Kolumne: Wir Männer schauen nach Vorbildern – wo sind sie?

Bill Hybels tritt vorzeitig zurück. Christianity Today berichtete zweimal ausführlich. Das Online-Magazin Eule kommentierte und skizzierte Lernfelder. Fast gleichzeitig kündigte Marc Driscoll sein Publikations-Comeback mit einem Buch über den Heiligen Geist an. Billy Graham-Nachkomme und Megachurch-Pastor Tullijan stolperte vor wenigen Jahren über eine Affäre, kam zuerst bei Willow Creek unter, bis eine weitere an die Oberfläche kam. Ein halbes Jahr später war er wieder unter der Haube. R. C. Sproul jun. wird stockbetrunken beim Fahren erwischt, wohlgemerkt mit zwei Kindern auf der Rückbank. (Ich habe absichtlich keine Links eingefügt.)

Einer meiner Freunde kommentierte weise: "Ich kann nicht in sein Herz sehen und deshalb nicht über seine Motive urteilen. … Es könnte sein, dass er sich überhoben hat und nun gefallen ist (siehe Ussija in 2Chr 26,16 und Hiskia 2Chr 32,25). Möge der Herr uns davor bewahren."

Es geht mir jetzt nicht um die Gefahr von Berühmtheit. An einem T4G-Panel haben sich darüber einige dieser Celebrity-Pastoren unterhalten. Ich greife einen anderen Aspekt auf: Wir Männer sehnen uns nach Vorbildern. Ob sie nun Hybels, Driscoll oder anders heissen. Als Mittvierziger schaue ich mich nach Männern um, die ihre erste Frau lieben und eine glückliche Ehe mit ihr führen; die den Draht zu ihren Heranwachsenden nicht verloren haben; die mit ihren erwachsenen Kindern weise und liebevoll umgehen, die dem Glauben den Rücken gekehrt haben, und dies nicht auf Kosten der Wahrheit und der eigenen Integrität; die sich nach wie vor mit Herzblut in einer Gemeinde einbringen; die das Evangelium mutig verkündigen und nicht der säkularen Trennung zwischen öffentlich und privat stattgegeben haben. Die ein Herz für die nächste Generation haben, anstatt nur für sportliche Events zu schwärmen und die neusten Prospekte für den Erwerb des Segelboots durchzukämmen. Die beruflich Grenzen gezogen haben und um einen ausgewogenen Tagesablauf und um eine Ernährung ringen, die nicht auf Kompensation oder Verwöhnung beruht.

Wo sind sie, diese Männer? Es wird mir schmerzlich bewusst: Ich kämpfe um genau diese Dinge, die ich oben aufgeführt habe. Mein tägliches Gebet lautet: „Stärke mein Verlangen nach DIR und nach meiner Frau.“ Dabei stelle ich nicht nur meine eigene Alterung an den weissen Haaren und anderen körperlichen Veränderungen fest. Ich werde mir meiner Unzulänglichkeiten immer wieder schmerzlich bewusst. Ich habe zwei linke Hände, nix mit dem begeisterten Hobby-Bastler. Ich verfüge über keinen Fahrzeugpark. Auch meine Bibliothek lässt zu wünschen übrig. Karriere habe ich keine gemacht. Ich sorge mich um Zukunft und das Wohl meiner Söhne. Da ist wenig von extrovertierter Spritzigkeit zu spüren. Abends bin ich um neun Uhr todmüde. Ich kämpfe mit Anspannung und Perfektionismus. Ich will stets mehr als geht.

Halt! Geht es nicht gerade darum, nicht das äussere Selbst zu polieren? Durch die Trennung der Lebensbereiche stehen wir in Gefahr, uns verschiedene Identitäten aufzubauen und mit unterschiedlichen Gesichtern zu operieren. Ich will einer sein – egal ob man mich an der Arbeit, in der Familie oder in der Kirche erlebt. Ich stehe dazu: Ich bin ein begnadigter Sünder. Ich trage die Neigung in mir mehr sein und darstellen zu wollen als ich bin. Zaudernd blicke ich in die Zukunft und weiss, dass mein Herr seinen Erziehungsprozess mit mir fortsetzen wird, bis ich am Ziel angelangt bin. Wahrscheinlich wird es mir nicht anders gehen als dem Pilger Christ in Bunyans Pilgerreise, der über die Ziellinie getragen wird und vorher durch den dunklen Fluss musste.

An der diesjährigen E21-Konferenz werde ich über „Christus-zentriertes Familienleben“ sprechen. Damit es klar ist: Das ist mein Not-, nicht mein Fachgebiet! Ich freue mich darauf auf Männer zu treffen, die Jesus umgekrempelt hat und die wie ich stolpernd unterwegs sind auf dem Weg zur ewigen Seligkeit.