Input: Warum finde ich in der Gemeinde keine Freunde?

Bereits der griechische Denker Aristoteles machte sich Gedanken über die Freundschaft und bezeichnete sie als seltenes Gut. Er leitet sein Kapitel über die Freundschaft mit der Feststellung ein, dass Menschen zur Gemeinschaft bestimmt seien (Hervorhebungen von mir):

Das Band, das die Menschen verbindet ist selber etwas Sittliches oder es erscheint doch im Gefolge der Sittlichkeit, und überdies gehört es zu den schlechthin unentbehrlichen Bedingungen des menschlichen Lebens. Niemand möchte sich, auch wenn er alle übrigen Güter sein nennte, zu leben wünschen ohne die liebevolle Teilnahme anderer. Ja, man darf sagen, daß gerade für diejenigen, die Reichtum, Herrschaft und Macht besitzen, das Bedürfnis solcher liebevollen Beziehungen zu anderen sich am dringlichsten erweist. Denn was hätten sie von ihrem ganzen Glückszustande, wenn sie nicht vermittels desselben die Möglichkeit hätten, anderen Freude zu bereiten? Dies aber ist solchen gegenüber, zu denen man in freundschaftlichen Beziehungen steht, am meisten am Platze und am verdienstlichsten. Oder wie ließe sich das Glück bewahren und aufrecht erhalten ohne die wohlwollende Gesinnung anderer? Ist es doch, je größer es ist, auch desto mehr gefährdet. In Armut und sonstigem Mißgeschick aber hält man sich an die Freunde als an die einzige Zuflucht. Jungen Leuten erwächst aus der Freundschaft Bewahrung vor Verfehlungen, älteren Leuten Hilfe und Pflege und Ersatz für das, was sie aus Mangel an Kräften selbst nicht mehr zu leisten vermögen, den auf des Lebens Höhe Stehenden Förderung bei jedem edlen Vornehmen. »Zwei auf dem Marsche vereint«, [heißt’s bei Homer]; dadurch wird das Vermögen zu Rat und Tat gesteigert.

Auch C. S. Lewis beschäftigte sich eingehend mit Freundschaften. Hier habe ich einige Argumente zusammengetragen.

Das Merkmal echter Freundschaft besteht nicht darin, dass man einander hilft, wo Not am Manne ist (das versteht sich von selbst), sondern dass sich hernach überhaupt nichts ändert.

Nun hat mein Freund – ja, richtige Bezeichnung – Andreas Dück in einem ausgezeichneten Artikel mit Anspruch und Wirklichkeit von Freundschaften innerhalb der Gemeinde auseinandergesetzt. Darin stellt er fest, dass das Ideal und die Erfahrung auseinanderklaffen:

Das Liebesgebot, die Anweisung, den anderen höher zu achten als sich selbst, die Aufforderung zur Vergebung, das Vorbild der Selbstaufgabe und die Voraussetzung eines bekehrten Herzens sind doch ideale Voraussetzungen für neue tiefe, persönliche und erfüllende Freundschaften. Wenn Grenzen der Kultur, des Alters, der Herkunft und der sozialen Schichten fallen, dann müssten aus zugewucherten Trampelpfaden des Miteinanders doch recht schnell breite Autobahnen von Herz zu Herz entstehen.

Stattdessen wird aus der Hoffnung auf Freundschaft zu oft eine Erfahrung der Einsamkeit. Nicht selten verlassen Menschen die Gemeinde mit dem Urteil, dort von Heuchlern umgeben zu sein – oder bestenfalls von Menschen, die von einem hohen Anspruch der Liebe sprechen, aber den Einsamen nicht beachten. In der Gemeinde bleiben ein betretenes Schweigen und der Eindruck zurück, den Menschen nicht gerecht geworden zu sein.

Er nennt dann die Schwierigkeiten (Hervorhebungen von mir):

  1. Unterschiedliche Vorstellungen: Für uns im Westen hat Freundschaft jedoch etwas sehr Persönliches, Nahes, Intimes. Dadurch ist die Anforderung an Freundschaften oft eigenartig. Ist denn nicht klar, was Freundschaft ist? Nein, ist es nicht – zumindest meiner Erfahrung nach nicht. Es ist oft schwer zu erraten, was mein Gegenüber unter echter Freundschaft versteht und was diese Person erwartet. 
  2. Kreatürliche Begrenzung: Da wir nicht Gott sind, können wir nicht zu einer unbegrenzten Zahl von Menschen eine vertraute Beziehung pflegen. Visualisiert sähe unser soziales Umfeld aus wie ein Trichter, bei dem immer weniger Menschen Platz finden, je tiefer es ins Herz geht. 
  3. Sünde: Unsere Hinwendung zum Anderen ist durchdrungen vom Wunsch, mehr zu bekommen, als zu geben. Unser Weg in die Gemeinde führt nicht aus Eden, sondern aus der Welt vor ihren Toren. Diese Welt hat unser Denken, Wollen und Fühlen komplett eingenommen, und mit dieser Prägung kommt jeder von uns in die Gemeinde. Und seien wir ehrlich: Die wenigsten von uns haben Beliebtheitswettbewerbe gewonnen, bevor wir zu Jesus umgekehrt sind. Wir sind schwierig. Wir haben Ansprüche. Wir klagen. Wir fordern.