Vor einiger Zeit habe ich über die Bewegung der Rebelutionaries berichtet. Diese postulieren, dass das Etikett "Teenager" eine unglückliche Erfindung der westlichen Welt der Neuzeit sei (siehe hier). In der Lebensphase, in der am meisten Kraft vorhanden ist, fehlt die entsprechende Verantwortung (die Gesellschaft qualifiziert sie noch als Kinder), und das Vakuum wird in der Regel nicht durch Lernen als Investition in die Zukunft, sondern mit Müssiggang ausgefüllt (neudeutsch "hängen").
Ich glaube tatsächlich, dass wir es hier mit einer Fehlkonzeption zu tun haben und bin sehr dankbar für die Impulse dieser Bewegung. Ich zähle mich selbst – obwohl schon Mitte 30 – dazu. Meine Frage, die ich mit mir herumtrug, war vielmehr: Wie weit darf denn ein Kind ein Kind sein? Im Bewusstsein, dass dies auch schon wieder ein Wertung ist – im Sinne einer unbelasteten, von den Zwängen der Erwachsenenwelt verschonten Lebensphase – fragte ich mich: Wie weit ist denn Spiel eine sinn-volle Beschäftigung?
Dazu eine doppelte Antwort:
Als Gott den erneuerten Zustand seines Volkes Israels verhiess, malte er den (idealen) Zustand so aus:
Es sollen hinfort wieder sitzen auf den Plätzen Jerusalems alte Männer und Frauen, jeder mit seinem Stock in der Hand vor hohem Alter, und die Plätze der Stadt sollen voll sein von Knaben und Mädchen, die dort spielen. (Sacharja 8,4+5)
Das Spiel gehört demnach natürlicherweise zur Kindheit. Das ist für uns Westler keine Neuigkeit: Die Psychoanalyse hat das Spiel als Verarbeitung des Unbewussten zu einem zentralen Element der Therapie von Kindern gemacht. Historiker bestätigen, dass das Spiel seit eh und je zum Leben der Kinder gehörte:
In ihrem häuslichen Lebensbereich und ausserhalb haben Kinder, Knaben wie Mädchen, kleinere Kinder ebenso wie Schulkinder und Heranwachsende zu allen Zeiten gespielt. Davon ist in alten Text- und Bildzeugnissen viel die Rede, und davon zeugen eine Vielzahl durch die Archäologie geborgener und ausgewerteter Spielzeugfunde. (Christa Berg. (Hrsg.) Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd. 1. C. H: Beck'sche Verlagsbuchhandlung: München 1996: 143).
Die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung ist nicht erst eine Entdeckung der modernen Psychologie, schon antike Autoren äussern sich dementsprechend. Dasbei wird das Alter zwischen drei und sechs Jahren als das entscheidende Spielalter angesehen: Kinder soollen in dieser Zeit durch Spielen ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten entwickeln. Die Erwachsenen scheinen diese Aktivitäten mit einigem Interesse verfolgt zu haben, denn spielende Kinder sind ein beliebtes Motiv in der Vasenmalerei. (Johannes Christes. Richard Klein. Christoph Lüth. (Hrsg.) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike. WBG: Darmstadt 2006:34-35.)