Ein Briefanfang ohne Absender – weil der Gottessohn im Zentrum steht; Empfänger nicht genau zu bestimmen; eine anspruchsvolle theologische Darlegung, immer wieder durch ermahnende Schlussfolgerungen und Aufrufe („lasst uns…“) unterbrochen; zahlreiche Bezüge zum alttestamentlichen Gottesdienst: Der Hebräerbrief gehört zu den anspruchsvollsten Schriften des Neuen Testaments. Scheinbar liegt er weit weg von unserem Erfahrungsfeld. Doch: Da gibt es eine interessante Parallele.
Die Judenchristen waren es müde, ausserhalb des Mainstream ihres kulturellen Erbes zu leben (vgl. 13,13) und offen für fremde Lehren („Lasst euch nicht von vielfältigen und fremden Lehren umhertreiben; denn es ist gut, dass das Herz fest wird, was durch Gnade geschieht“, 13,9). Wie richtet der Autor diese Christen neu aus? Gerade der Jesus, den die Juden umgebracht hatten („Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“, Mt 27,25), der wurde zum wahren Hohepriester. Ihn, den Gottessohn, malt der Schreiber vor Augen, den „besseren Hohepriester“. Die Priesterschaft Christi wird vom Hintergrund des alttestamentliches Opferdienstes her im Kontrast dargestellt (1,3; 2,17; 3,1; 4,14; 5,5+10; 6,20; 7,3; 8,1; 9,11; 10,21; 11,28; 12,24; 13,12). Der Dienst im neuen, besseren Bund (vgl. 8,6) ist mehr als nur Ersatz des Opferdienstes. Das alte Heiligtum war Schatten des wirklichen, himmlischen Heiligtums (9,1-10; „bessere Ordnung“).
Ich strukturierte diese Einführung in: a) Rundflug, b) Eckdaten/Anliegen, c) zwei thematische Vertiefungen.
1. In die wahre Ruhe eingehen (3,7 – 4,13): Der Heilige Geist spricht durch das Wort (Alte Testament); Christen geben Acht, ob jemand zurückfällt; wer Anteil an Christus bekommen hat, hält bis zum Ende fest; die Verkündigung hilft nicht, wenn es sich nicht mit dem Glauben verbindet; die Gläubigen gehen in seine Ruhe ein.
2. Vom Glauben abfallen? (6,4-6) Manche nehmen diese Verse, kombiniert mit anderen Stellen (insbesondere 10,29) als Beleg dafür, dass Gläubige abfallen können. Sie sehen vor allem die Tätigkeitswörter als Beweis an. Dagegen spricht aus dem direkten Zusammenhang: Das Bild von Unkraut und dem Wasser (6,7f); der formulierte Gegensatz zu den Empfängern (6,9-12). Zudem: Anteil an Christus zu bekommen führt zum Ausharren (3,14); für immer vollendet (10,14); Teilhaber des ewigen Bundes, den Er vollenden wird (13,20f).