Buchhinweis: Spekulationen über den Tod

Der Philosoph Phaidon von Elis, nach dem der Dialog benannt ist, tritt in der Rahmenhandlung als Erzähler auf. Er ist wie Platon ein Schüler des Sokrates. Dieser ist vor kurzem in Athen wegen Asebie (Religionsfrevel) und Verführung der Jugend zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Phaidon schildert als Augenzeuge einer Gruppe von Zuhörern die Ereignisse des Todestags, den der Verurteilte im Gefängnis im Kreis von Freunden verbrachte. Den Hauptteil seiner Darstellung bildet die vollständige Wiedergabe einer philosophischen Diskussion, die Sokrates führte.

Sokrates mutmasst in Phaidon über den Tod:

(Tod als Befreiung der Seele) Vielleicht aber kommt es dir auch wunderlich vor, daß dies allein unter allen Dingen schlechthin so sein soll, und auf keine Weise, wie doch sonst immer, nur manchmal und nur für einige Menschen, die Aussage nämlich, es sei besser zu sterben als zu leben. … Denn was darüber in den Geheimlehren gesagt wird, daß wir Menschen wie in einer Festung sind und wir uns aus dieser nicht selbst losmachen und davongehen dürfen, das erscheint mir eine wichtige Aussage zu sein und gar nicht leicht zu durchschauen. 

… Euch Richtern aber will ich nun Rede und Antwort stehen, daß ich mit Grunde der Meinung bin, ein Mensch, der sein Leben wirklich philosophisch verbracht hat, sollte im Sterben voller Trost sein. Er kann die frohe Hoffnung haben, dort nach seinem Tod das Gute in vollstem Maße zu erlangen.

… Wann also trifft die Seele die Wahrheit? Wenn sie versucht, mit dem Leib etwas zu betrachten, dann wird sie offenbar von ihm betrogen. … Nichts anderes als der Leib und seine Begierden erzeugen auch die Kriege, die Aufstände, die Schlachten. Denn durch den Besitz von Geld und Gut entstehen alle Kriege. … wenn wir je etwas rein erkennen wollen, müssen wir uns vom Leib losmachen und mit der Seele selbst die Dinge selbst erschauen.

(Die Lehre der Wiedererinnerung) … wir mußten, sagen wir, schon ehe dieses geschah, die Erkenntnis des Gleichen erhalten haben? – Ja. – Ehe wir also geboren wurden, müssen wir sie, wie es sich zeigt, bekommen haben.

… Entweder sind wir mit diesem Wissen geboren worden und wissen es unser Leben lang alle, oder die, von denen wir sagen, daß sie später erst lernen, erinnern sich daran, und das Lernen wäre also eine Art Erinnerung.