Systematische Theologie für die Familienandacht (7): Gott regiert sein Volk durch sein Wort

… die Schriften, … welche die Kraft haben, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet. (2. Timotheus 3,14-17)

Die Aussage von Paulus an Timotheus macht deutlich, dass Gott durch sein Wort sein Volk regiert. Das heisst, er ist durch sein Wort anwesend und greift in das Leben von Menschen ein. Wir betrachten die Bibel mehr als erbaulichen "Zusatz", der unsere Beziehung zu Gott nach Lust und Laune bereichern soll. Diese Vorstellung ist jedoch eher die des "selbständigen Konsumenten", welcher sein kleines Universum regiert und über die Produkte und Dienstleistungen entscheidet. Das Wort Gottes hinterlässt eine durchschlagende Wirkung. Zuerst macht es den Menschen weise. Damit ist nicht einfach gemeint, dass er sein Leben besser gestalten kann. Es macht ihn weise "zur Errettung". Das heisst, Gott hat sein Wort dafür bestimmt, dass es Menschen zur Errettung führt. Wir haben bereits gesehen, dass dies nur durch die überführende Kraft des Heiligen Geistes überhaupt möglich wird. Wenn ein Mensch von neuem geboren wird, geht das Werk von Gottes Wort weiter. Es rüstet den Menschen zu, indem es belehrt und korrigiert. Der Mensch, der Gott gehört, wird zu einem brauchbaren Werkzeug zubereitet. Es ist erstaunlich, wie weit dies geht. Paulus braucht dafür eine dreifache Verstärkung. Der Mensch Gottes wird "völlig" zugerüstet, zu "jedem guten Werk völlig bereit". 

Der christliche Glaube ist in unseren Ländern in einer Minderheitsposition. Nur etwa 2-3 % der Menschen bekennen, dass die Bibel oberste Autorität für ihr Denken und Handeln darstellt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die anderen Menschen keine Autorität über sich anerkennen würden. Grob gesagt gibt es zwei grosse Alternativen: Die säkulare Religion, welche den einzelnen Menschen zur Ersatzgottheit erhoben hat. Daneben gibt es, oft bedingt durch Einwanderung aus anderen Ländern, Menschen, die sich zum Islam bekennen. Wir überlegen, wodurch beide Gruppen sich regieren lassen. 

Die säkularen Menschen haben vordergründig keine Autorität. Sie sind sich selbst letzter Massstab. Sieht man genauer hin, dann bemerkt man, dass sie nicht um eine übergeordnete Autorität herumkommen. Nehmen wir an, dass die Interessen zweier Menschen kollidieren. Das geschieht zum Beispiel, wenn ein Paar im Streit liegt und sich scheiden lässt. Beide Partner haben Interessen. Oder ein Arbeitnehmer meldet Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber an. In diesem Fall entscheidet eine äussere Autorität massgeblich über seinen weiteren Lebensverlauf. Gerät der Fall vor Gericht, wird nach den Gesetzen eines Landes entschieden. Diese wiederum beziehen sich auf Beschlüsse, die entweder der Mehrheit des Volkes entsprechen und durch Abstimmung entschieden worden sind (bei einer direkten Demokratie); viel häufiger sind sie das Produkt von sogenannten Experten, die Verordnungen ausgerarbeitet haben. Das heisst, der vermeintlich "freie" Mensch muss sich dieser Experten- oder Mehrheitsmeinung beugen. Dies ist der Fall, wenn die Gesetze korrekt angewendet werden und beide Seiten mit gleich langen Spiessen antreten können. Das wiederum basiert auf dem biblischen Prinzip, dass jeder Mensch vor Gericht die gleichen Rechte besitzt. Zum Glück greifen die Gerichte hierzulande immer noch auf dieses christliche Prinzip zurück. Manchmal kommt es jedoch vor, dass diejenige Seite entscheidet, die über mehr Macht und Einfluss bzw. finanzielle Mittel verfügt. Je weiter sich eine Gesellschaft von Gott und seinen Gesetzen entfernt, desto häufiger entscheidet am Schluss der Stärkere über den Schwächeren.

Welche Autorität erkennt ein Muslim über sich an? Die Suren des Korans stellen den Rahmen dar, wobei diese Autorität durch drei Instanzen konkretisiert werden: Zuerst gibt es die Hadithen, welche die Äusserungen Mohammeds im täglichen Leben zusammenfassen. Dabei spielt eine wichtige Rolle, welche Aussagen bei widersprüchlichen Aufforderungen Mohammeds die neueren sind (sog. Abrogationsprinzip). Aus diesen beiden Quellen sind die Rechtssammlungen gespeist, die durch zahlreiche Fatwas (Entscheide von Geistlichen) über die Jahre ausgesprochen worden sind. Da kaum ein Muslim über diese drei Quellen informiert ist, greift er für die Entscheidungsfindung auf eine geistliche Autorität zurück. Das heisst, er fragt bei einem Gelehrten nach. Faktisch haben diese Gelehrten sehr viel Einfluss auf Entscheidungen. Dies hat sich in den letzten Jahren etwas verschoben, seit die Sammlungen über das Internet den einzelnen Gläubigen zugänglich sind. In der Regel ist jedoch eine jahrelange Einarbeitung notwendig, um Übersicht zu erhalten.

Wir sehen, dass kein Mensch ohne Autorität über sich auskommt. Der Christ erkennt die Autorität der biblischen Aussagen über sich an, wobei wir festgestellt haben, dass die wichtigen Aussagen so klar formuliert sind, dass sie ein Gläubiger verstehen kann. Die säkulare Religion, in der die meisten Menschen westlicher Länder aufwachsen, sehen im einzelnen Menschen die letzte Autorität. Das stimmt jedoch nur bedingt. Sie müssen sich oft Expertenmeinungen oder Gesetzen, in zunehmenden Mass auch dem Gesetz des Stärkeren unterordnen. Der Muslim unterstellt sich der Autorität der kundigen Gesetzesgelehrten, welche die Aussagen des Korans, geordnet nach Erscheinungszeitpunkt, und den Äusserungen Mohammeds zu Tausenden von Alltagssituationen, ergänzt um die Rechtsprechung von Jahrhunderten in aktuellen Entscheidungen bündeln und so ein kompliziertes Regelsystem für den Alltag geschaffen haben.