Der Titel lautet übersetzt «treues Ausharren», der Untertitel «lebenslang Hirte sein». Es geht also um ein Buch für Gemeindehirten. Herausgeber ist die Gospel Coalition; Beitragende sind bewährte und bekannte Theologen wie Tim Keller und Don Carson (die beiden Gründer der Gospel Coalition). Auch wenn ich selbst nicht Pastor bin, hat mich der Titel ungemein angesprochen. In einer Zeit der andauernden Neudefinition wird der Leuchtkegel auf den Langstreckenlauf unseres Lebens geworfen. Nichts wünsche ich mir selbst sehnlicher, als gut zu enden. Wir werden dazu aufgerufen, unser Leben für unsere Brüder zu geben (1Joh 3,16), den Blick auf den Anfänger und Vollender des Glaubens gerichtet (Hebr 12,1).
Die Zielsetzung des Buches formuliert der Editor so: Es sollte uns Freude und Zuversicht für ein Leben des Opfers geben. Diese Erwartung nehme ich in meine Lektüre mit.
Tim Keller beginnt – für mich überraschend und doch nicht – mit der Gefahr des Stolzes. Die Inhalte entwickeln schnell ein Eigenleben. Die Begegnung mit Gottes Wort demütigt und verändert mich selbst nicht mehr. Dies äussert sich auf verschiedene Weise, nämlich unseren Dienst auf Erfolg/Performance zu bauen, nicht mehr für Kritik zugänglich zu sein, Menschen nicht verletzen zu wollen oder sich selbst zu vergleichen. Wir können aber auch den Anschein erwecken, wie wenn wir mit Gott in Gemeinschaft ständen.
Wann ist die Zeit des Rücktritts gekommen? Eine wichtige Frage, die Don Carson (* 1946) aufwirft. Für den alternden Diener stellt sich die Frage nach dem Umgang mit schwindenden Kräften. Carson spricht davon, ab den 60ern eine Aufgabe nach der anderen abzugeben, um dann bis in die späten 80er noch etwas zu tun, was diese nach wie vor herausragend tun konnten. Es kann auch geschehen, dass wir uns um des Partners willen zurückziehen.
Bryan Chappell spricht über die inhaltliche Selbst-Langeweile des Predigers. «Meine Worte hören sich immer gleich an.» Wir müssen den Text und die Zuhörer gleichermassen auslegen (31). Die Predigt entlang biblischer Bücher befreit uns nicht davon, immer wieder Überlegungen über die Kapazitäten und Voraussetzungen der Zuhörer anzustellen. Dann gilt es auch die verschiedenen Literaturgattungen zu berücksichtigen (und nicht nur Lehrtexte aus dem NT auszulegen). Ebenso wichtig ist das Erkennen der Absicht und des Ziels eines Textes (und nicht nur dem Widergeben von Fakten).
Es gibt Phasen, in denen der Diener im Feuer der Kritik steht (Dan Doriani). Einige grosse Pastoren wie Calvin oder Edwards sind von ihren Gemeinden gefeuert worden. Wir brauchen Kritik – es gibt faire/berechtigte; unvermeidbare; unberechtigte. Bei falschen Anklagen bedenke, dass der Herr die Wahrheit kennt und die Anklage auch viel über den Ankläger selbst aussagt. Es gibt verschiedene Kritikertypen: Wahre Freunde, Dienstverbündete, chronisch Misstrauische (z. B. aus Eifersucht), starke systemische Differenzen, aber auch “Vernichter”.
Manche sagen, sie würden ihrer Kirche niemals erneut beitreten (nachdem sie die Innensicht bekommen haben). Tom Ascol beginnt mit einem Rat von Spurgeon, das Evangelium regelmässig auf sich selbst anzuwenden. Es bringt nichts, die eigenen Kernüberzeugungen verdeckt zu halten, Ehrlichkeit ist gefragt. Die Hauptaufgabe von Predigt und Gebet bleibt. Es gilt die Kämpfe auszuwählen und nicht auf zweitrangige Änderungen zu fokussieren.
