Einige generelle Prinzipien des Glaubens retten

Sich der Tatsache beugend, dass sich wissenschaftlicher Einspruch erheben wird gegen die Fundamente des christlichen Glaubens, wie etwa die Lehren Christi, sein Tod am Kreuz und seine Auferstehung von den Toten, gibt der liberale Theologe diese als rein zeitbedingte Symbole auf und versucht nur noch, einige der generellen Prinzipien dieser Fundamente zu retten, die seiner Meinungen nach den ‘Kern des Christentums’ ausmachen. … Das …, was der liberale Theologe übrig lässt, nachdem er eine christliche Lehre nach der anderen verleugnet hat, ist alles, nur kein Christentum, sondern eine Religion, die sich derart stark vom Christentum unterscheidet, dass sie in eine völlig andere Kategorie gehört.

J. Gresham Machen. Christentum und Liberalismus. 3L Verlag: Waldems 2013. (16+17)

Buchbesprechung: Abraham Kuyper – moderner Calvinist, christlicher Demokrat

James D. Bratt. Abraham Kuyper: Modern Calvinist, Christian Democrat. Eerdmans: Grand Rapids 2013. 455 Seiten. 21,60 Euro.

Um wen geht es in dieser Biografie? Bratt beschäftigt sich mit der schillernden Gründergestalt des niederländischen Neo-Calvinismus, Abraham Kuyper (1837-1920). Es ist wahrlich nicht einfach, ein Portrait dieses vielschichtigen Lebens nachzuzeichnen. Der Theologie, Journalist und Politiker hat nicht nur die erste politische Partei der Niederlande gegründet. Ebenso hat er eine Abspaltung von der niederländischen reformierten Kirche (Hervormde Kerk) angeführt sowie die Vereinigung mit einem abgespaltenen Teil mit vorangetrieben. Er gründete die Freie Universität Amsterdam und war dort lange Zeit Professor für Systematische Theologie. Als ständiges Sprachrohr dienten die Zeitungen, für die er unaufhörlich Beiträge produzierte. Kuyper stammt aus dem Haus eines Theologen und studierte selbst als „Provinzler“ an der renommierten Universität Leiden Theologie. Seine Promotion schrieb er über die Ekklesiologie des polnischen Reformators Johannes à Lasco. Es handelte sich um die Erweiterung eines Manuskripts, für das er bereits früher einen Preis gewonnen hatte. Voraussetzung für dieses Studium waren seine ausgezeichneten Kenntnisse der klassischen Sprachen, die ihn in die Lage versetzten ein Manuskript in Latein zu verfassen. Wichtig zu erwähnen ist sein Bekehrungserlebnis während seines ersten Pastorats im ländlichen Beesd. Dass Kuyper zum orthodoxen Calvinismus gefunden hat und dort zur Ruhe gekommen ist, stellte den letzten Schritt einer religiösen Odyssee in seiner Jugend dar.

Wie ist das Buch aufgebaut? Bratt unterteilt das Leben Kuypers in drei Abschnitte. Zuerst geht es um die Grundlagen (Jugend, Studium, Pastorate, junger Politiker). Im nächsten Teil werden die Jahre des Auf- und Ausbaus in den verschiedenen Rollen als politischer Theoretiker, Kirchenreformer, Kirchentheologe, Kulturtheologe und –kritiker beschrieben. Aus dem überaus reichhaltigen Werk Kuypers – er betreute über Jahrzehnte als Chefredaktor eine Tages- sowie eine Wochenzeitung – werden jeweils Zusammenfassungen der wichtigsten Publikationen geboten. Ab und zu stöberte ich im über 60-seitigen Anhang, wo Bratt zahlreiche Quellenhinweise anbringt. Im dritten Teil werden die Wolken nachgezeichnet, welche über den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens hingen. Nach seiner vierjährigen Amtszeit als Premierminister der Niederlande (1901-1905) folgten schwierige Jahre, in denen Kuyper sich zunehmend innerhalb seines Freundeskreises und seiner Partei isolierte.

Weshalb habe ich das Buch gelesen? Vor einigen Jahren las ich die erste Biografie von Wilhelm Kolfhaus über Kuyper. Ich war gefesselt, obwohl das 1925 geschriebene Buch nicht frei von hagiografischen Zügen ist. Die neue Biografie von Bratt bestellte ich mir ohne Zögern. Nachdem ich mich intensiv mit Kuypers Weggenosse Herman Bavinck (1854-1921) beschäftigt hatte, wollte ich mein Hintergrundwissen vertiefen. Kuyper stand schon während seiner Lebenszeit ungleich stärker als Bavinck im Rampenlicht. Einige Werke sind bald in die englische Sprache übersetzt worden. Im angelsächsischen Raum besteht nicht zuletzt darum eine Kuyper-Rezeption. Kuyper wurde vor allem für seine kultur-zugewandten Überlegungen gepriesen. Nicht so stark im Fokus standen seine erbaulichen Schriften, welche ebenso zu Kuyper gehören.

