Aus der Netzwelt: Jahreslosung, gezählte Tage, das verlorene Zentrum, verlorenes Vertrauen, undifferenzierte Sprachmuster

Die Jahreslosung 2016 ist Jesaja 66,13 entnommen: "Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." Tobias Faix hat mit seinem Beitrag "Das Mutterherz Gottes: Quergedachtes" eine theologische Kontroverse ausgelöst. Ron Kubsch hat 30 Belegstellen exegetisch unter die Lupe genommen und eine Replik veröffentlicht. Ich bin überzeugt, dass es hier um mehr als um unterschiedliche "Denkstile" oder "Basismentalitäten" geht. Die Gotteslehre ist ein Zentralstück, an dem sich die Geister immer schieden und auch heute scheiden. Nur eine Bemerkung sei erlaubt: Es ist so wichtig, die Texte im Zusammenhang zu lesen. Es könnte kaum einen besseren Text als Jesaja 66 geben, um dies zu veranschaulichen. Man lese doch das ganze Kapitel: Trost- und Gerichtsbotschaft stehen direkt nebeneinander. Eine ohne die andere zu verkündigen, ist eine sträfliche Unterlassung!

"Die Welt" veröffentlichte einen Artikel unter dem Titel "Ihre Tage sind gezählt. Setzen Sie neue Prioritäten!" Alexander Rempel, Verleger und Blogger auf "nimm & lies", meint nachdenklich: "Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich noch unzählige Bücher lesen werde. Durchschnittlich lese ich etwa fünf Bücher im Jahr. Das heißt, ich werde nur noch gerade mal 300 Bücher lesen – vorausgesetzt ich habe das Glück, 90 Jahre alt zu werden. Aus allen-allen Büchern, die es gibt, muss ich mir 300 aussuchen. Die Bücher, die ich noch schaffe, sind ziemlich überschaubar."

Der indische Denker Vishal Mangalwadi schreibt in seinem Buch "Die offene Wunde des Islam: Antworten auf Hass und Zerstörung" (Vorbebestellung auf Amazon möglich): "The Postmodern West is a dying civilization because it has cut itself off from the spiritual source of its amazing success. It dishonors its Messiah and makes stars out of shallow celebrities, athletes . . . and even pornographers. Cut off from its spiritual heritage, the West is becoming a selfish society that so devalues motherhood as to endanger its elderly and even its own future. Its greed-driven capitalism uses elite media, financial institutions, and even the United Nations to militarily destabilized other nations for its own gain. This culture can no longer sustain its foundational nation-building principle of marriage defined as one-man-one-woman, exclusive and permanent. As the Muslim world sees it, the declining West has lost the supernatural foundational principle of marriage. Instead it glamorizes out-of-wedlock 'sexual freedom' protects infertile homosexual marriages and aborts its children."

Deutschland ist tief gespalten über der Flüchtlingsfrage. Die FAZ schreibt unter dem Titel "Das verlorene Vertrauen": "Viele Migranten bringen nicht nur ein anderes Rechtsverständnis mit, sondern auch ein anderes Bild von der Frau. Wenn es die Politik ernst meint mit der Beteuerung, dass unsere Werte und Gesetze anerkannt werden müssen, dann darf nicht toleriert werden, wenn Männer sich aus Glaubensgründen weigern, einer Frau die Hand zu geben oder Essen von ihr in Empfang zu nehmen. Mann darf sich auch nicht weigern, von Ärztinnen behandelt zu werden. So ein Verhalten ist frauenfeindlich, es diskriminiert die Hälfte der Menschheit. Wo sind die Feministinnen geblieben, die dagegen kämpfen?"

In "The European" werden in "Homosexuelle Neujahrswünsche" einige wichtige öffentliche Anliegen thematisiert, u. a. nach sprachlicher Differenzierung. "Wenn meine These vom virtuellen Bürgerkrieg stimmt, ist das auch verständlich. Kampfparolen verlangen kurze und schmissige Formulierungen. Aber es sind eben Kampfparolen und passen nicht in den Diskurs einer demokratisch grundgelegten offenen Gesellschaft. Der aus dem Koran rekonstruierte Islam ist eben nicht der real existierende Islam, nicht jeder Moslem ist ein Terrorist, Konservative sind etwas anderes als Rechtsradikale, Linke nicht automatisch antisemitisch und Kritiker der Gender-Ideologien sind nicht unbedingt homophob. Klingt alles sehr banal und selbstverständlich? Dann sollten wir unsere Argumentationsmuster und unsere Sprache aber auch im neuen Jahr danach ausrichten!"

VD: AR, GS, AW, JE