Sommerlektüre: Die ersten Jahre nach dem Krieg

Jürgen Kleindienst. Als packten wir es an. Deutschland 1945-1947. Zeitgut-Verlag: Berlin, 2006. 352 Seiten. 13 Euro.

Ich kaufte das Buch anlässlich meines Berlinbesuchs im Juli und las es während der Busfahrten durch die Stadt. Unglaublich, dass das Kriegsende erst 70 Jahre her ist! Die 43 Beiträge bilden eine bunte Sammlung von persönlichen Erlebnissen in den ersten Jahren nach dem Krieg. Sie sind ungeschönt und schnörkellos. Kein einheitlicher Aufbau oder gar redaktionelle Bearbeitung, was das Lesen abwechslungsreich hält. Die Berichte sind zudem so kurz gehalten, dass ich sie meinen Kindern vorlesen kann. Schliesslich soll auch die nächste Generation Anschluss an die Vergangenheit erhalten.

Die Rahmenbedingungen waren schwierig: Die Ortschaften gründlich zerstört, die Wirtschaft darniederliegend, Transportmöglichkeiten stark eingeschränkt. Der Hunger amtete als Trieb-Kraft. Die winterliche Kälte liess die Glieder buchstäblich erstarren. Hungerödeme an den Beinen, Läuse und Wanzen, Typhus und Ruhr gehörten zum Alltag. Nicht alle Menschen waren (über)lebenstüchtig, manche kämpften mit ihrer an sich schwachen Verfassung.

Wie organisierten sich Menschen unter der Herrschaft der Besatzungsmächte? Sie trieben Handel mit dem Vorhandenen. Sie überquerten mutig grüne Grenzen. Sie taten sich in kleinen Gruppen zusammen und schlugen sich durch. Sie logierten auf engem Raum bei Verwandten und Bekannten. Sie schliefen auf Bahnhöfen, unter freiem Himmel oder in kargen Flüchtlings- und Gefangenenlagern.

Unwillkürlich steht die Frage im Raum: Wie würden wir gut- und überernährten, kaum an harte körperliche Arbeit gewöhnten Mittel- und Westeuropäer mit einer solchen Mangelsituation umgehen? Die einen würden sich wohl schnell organisieren und anpassen, andere wie damals zugrunde gehen. Wer sich vor der Realität nicht scheut, lese diese Zeitzeugnisse.