Input: Organische Anthropologie – die gemeinschaftliche Dimension der Imago Dei

Nathaniel Gray Sutanto zur theologischen Bedeutung eines gemeinschaftlichen (korporativen) Verständnisses der Imago Dei (hier):

Erstens: Da kein menschliches Individuum das Ebenbild Gottes vollständig zum Ausdruck bringen kann, haben menschliche Berufung und Verantwortung notwendigerweise eine gemeinsame Dimension. Im Gegensatz zu dem Individualismus, der unsere heutige Welt durchdringt – wie er in unserer Besessenheit von sozialen Medien und Superhelden-Filmen zum Ausdruck kommt – wird Gott nicht in dem Helden gesehen, der aus dem Nichts auftaucht, sondern in den Schöpfungen von Liebesbanden. Dies ergibt Sinn in Bezug auf eine Reihe von Kernaussagen in Bavincks Reformierter Ethik, wo er argumentiert, dass die Egozentrik die Wurzel der Sünde ist, die den atomistischen Individualismus verewigt, und das Heilmittel des erlösenden Wirkens des Geistes, das uns durch die Erneuerung der Bande der Liebe zueinander zur organischen Einheit zurückführt (RE I, 110, 248).

Herman Bavincks missiologischer Neffe Johan Bavinck (1895-1964), argumentiert zudem dahin, dass die Sünde oft vergessen lasse, dass wir bei den Sünden anderer eine entscheidende Rolle spielen … Eine organische Anthropologie bedeutet, die gemeinschaftlichen Dimensionen der Sünde ernst zu nehmen:

“In unserem Sündigen stehen wir nicht isoliert voneinander: Fast jede Sünde, die wir begehen, geschieht in Gemeinschaft.Zahlreiche Sünden sind von Natur aus so beschaffen. Die Sünden des Ehebruchs, des Streits und des Zankes zum Beispiel sind gemeinschaftlich begründet. Aber auch die Sünden, die individuell begangen werden, geschehen im größeren Kontext der Gesellschaft, und die Gesellschaft als solche ist der Auslöser für diese. Das ist der Grund, warum wir, wenn ein Verbrechen begangen wird, kaum eine Person vollständig für die Tat verantwortlich machen können. Unsere Rechtssysteme, die in der Regel einen Täter isoliert bestrafen, sind immer mehr oder weniger einseitig, weil sie die Rolle der Eltern, Lehrer oder Freunde dieser Person nicht berücksichtigen. Jede Sünde hat ein gewisses Maß an Gemeinschaftlichkeit, da sie ihre Wurzeln in der Gesellschaft hat. Wir sündigen nicht als Einzelne, sondern als Mitglieder unseres größeren sozialen Umfelds.” – (Johan Bavinck, Between the Beginning and the End, 60).

Zweitens und letztens sollten wir die Verschiedenheit innerhalb der Kirche feiern, denn hier werden die Menschen erlöst, damit sie die Herrlichkeit des dreieinigen Gottes widerspiegeln. Die Erlösung in Christus schafft keine Uniformität, sondern Vielfalt in der Einheit und Einheit in der Vielfalt, und zu dieser Vielfalt gehören die verschiedenen Sprachen, Völker und Nationen, die die himmlische Stadt bevölkern.

Dort wird jede Volksgruppe etwas von der Herrlichkeit Gottes und von dem, was wir als Ebenbilder sind, zum Ausdruck bringen: “Stämme, Völker und Nationen werden ihren eigenen besonderen Beitrag zur Bereicherung des Lebens im neuen Jerusalem leisten… Die große Vielfalt, die es in allen möglichen Formen gibt, wird in der Ewigkeit nicht zerstört, sondern von allem Sündhaften gereinigt und für die Gemeinschaft mit Gott und untereinander dienstbar gemacht.” (Bavinck, RD 4.727). Unsere Aufgabe hier ist es, diesen letzten Tag zu bezeugen, an dem “die Menschheit in ihrer Gesamtheit – als ein vollständiger Organismus, zusammengefasst unter einem einzigen Haupt, ausgebreitet über die ganze Erde, als Prophet, der die Wahrheit Gottes verkündet, als Priester, der sich Gott weiht, als Gebieter, der die Erde und die ganze Schöpfung beherrscht – allein sie ist das vollendete Bild, das aussagekräftigste und auffälligste Ebenbild Gottes.” (Bavinck, RD 2.576).

Was wir hier tun, sollte widerspiegeln, was wir sein werden. Wenn die Eschatologie die Ethik prägt, tun wir gut daran, diese Aufforderung ernst zu nehmen, Bande der Liebe in einer Weise zu knüpfen, die unsere geschaffene und erlöste Vielfalt würdigt.