58 Noch 1950 wohnten 9 Millionen Kinder in Westdeutschland unzulänglich, oft menschenunwürdig.
35 Könnte ihr schlechtes Gedächtnis damit zusammenhängen, dass sie als Kind von ihrer Mutter so oft aufgefordert worden war, zu vergessen?
39 »Brauchen Sie vielleicht von Zeit zu Zeit eine Katastrophe, um alle Ihre Fähigkeiten zu entfalten?«
52 »Nicht wahr, Mutter, wenn wir das nächste Mal fliehen, dann darf ich mein Rucksäckchen doch behalten?«
82 »Ich musste mich offenbar überfordern. Da war so ein Drang in mir«.
84 »Manche spüren ihren eigenen Körper kaum, zum Beispiel dann, wenn sie eigentlich Schmerzen haben müßten.«
96-97 Viele Eltern (hielten) im Nachhinein an ihrer Überzeugung fest, es habe ihren Kindern trotz der schlechten Zeiten »an nichts gefehlt«. … Aber in solchen Fällen gehen diese Kinder dann als Erwachsene mit einer Fremdeinschätzung durchs Leben, die das Herantasten an die Realität der Kindheit erschwert.
101 »Es gab bis in die Wissenschaft hinein die Scham, dass man sich gerecht fühlen konnte, wenn man Opferkinder untersuchte, aber nicht die Kinder der normalen Deutschen mit ihrem Elend des Ausgebombtseins, des Geflüchtetseins und der Erlebnisse der Gewalt 1945 beim Einzug der Siegermächte.«
113 Dass gerade in Flüchtlingsfamilien die Kinder zu Anpassung und Leistung angehalten wurden, ist bekannt. »Rücksicht verstand sich von selbst, ständiges Bemühen, Fehler zu vermeiden, Störungen zu vermeiden, Erwartungen zu erfüllen«
125 Bei der Mutter dauerte das Warten ein ganzes Leben.
148 »Nicht zu wissen, wer man ist, … ist, glaube ich, das Allerschlimmste daran. Das ist das Schreckliche: Es gibt eben nicht wirklich einen Trost.«
171 Man weiß zwar, dass Kinder in Zeiten von Chaos und Elend oft alleingelassen werden, aber man denkt nicht unbedingt weiter: dass dies günstige Umstände sind für Erwachsene, die einen Gewinn daraus ziehen, sich an Schwächeren zu vergreifen.
203 Die Anfälligkeit für Traumatisierungen hat vor allem mit dem Grad des Ausgeliefertseins zu tun.
215 Menschen erst dann eine Chance haben, ihre seelischen Verletzungen zu überwinden, wenn sich die Verhältnisse normalisiert haben.
231 … dass es sich bei seiner Depression nicht um den Zusammenbruch einer geschwächten Psyche gehandelt hatte, sondern dass sein Anpassungssystem nicht mehr funktionierte – genauer: seine unbewussten Strategien, mit denen er seit seiner Kindheit negative und verstörende Gefühle von sich ferngehalten hatte.
243 Wie können sich zwei Generationen verstehen, deren Kindheiten sich jeweils auf zwei völlig gegensätzlichen Planeten abgespielt haben?
247 Nicht nur Menschen der Kriegsgeneration können unter den Folgen ihres frühen Traumas leiden. Es gibt eben auch eine Verschiebung in die zweite und dritte Generation.
265 Jammern produziert neue Opfer. Trauer ist der Weg zu einer neuen inneren Stärke.
276 »Gleichwohl ist es wichtig, dass die Deutschen auch ihre eigenen Verletzungen wahrnehmen«, sagte Brumlik, »denn solange dies unterbleibt, können sie nicht wirklich Empathie, sprich einfühlendes Verständnis für andere Opfer entwickeln.«
282 Trauern bedeutet, das versäumte Leben und die Verluste wahrzunehmen. Trauern hilft, die leidvollen Erfahrungen zu verarbeiten und als Teil der eigenen Identität anzunehmen. Trauern heißt: mit seinem Schicksal Frieden schließen.