Das Ich, das sich als autonome Vernunft versteht, hat, wenn es einmal dies ein göttliches Wesen ‚entdeckt‘, keine Grenze; denn es hat kein Gegenüber. Darum muss ihm auch die Grenze zwischen sich und Gott zerfliessen. … Das Ich weiss sich dort nicht als geschaffen, darum auch nicht als in Verantwortung gebunden, also auch nicht als begrenzt. Es hat weder ein göttliches noch ein menschliches Gegenüber, es ist … das göttliche Ich. (107)
Gott erschafft uns in und zur Gemeinschaft mit anderen.
Der isolierte Einzelne ist eine Abstraktion der vom Wort Gottes losgelösten Vernunft. … Die Anderen sind in mein Wesen hineingewoben. Ich bin gar nicht Mensch ohne die Anderen. Ich bin nicht Ich ohne das Du. Wie ich nicht Mensch sein kann ohne die Gottesbeziehung, ohne das göttliche Du, so kann ich auch nicht Mensch sein ohne das menschliche Du. Und wenn alle Menschen auf der Erde stürben und ich bliebe einzig übrig: immer noch wäre mein Leben, in seiner robinsonhaften Verkrüppelung, sofern es noch ein menschliches ist, ein Du-bezogenes… (141)
Emil Brunner. Der Mensch im Widerspruch. Zwingli-Verlag: Stuttgart/Zürich 1965.