Was hat mich irritiert? Es gibt einige Stellen des Buches, die mich befremdet haben. Ich bin Bratt dankbar, dass er sie nicht ausliess. Kuyper entschied sich früh für seine spätere Frau Jo – gegen den Willen beider Familien. Dass er sie während einiger Zeit unter starken (geistlichen) Druck setzte und sie zum Lesen zwang, gehört nicht zu den ruhmreichen Fussnoten seiner Biografie. Allerdings hat er dies später bereut und seine Verlobte um Vergebung gebeten.  Dass er nach den Jahrzehnten am Zentrum der Macht den Stab nicht an die nächste Generation weiterreichen konnte, fand ich bedauernswert. Über Jahre kritisierte er öffentlich seinen Parteigenossen und Premier Heemskerk. Dies führte dazu, dass einige Parteikader 1915 eine öffentliche schriftliche Kritik anbrachten.

Was habe ich gelernt? Von besonderem Interesse waren für mich die drei längeren gesundheitlichen Ausfälle von Kuyper. Wie ich es bei vielen anderen Grössen der Geschichte gelernt habe, war ihr Leben nicht frei von Schmerzen und Enttäuschungen. Kuyper arbeitete nicht nur während seines Studiums rastlos an seinem Aufsatz über à Lasco; während der Aufbauphase der Partei und seinem ersten Parlamentsmandat machte ihm seine Gesundheit einen Strich durch sämtliche Pläne. Dass er sich dreimal wieder aufrappelte, ist erstaunlich. Seine Auszeiten im Ausland nutzte er nicht nur zur Regeneration. Es entstanden berührende besinnliche Texte ebenso wie ein über 1000-seitiger Reisebericht. Von besonderem Interesse waren die „roten 1890er-Jahre“, als Kuyper sich intensiv mit den Ideen der Sozialdemokratie auseinandersetzte und eigene Schriften dazu verfasste. Kuypers Herz schlug stets für die „kleinen Leute“.

Es gehört zu Bratts Stärken als Historiker, einzelne Begriffe in ihrem geschichtlichen Zusammenhang zu erläutern. So erfährt man, dass das Motiv der (französischen) Revolution eng mit der Geschichte der Niederlande verknüpft ist, ebenso Kuypers berühmtes Motiv der „Sphären“. Zudem zeigt Bratt auf, wie Kuyper ein feines Gespür für die Umwälzungen seiner Zeit (Industrialisierung, Demokratisierung) hatte und diese Themen nicht nur aufs Tapet brachte, sondern auch durch das Schaffen eigener Institutionen mitprägte. Nicht umsonst wird Kuyper darum als Demokrat der Moderne beschrieben. Das lebhafte Ringen Kuypers mit den gesellschaftlichen sowie den begleitenden geistlichen Strömungen seiner Zeit mag ihn entschädigen für die seine manchmal sehr gewagten (um nicht zu sagen spekulativen) Gedanken.

Gesamtfazit: Bratt gelingt es das Bildnis einer faszinierenden Persönlichkeit einzufangen und sie in ihrem geschichtlichen, theologischen und biografischen Kontext einzubetten. Es sind so viele Stränge miteinander verwoben, dass das Lesen nicht nur alle Konzentration erfordert, sondern ab und zu ein Zurückblättern nötig macht. Ich habe dieses Buch in drei Etappen gelesen: Zuerst interessierte mich das Kapitel „Höhepunkt der Macht“ (Zeit als Ministerpräsident, 1901-1905) und Kuypers „Verdauen“ der Wahlniederlage. In einem zweiten Anlauf las ich einige Kapitel über seine erste Lebenshälfte des Aufbaus (woher er seine theologischen und politischen Überzeugungen bezog). Ich legte das Buch nochmals zur Seite, um dann den Rest zu studieren.