Unsere Angehörigen sind von Kritik an uns mitbetroffen. Das geht häufig vergessen. «Manchmal habe ich mich zu oft auf meine Frau verlassen und zu hart auf sie abgestützt.» (63) Die erste Aufgabe der Frau sind der eigene Ehemann und die Kinder. Unterschätze nie das gemeinsame Gebet und die gegenseitige Fürbitte. Der Autor erfuhr grosse Ermutigung durch Psalmen, die ihm seine Frau aufschrieb.
Manchmal verlassen treue Mitglieder die Gemeinde; Verluste können noch über Jahre schmerzen. Umso schwieriger, wenn wir selbst durch unweise oder sündige Reaktionen dazu beitrugen. Erinnern wir uns an Paulus, den fast alle verlassen haben, als er in Rom die letzten Lebensmonate im Gefängnis verbrachte. Treue ist wichtiger als Recht haben. Und: Gott führt auch solche Veränderungen souverän herbei. Nicht alle «offenen Enden» werden sich auf dieser Erde klären.
Manche bleiben in einer kleinen Gemeinde an einem ländlichen Ort. Sie verdienen sich dort nicht die Sporen ab, sondern werden über Jahrzehnte an jenem Platz geheiligt. Kann es Zufriedenheit geben ohne er-/bekannt zu sein? Es ist möglich in der Wüste zu leben und trotzdem mit Wasser und Nährstoffen versorgt zu sein (Jer 17,5-8). Es gibt Freude darin, Gott an solchen Orten bekannt zu machen. Es kann sich zudem eine Verbundenheit zu anderen Menschen erblicken, die der einer langen Ehe vergleichbar ist.
Und dann der Dauerbrenner: Physisch, psychisch und geistlich ausgebrannt zu sein. Den Sabbat nicht zu beachten bedeutet umgekehrt, dass du so zu leben versuchst wie Gott, nämlich ohne Limitierungen. Die Zeit auszukaufen kann kippen in eine Sklaverei. Für manche ist das Beschäftigt sein die beste Ablenkung gegen die untergründigen Ängste. Pausen sind da um sich zu erinnern und zurückzublicken.
Manchmal wächst die Kirche auch über das Potenzial des Pastors hinaus. Gefreut, aber nicht minder schwierig für den Pastor selbst. Es ist eine Zeit in der Demut zu wachsen und zu erkennen, dass wir niemals aus uns selbst die Möglichkeiten für unseren Verantwortungsbereich haben. Bevor jemand den Dienst verlässt ist es wichtig, Weisheit zu gewinnen – bezüglich Zielsetzung, den anvertrauten Menschen und auch von der eigenen Persönlichkeit. Es kann sein, dass das Team erweitert und die Aufgaben neu verteilt werden müssen. Manchmal ist auch der Erwerb neuer Fähigkeiten gefragt.
Erst jetzt wird die finanzielle Frage angesprochen. Brandon Shields gesteht, dass seine Strategie minimale Ausgaben – aggressives Sparen – kontrollierte Grosszügigkeit über lange Zeit aufging, bis er an einem neuen Ort war und grosse Kosten durch Krankheit hinzukamen. Dieses Thema wird kaum aufgebracht aus dem Grund der Scham. Unter dem Vorwand der Geistlichkeit wird auch über Bezahlung gar nicht oder erst im Nachhinein gesprochen. Das Geld erzählt eine Geschichte – über uns, es enthüllt Motive und Mythen. Shields nennt drei verkehrte Ansätze Sicherheit – Armut – Stoizismus (120ff).
Das letzte Kapitel berichtet vom schmerzlichen Rücktritt eines Pastors nach drei Jahren. Ein Ältester hatte öffentlich ein Misstrauensvotum gestellt – in Anwesenheit seiner Familie. Eine Woche später folgte die Rücktrittserklärung. Trotzdem blieb er im Dienst. Die Gewissheit der Berufung festigte sich gerade in der leidvollen Phase.
Fazit: Nicht jeder Aufsatz ist gleichermassen stringent strukturiert. Nicht alle Anwendungspunkte treffen auf mich zu. Das wichtigste: Jedes der zwölf Themen stiess Gedanken in mir an und stiessen ein Tabu um. Gott sei Dank dafür! Ich empfehle die Reihe für Pastoren, aber auch für Männer, die geistlich reifen wollen.