Buchbesprechung: Eine kurze Darstellung der Gotteslehre (I)

Louis Berkhof. Systematic Theology. Herausgegeben 1932; revidiert 1938. 833 Seiten. Online-Download. Diese Besprechung bezieht sich auf die Gotteslehre (Teil I, S. 18-195).

Louis Berkhof (1873-1957) gehörte zur Christian Reformed Church (CRC), einer Denomination, die von niederländischen Auswanderern gegründet worden war. In den Niederlanden geboren, wanderte seine Familie nach Grand Rapids aus. Berkhof ist Vertreter der zweiten Generation des Dutch Calvinism nach Abraham Kuyper und Herman Bavinck. Er ist durch seine Systematische Theologie bekannt geworden.

Zunächst gilt es, die Einteilung Berkhofs für die Gotteslehre zu überblicken:

Vorrede: Erkennbarkeit Gottes

Gottes Sein

  1. Die Existenz Gottes
    Gottesbeweise

  2. Die Namen Gottes

  3. Die Eigenschaften Gottes
    kommunizierbar
    nicht kommunizierbar

  4. Die Trinität

Gottes Werke

  1. Ratschlüsse (decrees)

  2. Vorsehung (providence)

  3. Gottes Schöpfung
    materielle Welt
    geistliche Welt (Engel, Dämonen)

Die Erkennbarkeit Gottes

Warum beginnt eine Systematische Theologie mit der Gotteslehre? Wenn wir davon ausgehen, dass Theologie die systematische Behandlung der Erkenntnis Gottes ist, von dem, durch den und für den alle Dinge geschaffen sind, dann gibt es nichts Natürlicheres, als bei ihm zu beginnen (18). So war es auch bis ins 19. Jahrhundert üblich.

Seit dem 18. Jahrhundert wurde jedoch eine Fragestellung immer drängender, die als Vorrede aufgenommen werden musste. Wie konnte Gott erkannt werden? Nach Berkhof gibt es zwei Grundvoraussetzungen für die Gotteslehre: Dass Gott existiert und dass er sich in seinem Wort offenbart hat. Gott ist selbst-existentes, selbst-bewusstes, persönliches Wesen, welches Anfang aller Dinge ist, die gesamte Schöpfung transzendiert und zur selben Zeit in jedem ihrer Teile anwesend ist (20). Dies muss im Glauben vorausgesetzt werden.

Diese Gotteskenntnis kann theoretisch oder praktisch geleugnet (Atheismus) oder verzerrt werden (immanent-unpersönlicher oder persönlich-endlicher Gott). Im theologischen Liberalismus war es zudem Mode geworden, von Gott als einer abstrakten Idee oder einer unpersönlichen kosmischen Kraft zu sprechen.

Die klassischen Gottesbeweise werden von Berkhof kurz angesprochen. Der Autor merkt dazu an, dass die Glaubenden nicht von diesen Beweisen abhingen, diese als Zeugnis jedoch einen gewissen Wert besässen (28).

Gott ist erkennbar (knowable) und gleichermassen unergründlich (incomprehensible). Seine Offenbarung ist zuverlässiges, jedoch niemals umfassendes Wissen. Eine Strömung der Theologie schwächte die Transzendenz Gottes ab (Hegel, Schleiermacher), während eine andere sie überbetonte und "den ganz anderen Gott" proklamierte (Neoorthodoxie).

Die Selbstoffenbarung Gottes ist unabdingbare Voraussetzung, um etwas von ihm zu erkennen. Allen Menschen ist eine gewisse Kenntnis von Gott eigen. Diese wird durch die allgemeine Offenbarung in Natur, Gewissen und Regierung dem Menschen offenbart. Die spezielle Offenbarung wurzelt im Heilsplan Gottes und wird durch die Heilige Schrift den Menschen offenbart.

Gottes Wesen und Eigenschaften

Wie ist der Zusammenhang zwischen Gottes Wesen und seinen Eigenschaften? Abgesehen von der Offenbarung Gottes in seinen Eigenschaften verfügen wir über keine Kenntnis bezüglich Gottes Wesen (46). Der Begriff „Attribute“ ist verfänglich, weil er suggeriert, etwas zu Gott hinzuzufügen (55).

Gott und seine Attribute sind eins (47). Berkhof folgt der bis heute gängigen Deutung, dass durch den Einfluss der griechischen Philosophie Gott lange Zeit  als abstrakte, eigenschaftslose Konzeption bzw. Wesen angesehen wurde. (Richard A. Muller hat durch seine gründlichen Studien zur Orthodoxie des 16. und 17. Jahrhunderts nachgewiesen, dass dies so nicht zutrifft. Reformatoren und vor allem Puritaner bzw. orthodoxe Protestanten verbanden das Studium der Dogmengeschichte mit sorgfältiger Exegese und ebenso sorgsamer Anwendung.)

Berkhof weist darauf hin, dass in der Bibel wiederholt von Gottes Name (Einzahl) gesprochen wird. Die verschiedenen Selbstbezeichnungen Gottes enthalten ein gewisses Mass der Offenbarung von Gottes Wesen. Er hat sich zum Menschen geneigt (Theologen sprechen von Kondeszenz), um sich dem begrenzten menschlichen Verstand zu offenbaren. Berkhof geht kurz durch die wichtigsten Bezeichnungen Gottes im Alten und im Neuen Testament durch und weist auf deren inhaltliche Kontinuität hin.

Gott offenbart sich zudem in Eigenschaften. Die einzige Art und Weise, etwas über sie zu erfahren, ist wiederum das Studium von Altem und Neuem Testament. Die gebräuchlichste Unterscheidung ist die der nicht-kommunizierbaren und kommunizierbaren Eigenschaften. Erstere haben keine Entsprechung in der Schöpfung, letztere Analogien im Geschaffenen. Berkhof führt – fast im Vorbeigehen – an den wichtigsten Begriffen vorbei und definiert sie kurz und präzise. Dies schätze ich neben der Klarheit der Einteilung als grösste Stärke des Autors ein.

Unter den nicht-kommunizierbaren Eigenschaften nennt Berkhof an erster Stelle die Selbst-Existenz Gottes. Er gründet seine Existenz in sich selbst (wobei er natürlich keinen Ursprung hat). Zweitens nennt der Autor seine Unveränderlichkeit (immutability). Weder seine Vollkommenheit noch seine Absichten und Verheissungen sind Veränderungen unterworfen. Unter Unendlichkeit (infinity) fasst Berkhof die Unabhängigkeit Gottes von sämtlichen Limitierungen zusammen (absolute Vollkommenheit; in Bezug auf die Zeit – Ewigkeit; in Bezug auf Raum – Unermesslichkeit). Gott ist eins, sowohl numerisch wie auch in seiner Einzigartigkeit.

Gott ist nicht nur absolutes Wesen, sondern auch persönlicher Geist (Joh 4,24). Unter die kommunizierbaren Eigenschaften fallen intellektuelle Attribute wie seine Erkenntnis, seine Weisheit und seine Wahrhaftigkeit. Ferner sind moralische Bezeichnungen wie Güte, Liebe, Gnade, Erbarmen und Langmut zu nennen. Ebenso ist Gott heilig und gerecht. Seine Souveränität kommt im Willen Gottes zum Ausdruck.

Fortsetzung folgt