Der 1941 zum katholischen Glauben konvertierte Alfred Döblin (1878-1957) beschreibt in “Schicksalsreise” eindrücklich seine Flucht in Frankreich vor den heranrückenden Nazis. Im zweiten Teil “Gestrandet” verzeichnet er im 4. Kapitel eine “Vornotiz zum Beziehungswahn”. Er grübelt über die Beziehung des Ichs zur Aussenwelt und über einen transzendenten und immanenten Weltenlenker.
Die Welt und das Ich gehören, wie sie es auch anstellen und wie sehr sie sich verzanken und verkrachen, zusammen. Die Welt sei nicht vom Ich abzutrennen und abzulösen. Sie trete überhaupt nur unter der treuen Hut eines Ichs, einer Person auf. Von einer absoluten und bloß »objektiven« Welt sei nirgendwo etwas zu merken. Man könne sicher sein: die Welt ist auch unsere Welt. …
Mögen kluge Physiker und Naturforscher zeigen, wie sehr ich »Natur« bin, Physiologie, Fleisch, Materie, ein dürftiger und rasch welkender Grashalm (auch das soll man nicht so roh hinsagen, auch das will erlebt und erfaßt sein). Wir wollen festhalten, mit und ohne Hilfe der alten Weisen, daß das Ich tief und noch tiefer in die Welt hineinragt. …
Mehr als man ahnt, sind die Vorgänge der Welt, der Natur und Geschichte unsere Vorgänge. Sie sind, mehr als man ahnt, persönlich. Man erklärt die Dinge »kausal«, und ist stolz darauf, festzustellen, daß in der Natur eine »eherne Notwendigkeit« herrscht, wo alles aus dem andern folge, eins das andere begründe, und da gäbe es nichts weiter zu fragen. Ziele, Zwecke, Absichten, Gefühle, Gedanken sind von der Szene verbannt…
Wenn auch in mystischer Weise vor einem Kruzifix – Döblin notiert:
… was hier hängt, ist nicht ein Mensch, dies ist Gott selber, der um das Elend weiß und darum herabgestiegen ist in das kleine, menschliche Leben. Er hat es auf sich genommen und durchlebt. Er hat durch sein Erscheinen gezeigt, daß dies alles hier nicht so sinnlos ist, wie es scheint, daß ein Licht auf uns fällt und daß wir uns auch in einem jenseitigen Raume bewegen. Ja, die Erde kann schöner und reicher werden durch diesen Gedanken – wofern man ihn faßte und annahm. Es heißt, wir würden so erlöst. Auf die Erde und unsere Existenz fiele durch dieses Bild mehr Licht als von den Sonnen aller Sternensysteme. … dem ungeheuren Jenseits, jenseits aller menschlichen Vorstellungen, dem wir glauben einen Namen beilegen zu dürfen, das Jenseits aller Vorstellbarkeit, das wir mit der Silbe »Gott« bezeichnen.
Und es zog ihn zum Neuen Testament:
Es ist aber etwas in mir (auch wenn es nicht Kraft und Sicherheit hat), was mich seit langem zu dem Gekreuzigten zieht. Wenn ich im Neuen Testament lese und seine Reden und Handlungen verfolge, so gibt es nichts darin, was mich nicht erhebt und mir große Freude macht.
Von der Sache her erinnert mich der Bericht an Lion Feuchtwangers “Der Teufel in Frankreich”.