Wer sich inhaltlich weiter mit Kuyper beschäftigen möchte, dem sei der von Bratt zusammengestellte Kuyper-Reader (Abraham Kuyper: A Centennial Reader. Eerdmans: Grand Rapids 2002) empfohlen. Dort sind wichtige Reden und Auszüge aus dem umfangreichen Werk Kuypers zusammengestellt. In nächster Zeit wird eine grössere Kuyper-Anthologie veröffentlicht werden. Wer bereits darin schnuppern möchte, kann sich für jeweils gut 2 Euro „Rooted and Grounded“ (Antrittsrede Kuypers anlässlich seines Pastorats in Amsterdam 1869) und „Wisdom and Wonder“ (Auszüge aus seinem dreibändigen Werk über die Allgemeine Gnade über Wissenschaft und Kunst, 1902-1905) herunterladen. Ein Klassiker sind zudem seine Vorlesungen über den Calvinismus (deutsch „Reformation wider Revolution“) von 1898.

Die wichtigsten Dinge sind die, um die gekämpft wird

Im Bereich der Religion, wie auch in anderen Lebensbereichen, sind die Dinge, über die sich die Menschen einig sind, die unwichtigsten. Die wirklich wichtigen Dinge sind die, um die gekämpft wird. … Blosses Nachgeben wird … nie zur Vermeidung des intellektuellen Konflikts führen. Im geistlichen Kampf dieser Tage gibt es keinen ‘Frieden ohne Sieg’; eine Seite muss gewinnen.

J. Gresham Machen. Christentum und Liberalismus. 3L Verlag: Waldems 2013. (12+16)

Die Schlüsselfrage

Die Worte aus dem Heidelberger Katechismus haben auch  nach 450 Jahren nichts an Aktualität verloren: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben, nicht mir,  sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.

Hier geht es zu sieben Überlegungen zur Schlüsselfrage 1 aus dem Katechismus. Der Beitrag ist in ethos 1/14 erschienen.

Gastbeitrag: Was in einem historischen Roman des Mittelalters nicht fehlen darf

Mimuk, Student der Germanistik und Geschichte, Jungscharhauptleiter, Filmemacher und Komiker, hat ein Rezept für die Produktion eines historischen Romans des Mittelalters verfasst. Als Theologe füge ich an: Solche Rezepturen sagen viel über die Schreibenden und deren “Filter”, die Welt zu sehen, aus.

  • Einsame,  liberale  Helden,  die  sich  stark  machen  für  die  Toleranz  gegenüber   jeder  Art  von  sexueller,  religiöser  und  sozialer  Ausrichtung.  Sie  setzen  sich  für   den  Dialog, die Versöhnung  der  Religionen  und  für  die  Gesundheit  und  den   Schutz  der  Mitmenschen  ein.  Sie  träumen  aufopfernd  vom  Frieden,  sind   wissensdurstig  und  neugierig,  wollen mitfühlend  den  Menschen  helfen…  und   werden  von  der  Kirche  verfolgt  oder  gar  als  Hexe/r  verbrannt. Menschen  mit   humanistischen,  aber  anachronistischen Eigenschaften.
  • Starke,  (ver)zweifelnde  Frauen,  die  gegen  vergewaltigende,  unterdrückende   Männer  ankämpfen.  Sie  sind  wehrlose  Opfern  sexueller  Begierde.
  • Selbstsüchtige,  gewaltbereite  Männer,  die  nur  Sex  und  Gewalt  im  Kopf  haben,   und  ihre  Ansprüche  mit  der  Stände-­‐  und  Geschlechterordnung  und  Tradition  des   Mittelalters legitimeren.
  • Machthungrige,  ignorante  Kirchenmänner,  die  den  Konservatismus  und  ihre   Macht  verteidigen,  und  die  alle  dazu  benötigten  Mittel  mit  der  Bibel  legitimieren   –  um  ihre egoistische,  machtbesessene  Stellung  zu  sichern.  Gegen  aussen  wahren   sie  ihr  religiös-moralisches  Gesicht,  gegen  innen  sind  sie  zerfressen  von   verbotenen  Leidenschaften und kriminellen  Energien.
  • Reaktionäre,  repressive  Kirche,  die  sich  gegen  jegliche  Art  von  Fortschritt,   Wissensdurst  und  Innovation  wehrt,  und  die  die  Kluft  zwischen  Wissenschaft   und  Religion weiter vorantreibt;  insbesondere  führt  die  Institution  Krieg  gegen   die  Medizin  (The  Physician,  1986),  die  Architektur  (The  Pillars  of  the  Earth,  1990)   und  das  Wissen  (Il nome  della rosa,  1980).
  • Dunkles  mittelalterliches  Europa,  das  unter  der  Käseglocke  des  Christentums   verdirbt,  während  der  Osten  unter  dem  wissensdurstigen  und  fortschrittlichen   Islam  aufblüht.

