Ich bin an einer Ausarbeitung zur Person Eustace in den Narnia-Chroniken. Die Stelle, an welcher Aslan ihn zur Quelle führte und ihn zurück in einen Jungen verwandelt, gehört für mich zu den berührendsten Stellen der sieben Bände (Hervorhebungen von mir), weil es in “narnianischer Sprache”die Wiedergeburt eines Narzissten beschreibt.
»Also egal, als ich aufschaute, sah ich das Allerletzte, was ich je erwartet hätte: Ein riesiger Löwe kam langsam auf mich zu. Und das Komische war, obwohl gestern Nacht kein Mond schien, war es dort, wo der Löwe war, mondhell. So kam er immer näher. Ich hatte schreckliche Angst vor ihm. Du denkst vielleicht, ich als Drache hätte doch jeden Löwen mit Leichtigkeit umhauen können. Aber das war nicht die Art Angst, die ich hatte. Ich fürchtete mich nicht davor, dass er mich fressen würde, ich fürchtete mich einfach vor ihm selbst – falls du das verstehen kannst. Nun, er kam ganz dicht an mich heran und schaute mir gerade in die Augen. Und ich machte die Augen ganz fest zu. Aber das nützte mir nichts, denn er sagte mir, ich solle ihm folgen.«
…
»Du meinst, er hat gesprochen?« »Keine Ahnung. Jetzt, wo du danach fragst, glaube ich nicht, dass er das tat. Aber gesagt hat er es mir trotzdem. Und ich wusste genau, ich musste tun, was er mir sagte. Also stand ich auf und folgte ihm. Er führte mich weit in die Berge hinein. Und immerzu lag dieses Mondlicht auf dem Löwen und um ihn herum, wohin er auch ging. Schließlich kamen wir auf den Gipfel eines Berges, den ich noch nie vorher gesehen hatte, und auf diesem Berggipfel war ein Garten – mit Bäumen und Obst und so. In der Mitte war eine Quelle. Dass es ein Quelle war, wusste ich, weil man aus der Tiefe das Wasser heraufsprudeln sehen konnte. Aber er war viel größer als die meisten Brunnen – wie ein ganz großes rundes Bad mit Marmorstufen, die ins Wasser hineinführten. Das Wasser war vollkommen klar und ich dachte, wenn ich dort hineinsteigen und baden könnte, dann würde das die Schmerzen in meinem Bein lindern.
…
Dann sagte der Löwe – aber ob er richtig sprach, weiß ich nicht – ›Du wirst dich von mir ausziehen lassen müssen.‹ Ich kann dir sagen, ich hatte mächtig Angst vor seinen Krallen, aber ich war inzwischen ziemlich verzweifelt. Also legte ich mich einfach flach auf den Rücken und ließ es ihn machen. Er fing an zu reißen, so tief, dass ich dachte, es ginge bis in mein Herz. Und als er mir die Haut abzuziehen begann, tat es schlimmer weh als alles, was ich je gespürt habe. Ich konnte es überhaupt nur aushalten, weil es so ein herrliches Gefühl war, wie das Zeug herunterkam. Du weißt schon – falls du dir je den Schorf von einer Wunde gezogen hast. Es tut gemein weh, aber es ist so toll, zu sehen, wie er abgeht.«
»Nun, er schälte das scheußliche Zeug einfach ab – genau wie ich dachte, dass ich es selbst die anderen drei Male getan hätte, nur dass es da nicht wehgetan hatte – und da lag es dann im Gras; nur viel dicker und schwärzer und knotiger als die anderen Häute. Da lag ich nun, glatt und weich wie eine geschälte Gerte, und kleiner als vorher. Dann packte er mich – das gefiel mir nicht so, da ich jetzt ohne meine Haut drüber ziemlich empfindlich war – und warf mich ins Wasser. Das brannte wie die Hölle, aber nur einen Moment lang. Danach war es einfach herrlich, und sobald ich anfing zu schwimmen und herumzuplanschen, merkte ich, dass der Schmerz in meinem Arm völlig weg war. Und dann sah ich auch, warum. Ich hatte mich wieder in einen Jungen verwandelt.
C. S. Lewis. Die Reise auf der Morgenröte. Überreuter: Wien, 2010. S. 94-96