Input: Angst als Grundgefühl unserer Zeit

Mitschrift aus einem Interview mit Elisabeth Lukas (2014):

Angst ist das Grundgefühl unserer Zeit.

  • Sie erfüllt grundsätzlich eine Schutzfunktion – Schutz vor Leichtsinn und zu hohen Risiken.
  • Wenn sie ausufert, verliert sie diese Funktion.
  • Immer hängt unser Leben an einem seidenen Faden. Wir gehen mit einem Restrisiko durchs Leben.
  • Dieses sollte nicht im Vordergrund stehen, weil es uns blockiert.
  • Konzentriere dich darauf, was beeinflussbar ist. Nicht darauf, was schief gehen könnte.
  • Ansonsten wird ein Teil der Gedanken abgezogen auf Kosten der vollen Präsenz in Entscheidungen.
  • Wenn man sich viel Negatives prophezeit, lockt man diese geradezu an. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Prüfungsangst oder die Angst davor, sich eine Blösse zu geben.
  • Eine zu grosse Angst agiert als Vom-Sinn-weg-Verführer. Wer sich z. B. aus Angst beim Chef anbiedert oder seinen Kollegen verleumdet.

Die Kraft zum Überwinden der Angst

  • Im Grunde gibt es ein grosses Gegensatzpaar menschlichen Handelns: Angst oder Liebe.
  • Die Liebe macht stark, Ängste zu überwinden.
  • Darum eine wichtige Frage: Wann hat ein Mensch die Kraft aufgebracht, eine Angst zu überwinden?
  • Als Mensch bringen wir Dispositionen im Sinne einer Charakterstruktur mit. Der Mensch gestaltet diese Struktur aktiv mit.
  • Die Ursachen von Störungen sind deswegen sehr vernetzt.
  • Es gibt sogenannte Rückschaufehler: Details werden aus einer langen Vorgeschichte herausgegriffen und bekommen ein bestimmtes Gewicht. Zudem wird das Gehirn von aktuellen Einflüssen überschrieben.
  • Selbst wenn wir also die Ursache einer späteren Angststörung entdecken würden – was würde es uns bringen? Jemand muss mit seiner Kindheit auskommen, wegnehmen kann man sie nicht.
  • In der Therapiepraxis schulden wir jedem Klienten eine erste Hilfe. In der Gegenwart muss das Leben lebbar sein. Wenn jemand stabil ist, können wir Frieden schliessen mit der Vergangenheit und mit Freude auf die Zukunft blicken.

Die Trotzmacht des Geistes

  • Mit der “Trotzmacht des Geistes” lassen sich viele unnötige Ängste beseitigen, z. B. mit einer Gegenübertreibung. Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.
  • Es gibt eine Wertefühligkeit auf der Ebene der geistigen Ebene. Die Angst will Unlust vermeiden. Es gibt jedoch ein sich-Zuneigen zu einer anderen Person oder hin zu einer Aufgabe. Dabei geht es um Werte ausserhalb von sich selbst (Selbsttranszendenz).
  • Ein Mensch mit einer Angststörung fühlt sich dann gut, wenn er ausweicht um seine Angst zu vermeiden.
  • Es gibt in jedem Menschen einen heilen Personkern. Dieser lässt sich über die Frage nach dem Sinn am besten aktivieren: Wofür lohnt es sich, sich (erneut/nochmals) zu überwinden?
  • Wenn kein Sinn erkannt werden kann, dann lohnt es sich zumindest sich selbst für das nächste Fenster einer Sinnchance “aufzuheben”.