Verschiedene Sichtweisen zum Thema “Heiligung”

In einer Diskussion bin ich auf verschiedene Sichtweisen zum Thema “Heiligung” zu sprechen gekommen. “Five Views on Sanctification” (eine Online-Version von 1987 habe ich hier gefunden) charakterisiert die Modelle anhand von folgenden Fragen:

  1. Wann beginnt die Heiligung?
  2. Was wirkt Gott?
  3. Worin besteht die Verantwortung des Menschen?
  4. Was sind die Auswirkungen (effects) der Heiligung?
  5. In welchem Ausmass (extent) geschieht die Heiligung?

Hier geht es zu einer Zusammenstellung der verschiedenen Modelle.

Persönlich gehe ich vom zweiten (reformatorischen) Modell aus. Das dafür entscheidende Argument stammt meines Erachtens von Luther: “simul iustus et peccator” (hier geht es zu seiner schönen Zusammenfassung). Wir sind gerechtfertigte Sünder. Unsere Gerechtigkeit ist extra nos (d. h. sie stammt ganz von ausserhalb). Dies gilt für unsere Errettung und für das einsetzende Werk der Heiligung gleichermassen.

Luthers Satz gehört in den Zusammenhang der Lehre von der ‘Anrechnung’ der Gerechtigkeit Christi. Diese Gerechtigkeit Christi, sagt Luther, dürfe man nun nicht so verstehen, dass sie uns auf der Grundlage unserer Werke angerechnet werde. Die Gerechtigkeit Christi sei nämlich eine, die ‘außerhalb unsrer selbst’ ist (extra nos), und sie sei eine ‘uns fremde’ (aliena nobis) Gerechtigkeit. Weil sie nicht unsere eigene und uns fremd ist, kann sie also nur im Glauben ergriffen werden. Wenn wir also davon reden, dass wir ‘heilig’ oder ‘gerecht’ sind, dann nach reformatorischer Lehre nicht deswegen, weil wir selbst heilig oder gerecht sind, sondern deswegen, weil Jesus heilig und gerecht war und uns ‘seine’ Gerechtigkeit angerechnet und zuerkannt wird. (VD: AW)

Calvin formuliert den Zusammenhang zwischen Glauben und Heiligung so:

Der Glaube erfasst Christus, wie er uns vom Vater gegeben ist; er wird uns aber nicht allein zur Gerechtigkeit, zur Vergebung der Sünden und zum Frieden dargegeben, sondern auch zur Heiligung und als Quelle lebendigen Wassers: der Glaube kann ihn also ohne Zweifel niemals recht erkennen, ohne zugleich die Heiligung des Geistes mit zu ergreifen. Will einer das noch deutlicher hören, so will ich so sagen: Der Glaube ruht auf der Erkenntnis Christi. Christus aber kann man nur zusammen mit der Heiligung seines Geistes erkennen. (Institutio, 3,2,8; VD: RK)

In der Facebook-Gruppe von Evangelium 21 hat sich eine rege Debatte entwickelt.

Konflikt & Wendung (1): Wer ist König?

Ich habe mir für 2014 vorgenommen, Konfliktsituationen zu protokollieren und aus der Sicht des christlichen Glaubens den Wendepunkt zu beschreiben. Das alles in 5 – 10 Sätzen.

Die Ausgangssituation: Auf dem Tisch steht ein wunderschöner Dreikönigskuchen. Die Buben inspizieren ihn und rätseln darüber, in welchem Stück der König steckt.

Die Eskalation: Einer reisst sich ein Stück heraus. Tränen fliessen.

Der Wendepunkt: Ich nehme das Stück zu mir. Mir kommt in den Sinn: Genau so geht es uns Menschen. Wir streiten uns darüber, wer von uns Nummer 1 (der König) ist. Dabei ist jemand anders König – Jesus.

Wenn Wahrheit in der subjektiven Erfahrung verankert ist

Truth is now simply a matter of etiquette: it has no authority, no sense of rightousness, because it is no longer anchored in anything absolute. If it persuades, it does so only because our experience has given it its persuasive power, but tomorrow our experience might be different.

David F. Wells. God in the Wasteland. Eerdmans: Grand Rapids, 1994. (148-149)

10 Fragen zum Jahresbeginn

Auch wenn ich kein vollamtlicher Pastor bin: Kevin DeYoungs Fragen zum Jahresbeginn gelten auch für mich.

