Wenn wir trauern, geht es uns eigentlich meistens um eigenen Verlust. Ich erfuhr dies vor einigen Tagen am eigenen Leib, als ich eine Tasche im Zug liegen liess. Wir trauern um die verlorenen Minuten, den entgangenen Gewinn, die verpasste Chance. Jeremia sang ein Klagelied nicht für sich, sondern er trauerte über den Untergang seines eigenen Volkes. Er sah sich noch viel stärker als wir heute als Teil seiner Familie, seiner Sippe, seines Stammes und seines Volkes. Selber bestrebt um einen geradlinigen Lebensstil war er tief betroffen über das von Gott herbei geführte Gericht, dass das Kollektiv erreicht hatte.
Wie hat der Herr die Tochter Zion mit seinem Zorn überschüttet! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel auf die Erde geworfen; er hat nicht gedacht an seinen Fußschemel am Tage seines Zorns. Der Herr hat alle Wohnungen Jakobs ohne Erbarmen vertilgt, er hat die Burgen der Tochter Juda abgebrochen in seinem Grimm und geschleift. Er hat entweiht ihr Königreich und ihre Fürsten. Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen, er hat seine rechte Hand zurückgezogen, als der Feind kam, und hat in Jakob gewütet wie ein flammendes Feuer, das alles ringsum verzehrt. Er hat seinen Bogen gespannt wie ein Feind; seine rechte Hand hat er geführt wie ein Widersacher und hat alles getötet, was lieblich anzusehen war im Zelt der Tochter Zion, und hat seinen Grimm wie Feuer ausgeschüttet. Der Herr ist wie ein Feind geworden, er hat Israel vertilgt. Er hat zerstört alle Paläste und hat die Burgen vernichtet; er hat der Tochter Juda viel Jammer und Leid gebracht. (Klagelieder 2,1-5)
Wann habe ich das letzte Mal um meine Stadt, mein Land getrauert? Wann schmerzte mich das letzte Mal die Sünde in unseren Kirchen?
P. S. Gott wird hier übrigens als aktiv Handelnder und nicht als Zulassender beschrieben!