Ich habe kürzlich das frisch übersetzte Buch "Sleep: Schlafen wie die Profis – Das Buch vom Schlaf-Coach internationaler Spitzensportler" von Nick Littlehales rezensiert. Erst befürchtete ich, es handle sich um ein "gurumässiges" Buch, das einem einen Lebensstil verordnet, der leicht zum Götzen wird. Doch ich war positiv über die hilfreichen und anwendbaren Empfehlungen überrascht. Trotz allem ist zu beachten: Es gibt kaum etwas Theologischeres als den Schlaf. Littlehales geht als Agnostiker von der Evolution aus und sieht das "paradiesische", weil ursprüngliche Ideal in einem Leben mit dem Tageslicht. Meine Besprechung im vollen Wortlaut:
«Beim Schlaf findet gerade eine Revolution statt. Viel zu lange war er ein Aspekt, unseres Lebens, den wir für selbstverständlich hielten … (Es kam zu) einer erdbebenartigen Veränderung unseres Lebensstils. Internet und E-Mails warfen unsere Art zu kommunizieren, zu konsumieren und zu arbeiten für immer über den Haufen.» (aus der Einleitung)
Eine gewisse Scheu befängt mich angesichts solcher Bücher. Ich befürchte – ähnliche wie bei einem Diät-Buch – nun mein ganzes Leben nach einer bestimmten Doktrin führen zu müssen. Dass also das Thema Schlaf alle anderen Themen für eine Zeit zu überstrahlen beginnt, bis der erste Eifer erloschen ist und die alten Gewohnheiten wieder fest im Sattel sitzen.
Diese Befürchtung traf nicht ein. Weder habe ich meine Schlafzimmereinrichtung ausgewechselt, noch ist mein Leben durch die Lektüre dieses Buches ein anderes geworden. Umgekehrt ausgedrückt: Es ist dem Autor gelungen, meine Wahrnehmung auf einem wichtigen Thema, das wohl einen Drittel unseres Tages ausmacht, zu steigern. Keine Schlafdiät, keinen strikten Plan, verspricht der Schreiber, und hält sich an die Abmachung.
Die Kapitelanfänge nehmen direkt ins Geschehen. Auch ich kenne die Stunden nachts, in denen sich die Gedanken um den Terminteppich des nächsten Tages zu drehen beginnen. Der Druck, den man sich dadurch aufbaut, ist nicht förderlich zum Wiedereinschlafen. Aber schön der Reihe nach, ich schildere Ihnen doch am besten, wie ich meinen eigenen Schlafzyklus unter die Lupe genommen habe.
Zuerst einmal empfiehlt der Autor, nicht in Nächten, sondern in Wochen zu denken. Also kein Stress, wenn die eine oder andere Nacht schlecht war. Auch das Cliché «ich bin nicht auf meine acht Stunden Schlaf gekommen» wird schnell enttarnt. Vielmehr geht es um Schlafzyklen von 90 Minuten. Pro Woche sollten es ungefähr 35 sein, das heisst pro Nacht fünf. Nach einigen Probenächten kann ich sagen: Meine maximale Nacht besteht aus sechs Zyklen, meine «schlechte» aus 2+1 (mit 1-2 Zyklen Unterbruch).
Sehr hilfreich ist die Bemerkung: Den Schlaf können wir nicht beeinflussen – jedoch alles, was wir dazwischen in der Wachzeit unternehmen. Der Autor nimmt die Zeit nach dem Aufstehen und vor dem Ins-Bett-gehen gezielt unter die Lupe. Die zweimal 90 Minuten sind von entscheidender Bedeutung. Künstliches Licht der Computergeräte verhindert die Bildung von Melotonin. Also weg mit den Geräten in diesen Randzeiten. Da gibt es viel Sinnvolleres zu tun, das habe ich schon vorher geahnt. Seine Sorgen schreibt sich der Schlaftrainer auf ein Blatt Papier. Ich nehme mein Tagebuch hierfür.
Das Nickerchen von 30 Minuten über Mittag wird – keine Überraschung – wärmstens empfohlen. Auch eine ähnliche Einheit zwischen 17 und 19 Uhr abends. Das erfrischt und steigert Konzentration und Wohlbefinden entscheidend. Und ja, Eile und Stress morgens sind nicht förderlich. Ein geregeltes Morgenritual verbessert nicht nur den Tag, sondern auch die nächste Nacht. Nichts Dümmeres als morgens sich gleich über einen Twitter-Eintrag zu nerven. Der Stresspegel ist am Morgen sowieso schon am höchsten! «Schlaf ist eine der wenigen Privatangelegenheiten, die uns noch geblieben sind.» (15) Richtig. Doch wir machen auch die Nacht zum Tag. Tageslicht ist unübertreffbar. Also lasse ich die Morgensonne ins Zimmer kommen und nehme es einen Rutsch gelassener, als ich es mir in den letzten Jahren gewohnt war.
Jetzt habe ich Ihnen einige Aspekte im Vorbeigehen anhand meines eigenen Beispiels weitergegeben. Es geht auch strukturierter. Littlehales listet im Buch nämlich sieben Schlüsselindikatoren für erholsamen Schlaf auf, die jeweils mit sieben Schritten konkretisiert werden. Am Ende des Kapitels werden sie bequem zusammengefasst. Also etwas mehr Kontrolle ja. Beim Schlaf geht es letztlich aber gerade darum, Kontrolle abzugeben. Zu realisieren, dass ich nicht im Zentrum des Universums stehe. Ich nehme mich nochmals etwas anders wahr, ohne in eine krankhafte Introspektion zu verfallen. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Eine konstante Weckzeit auch am Wochenende ist hilfreich. Und Koffein als Leistungssteigerer zum richtigen Zeitpunkt und nicht über 400 Milligramm. Alles Weitere zum Entdecken überlasse ich nun Ihnen. Das Buch lohnt sich!