1. Am I spending time slowly reading God’s word and memorizing Scripture?

2. Am I having consistent, focused, extended times of prayer, including interceding for others?

3. Am I disciplined in my use of technology, in particular not getting distracted by emails and blogging in the evening and on my day off?

4. Am I going to bed on time?

5. Am I eating too much?

6. Have I exercised in the last week?

7. Am I patient with my kids or am I angry with them when they disobey or behave in childish ways?

8. When at home, am I “fully present” for my wife and family or are my mind and energy elsewhere?

9. Am I making sermon preparation a priority in my week or am I doing other less important things first?

10. Have I done anything out of the ordinary to cherish and help my wife?

Geheimtipp für 2014: Eine systematische Theologie als Ehepaar, Hauskreis oder Jugendgruppe lesen

Letztes Jahr ist die “Biblische Dogmatik” von Wayne Grudem in deutscher Übersetzung erschienen (die englische Fassung ist bereits ein Klassiker). Ron Kubsch hat vor einiger Zeit auf einen Videobeitrag hingewiesen, in dem Grudem seinen Schritt, an ein kleines statt an ein renommiertes Seminar zu wechseln, begründet.

Meines Erachtens besteht in evangelikalen Gemeinden ein gewaltiges Defizit im Betreiben systematischer Theologie. Grudem schreibt in der Einleitung (S. 40; Hervorhebung von mir):

Die einzige Alternative – denn wir werden etwas über jene Themen denken – besteht darin, dass wir unsere Meinungen willkürlich aus einem allgemeinen Eindruck über das bilden, was wir für eine „biblische“ Position zu jedem Thema halten, oder vielleicht unsere Standpunkte mit einer sorgfältigen Analyse von einem oder zwei relevanten Texten untermauern, doch ohne jede Garantie, dass jene Texte eine ausgewogene Sicht des „ganzen Ratschlusses Gottes“ (Apg 20,27) über das betrachtete Thema bieten. Tatsächlich könnte diese Herangehensweise – eine heutzutage in evangelikalen Kreisen nur allzu gängige –, wie ich vermuten möchte, als „unsystematische Theologie“ oder sogar als „unordentliche und willkürliche Theologie“ bezeichnet werden! Eine solche Alternative ist zu subjektiv und kann zu sehr unter kulturellen Druck geraten. Sie führt leicht zur dogmatischen Zersplitterung und weitverbreiteten lehrmäßigen Ungewissheit, die die Kirche theologisch unreif lässt, wie „Unmündige … hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre“ (Eph 4,14).

Das Werk ist in einer Sprache geschrieben, die für Nicht-Theologen verständlich ist. Der Charakterisierung von John Piper kann ich zustimmen:

Wayne Grudems Systematische Theologie ist wegen ihrer außergewöhnlichen Gegenüberstellungen bemerkenswert. Das Buch ist gründlich, aber nicht verwirrend; direkt und unzweideutig, aber nicht rücksichtslos oder überspitzt; gut lesbar und klar, aber nicht oberflächlich; biblisch fundiert, ja von der Bibel durchtränkt, aber nicht nachlässig oder unbedacht mit den biblischen Texten umgehend; tiefgläubig und ehrfürchtig, aber nicht unkritisch oder naiv; praktisch, aber nicht dem vorherrschenden Trend entsprechend oder sentimental; umfassend, aber nicht Details überbetonend; ein Buch für die Gemeinde, aber nicht kirchen- oder denominationsgebunden. Ich gehe davon aus, dass ich jahrzehntelang darauf zurückgreifen werde.

Das Buch ist in sieben Hauptabschnitte gegliedert:

Teil 1: Die Lehre vom Worte Gottes
Teil 2: Die Lehre von Gott
Teil 3: Die Lehre vom Menschen
Teil 4: Die Lehren von Christus und dem Heiligen Geist
Teil 5: Die Lehre von der Zueignung der Erlösung
Teil 6: Die Lehre von der Kirche
Teil 7: Die Lehre von der Zukunft

Wie “schafft” man ein solches Werk mit ca. 1300 Seiten? 3 Möglichkeiten:

  1. Jonas Erne und Waldemar Justus gehen 2014 durch das gesamte Werk. Sie haben dafür eine Facebookgruppe gegründet. Ich kann dieses Vorhaben sehr empfehlen.
  2. Meine Frau ist dieser Empfehlung schon gefolgt. Was für eine Möglichkeit, gemeinsam als Ehepaar geistlich zu wachsen!
  3. Es empfiehlt sich auch für Hauskreise und Jugendgruppen.