Ich such’ mir eine neue Kirche (9): Der Vier-bis-sechs-Wochen-Rhythmus

Eigentlich wollte ich die Serie beenden. Es gehen mir aber so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich trotzdem weiterfahre. Das Thema betrifft Form und Freiheit in der Kirche. Unter Form verstehe ich: All die Normen, die Gott in der Bibel in Befehlsform festgehalten hat. Unter Freiheit verstehe ich das übrige: Alles, was Gott nicht im Imperativ zu unserem Wohl angeordnet hat. Zudem ist wichtig: Eine Norm ist nur dann im “richtigen” Kontext, wenn sie den erlösten Menschen anspricht. Der vom Heiligen Geist wiedergeborene Mensch, seine neue Natur, hat Freude an seinen Geboten. Ansonsten ist es ein rein moralischer Appell und dient bei den einen dazu, die Verzweiflung zu vergrössern (ich schaffe das ja nicht) oder ihre Selbstgerechtigkeit zu untermauern (siehst du mal jener?). 

Also, nehmen wir uns mal eine solche Norm vor: Die Aufforderung, den Gottesdienst nicht zu versäumen. Was wird verpasst?

Lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen, und das umso mehr, als ihr seht, dass sich der Tag naht. (Hebräer 10,24-25)

Wie kann ich auf den anderen achthaben, wenn er oder sie sich entzieht? Wie kann ich ihm und er mir ein Anreiz zu guten Werken sein? Wie können wir uns ermahnen, wenn wir gar nie wissen, ob wir ihn oder sie sehen? Die Zeit schreitet fort – und der Gottesdienst wird immer wichtiger, also das Gegenteil unserer natürlichen Tendenz: Nachzulassen.

Jetzt mal ehrlich: Weshalb gehen viele (übertreibe ich?) nur noch alle vier – bis sechs Wochen in den Gottesdienst? (Achtung: Sage mir jetzt nicht, das sei gesetzlich. Das ist eine Ausflucht, denn Gott hat zu unserem Wohl eine andere Anordnung getroffen.) Ich habe mir überlegt, was ich alle vier bis sechs Wochen mache. Und es kam mir eine Gedanke, der mich schmunzeln liess: Alle vier bis sechs Wochen erledige ich nämlich meine Zahlungen. Jedes Mal muss ich mich dazu überwinden. Es kostet mich jedes Mal etwa zwei Stunden. Und ich bin jedes Mal froh, wenn ich die Angelegenheit hinter mir habe. (Ab und zu danke ich auch Gott, dass er mir das Geld geschenkt hat, meinen Verpflichtungen nachzukommen.) Geht es uns etwa ähnlich beim Gottesdienst? Ich muss es wieder mal hinter mich bringen? Oder ist das Ersatzangebot so gross? Weshalb schafften es die ersten Christen sich jeden Tag nach der (Sklaven-)Arbeit zu treffen? War es nur deshalb, weil sie keinen Fernseher hatten?

Nein, sicherlich nicht, denn es zog sie förmlich zu den Gottesdiensten. Sie hatten Sehnsucht Gottes Wort zu hören. Ich sehne mich nach einer Erweckung, ja, denn: Gott schickt uns dann die Sehnsucht, sein Wort zu hören. Und da ist: Reue, Erkenntnis, Bekenntnis, aber auch Trost, Freude, Anstoss und Anreiz. So stand ich auch heute Morgen mit leeren Händen vor meinem Gott “in der Versammlung”. Und ich realisierte: Heute ist Pfingsten. Gott hat seinen Heiligen Geist als Oberbefehlshaber über die Weltmission geschickt, um sein Werk – die Verkündigung der besten Botschaft, die es gibt – voranzutreiben und eines Tages zu vollenden. Bitte, schenke uns hier etwas von deinem Wind! Ich flehe darum.