Zitat der Woche: Haben wir eine Wahrheit, die sich gegen die schlechte Wirklichkeit wendet?

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Klaus Bockmühl in seinem hoch interessanten Buch “Herausforderungen des Marxismus – verdrängte Hintergründe und bleibende Anfragen” (antiquarisch günstig zu bekommen). 

Haben wir auch eine Wahrheit, die sich kritisch gegen die schlechte Wirklichkeit wendet? Oder sind die Wahrheiten des Christentums ruhende Wahrheiten, aus denen nichts folgt? Wahrheiten ausschliesslich jenseitiger Art, die schon aufgrund ihres Wesens gar nicht in Konfrontation mit irdischer Wirklichkeit treten können, einfach weil es nicht ihre Aufgabe ist? … Unter dem Eindruck der leidenschaftlichen Kritik des Marxismus erinnern wir uns … daran, dass es in der Heiligen Schrift keine Wahrheit gibt, die nicht einen Aufruf an den Menschen bedeutet. An der Stelle der Kritik im Marxismus steht in der biblischen Offenbarung der Bussruf, dass nicht in erster Linie die Zustände, sondern die Menschen nicht so bleiben können, wie sie sind. (12-13)

Die Konfrontation mit dem Marxismus als einer Aufforderung zur Praxis der Weltveränderung nötigt die christliche Gemeinde von aussen zur Erinnerung an den Satz ihres Herrn: ‘Wenn jemand den Willen dessen, der mich gesandt hat, tun wird, der wird innewerden, ob diese (meine) Lehre von Gott sei odeer ob ich von mir selbst rede’ (Joh 7,17). – Über das richtige Verständnis Jesu entscheidet allein das Tun des Willens Gottes! (15)

Bockmühl führt dazu Matthäus 7,21, Matthäus 23,3, 2. Korinther 5,10, Jakobus 2,15-17 an  Er erkennt eine jahrhunderte alte Schwäche der Ethik in der protestantischen Tradition.

Die Vorbetonung des Rechtsurteils Gottes und die entsprechende Vernachlässigung der faktischen Erneuerung des Menschen ist eine alte Krankheit der protestantischen Theologie deutscher Sprache. Bis heute fehlt ihr das den Calvinismus auszeichnende Gleichgewicht von Rechtfertigung und Heiligung und die zu der Rechtfertigungslehre hinzutretende kräftige Betonung des Ethos der Schöpfungsordnungen im skandinavischen Luthertum. (19)

Wir haben Grund anzunehmen, dass der Aufbruch des Marxismus angespornt wurde durch eine weltabgewandte Theologie und Frömmigkeit in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, die sich nur für die Seele des Menschen interessierte, aber nicht für die Existenzbedingungen seines Leibes. … Der moderne Marxismus zünrt nicht mehr über die Entweltlichung als Zentraltendenz der herrschenden Theologie des zwanzigsten Jahrhunderts, sondern begrüsst die damit geschehene Räumung der Wirklichkeit, deren Raum nun freigegeben ist für eine rein atheistische Gestaltung. (20)