend die Schrift durchlesen – und nicht hier und da ein Kapitel aussuchen. Sonst bleiben wir geistliche Zwerge. (116)

Machen Sie sich mit von der Bibel erfüllten Menschen vertraut, sowohl mit lebenden als auch mit verstorbenen. (128)

(D)as Wort Gottes ist dazu gedacht, ein gemeinschaftlicher Schatz und ein gemeinschaftliches Ereignis zu sein. (128)

(Luther) Bedrängnisse "waren genauso Teil seiner Exegese wie sein griechisches Wörterbuch." (133)

Tägliches Gebet

Das Gebet um Freude ist nicht das emotionale Verwöhnen freudloser Menschen. Es ist Vorbereitung für Opfer. (140)

Gebet ist unsere Antwort an Gott im Vertrauen auf seinen Geist; und Nachsinnen ist unsere Antwort an Gott im Vertrauen auf sein Wort. (148)

Gebet ohne Nachsinnen über dem Wort Gottes wird in humanistische Spiritualität zerfallen. (148)

Fast täglich bete ich früh am Morgen, dass Gott mir ein Verlangen nach ihm und nach seinem Wort geben möge, weil dieses Verlangen in mir fehlt oder schwach ist. (150)

Ich habe mich oft gefragt, warum Christen Häuser bauen mit speziellen Räumen wie Spielzimmer, Küche, Schlafzimmer, Bad und Toilette, aber keinen Raum für die Abgeschiedenheit des Gebets und des Nachsinnens. (161)

(O)ft, nachdem ich viele gedankliche Abschweifungen in den ersten zehn, fünfzehn oder sogar dreißig Minuten erlitten habe, begann ich erst danach, wirklich zu beten. (164)

(D)ie meisten von uns neigen dazu, in den Thronsaal des Himmels zu poltern – wie in einen Baumarkt mit einer defekten Rohrleitung… (168)

Die physische Welt

Gebet und Nachsinnen über das Wort Gottes dienen dazu, "Freude an Christus zu erwecken, damit sie eine heilende, stärkende Auswirkung auf den Körper" haben. Das hätte zur Folge, "dass wir die physische Welt benutzen, inklusive unseres eigenen Körpers, damit nach den Gesetzen der Schöpfung Gottes die Freude an Christus intensiver und beständiger wird." (178)

Die Empfindung des Vergnügens läuft den Strahl der Großzügigkeit Gottes hoch, bis es an der Güte von Gott selbst zum Stehen kommt. (186)

Offensichtlich haben Menschen eine merkwürdige Krankheit, die die gewöhnlichen Herrlichkeiten jedes Tages fast unsichtbar macht – auf jeden Fall weniger interessant als deren Nachahmungen im Kino und im Fernsehen. Es gibt mehr Ohs und Ahs für die visuellen Effekte einer 10 Meter breiten Kinoleinwand als für den Nachthimmel oder den Sonnenuntergang. (194)

Mein Ziel ist es, dass Sie eine Lebensweise finden, die es Ihnen ermöglicht, Ihren Verstand und Ihre fünf Sinne als wirksame Partner zu gebrauchen, um die Herrlichkeit Gottes zu sehen, und dass Sie so sehr in ihm Zufriedenheit finden, dass Sie bereit sind, Ihre Gesundheit und Ihr Leben zu riskieren, um ihn bekannt zu machen. (203)

Fazit

Piper beginnt das Buch mit einem Gebet zu dem, der allein die wahre Freude schenken kann. „Die Heiligen der Vergangenheit haben deshalb nicht nur nach Freude gestrebt, sondern auch darum gebetet: »Erfreue uns so viele Tage, wie du uns gebeugt hast« (Psalm 90,15). In der Schönheit Gottes Zufriedenheit zu finden, ist etwas, was für sündige Menschen nicht einfach so geschieht. Denn von Natur aus haben wir mehr Freude an den Gaben Gottes als an ihm selbst. Daher ruft dieses Buch zu einer tiefen und radikalen Veränderung auf – etwas, was nur Gott geben kann.“ Gott hat das Lesen dieses Buch gesegnet. Es riss mich aus meiner Bequemlichkeit und richtet meinen Blick auf die Quelle der wahren Freude.

Ich habe eine neue Initiative zum Auswendiglernen von Bibelversen gestartet. Piper: "Ich bin 58 Jahre alt, während ich diese Zeilen schreibe, und ich investiere immer noch sehr viel Zeit, um die Schrift auswendig zu lernen, aber es ist jetzt viel schwieriger, als es früher war. Ich muss viel mehr wiederholen, um die Worte diesem alternden Gehirn." (117) Die "Foundation Verses" des Programms "Fighter Verses" geben eine exzellente Auswahl vor.

Ich tendiere mich zu beklagen, dass meine emotionalen Reserven für Not leidende Menschen  meiner Umgebung nicht ausreichen. "Sie sind dazu berufen, geistliche Reserven zu haben, die dauerhaft und fruchtbar und nahrhaft sein können, wenn andere Menschen unordentlich und kleinmütig und schwach und gemein sind." (156) Mein Nachsinnen über Gottes Wort und mein Gebetsleben werden meine Grenzen erweitern.

Und was gilt für dunkle Zeiten? "Heilige, die zum Herrn für Befreiung aus Gruben der Dunkelheit schreien, müssen lernen, beharrlich auf den Herrn zu warten." (215) So dürfen wir für alle Zeiten gerüstet sein. Gerne nehme ich Abschied von dieser Lebenshaltung: "Wir werden nicht für eine große Sache motiviert, sondern denken immer daran, wie wir unsere Freizeit maximal ausdehnen und dem Druck ausweichen können." (226)